Die ganze Nacht hatte der Regen auf das Dach von Cosimas Wellblechhütte getrommelt und das Feld davor in eine Schlammgrube verwandelt. Es regnete dieses Jahr ungewöhnlich viel und oft, für ihr Heimatland Syrien.
Langsam erhob sich Cosima von ihrem Lager auf dem Boden. Sie sah sich um. Ihre drei jüngeren Geschwister schliefen noch tief und fest. Die Schlafplätze der zwei Großen waren leer. Sicher waren sie mit Mommy und Opa schon draußen auf dem Feld, arbeiten.
Als Atef, ihr Nachbar und bester Freund herein platzte, war sie gerade damit beschäftigt ihre Beinprothese anzuschnallen. Cosima fiel beinahe die Kinnlade herunter, als sie ihn da so stehen sah. Das letzte mal hatte sie ihn vor zwei Wochen gesehen. Damals war er nicht der gut gelaunte, starke, Atef, sondern ein kümmerlicher 12-jähriger auf der Krankenstation, die vorletztes Jahr von Unicef organisiert worden war. Niemand im Dorf wusste, was er hatte. Und jetzt stand er wieder da, völlig unvermittelt.
Atef ergriff als erster wieder das Wort: "Ich werd' ja morgen dreizehn... Also, kannst du dich noch erinnern", begann er,"als wir acht waren, hatten wir ein Lagerfeuer an dem wir gesessen sind und uns die Blutsbruderschaft geschworen haben, wie in Greisin Samiras Geschichte... Ich dachte, das könnten wir wieder machen." Und wie sich Cosima erinnerte. Es war zwei Tage nach ihrem "Unfall", zwei Tage, nachdem sie bei der Feldarbeit in eine Mine gestiegen war. Und vor Allem zwei Tage, nachdem sie ihr Bein verlor. Das ganze Geld der Familie wurde für die Prothese benötigt und lange konnte sie keine Arbeit tun. Die Dorfälteste Samira erzählte ihr in dieser Zeit tröstende Geschichten über Menschen, die Probleme hatten und stark genug waren, diese zu bewältigen, doch was sollte ein achtjähriges Mädchen, dass nicht mehr gescheit laufen konnte, aus seiner Situation machen? Atef wich ihr nicht von der Seite, bis sie richtig laufen konnte, und den Schock überstanden hatte. Er war ihr Freund.
Am Lagerfeuer schnitzen sie sich wie in wilden Indianerromanen in den Finger und hielten sie über dem Feuer zusammen. Atefs 8. Geburtstag war damit der eigentliche Beginn ihrer Unzertrennlichkeit.
Morgen, fünf Jahre später, sollte es noch einmal so sein.
Cosima stellte sich hin. Ein ganzes Stück war sie größer als Atef, obwohl sie gerademal zwei Monate älter war. Er grinste von unten zu ihr herauf. "Sollen wir auf dem Feld helfen?", fragte er mit einer Kopfbewegung nach draußen, wie jeden Tag. "Als hätten wir eine Wahl", antwortete Cosima, wie jeden Tag.
Meine Kapis weden vermutlich nie besonders lang werden. Hoffe, es stört euch nicht. ;-)
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Drei ist mehr als nichts
RandomKrieg in Syrien. Die behinderte Cosima und ihr bester und einziger Freund Atef kennen sich solange sie denken können. Nie waren sie wirklich getrennt, doch das sollte sich ab Atefs 13. Geburtstag ändern.