6.

8 2 0
                                    

Cosima konnte nie besonders lange schlafen. Früh morgens wurde sie geweckt, um auf dem Feld zu helfen, dank dem die Familie das nötigste Geld hatte. Wie fast jeden Morgen seit dem "Unfall" blieb sie noch ein wenig liegen und stellte sich vor, sie wäre einfach nicht mehr da. Einfach tot. Würde es jemanden stören? Natürlich wäre da erst einmal Trauer, die Kleinen würden weinen. Mommy würde wieder in diese seltsame Trance fallen, wie als Daddy gestorben war. Nur das ununterbrochene Weinen von Vali, als sie Miral beim Versteckspielen nicht gefunden hatte und Angst hatte, er wäre weg, konnte sie aus ihrem Zustand wieder heraus holen. Youssuf würde vielleicht sich selbst umbringen, versucht hatte er es schon einmal.

Für diese Punkte wollte Cosi.auf keinen Fall sterben, ihrer Familie zu Schaden war nicht denkbar.

Andererseits, war sie nur ein weiteres hungriges Maul, das gestopft werden musste. Nur für sie brauchten sie Geld für Medikamente. Beim Arbeiten konnte sie auch nicht helfen. Ganz einfach Nutzlos, wie ein Videospiel, in das man viel Zeit und Geld investiert, nur um es dann zu löschen, wenn man es durchgespielt hatte. Schlicht und ergreifend nutzlos. Sie seufzte auf. Was dachte sie sich nur? War sie Lebensmüde? Suizidgefährdet, psychisch krank? Oder war es nur ein Anfall von Märthyrrerwille? Cosima wusste es nicht.

In letzter Zeit wusste sie gar nichts. Liebt ihre Mutter sie noch? Natürlich, aber sie muss doch sehen, dass sie unnütz ist?

Cosima drehte sich noch einmal um. Es nützte nichts, schlafen konnte sie nicht mehr. Ächzend setzte sie sich auf, kroch zu ihrem Rollstuhl und hiefte sich hinein. Etwas zu kochen konnte nie schaden, daher machte sie einen Topf Haferschleim.

Sie tat mehr Wasser als Hafer hinein, sonst reichen die Vorräte nicht für alle.

*Flashback*

Leise, damit mich keiner hört schlich ich von draußen ans Fenster und wollte gerade hinein klettern, da ich mal wieder zu lange draußen mit Atef gespielt hatte, als ich Mommy mit Opa reden hörte. Ich stoppte und lauschte an die Wand gekauert ihrem Gespräch.

"Wir kommen fast nicht mehr durch mit den Vorräten und dem Geld", jammerte meine Mutter. Ich hörte meinen achso lieben Opa, wie er sagte:"Dann verkauf eines von deinen Kindern! am besten das Mädchen da. Kann mir den bescheuerten Namen nicht merken. Mädchen sind eh für nix gut. Meine Hoffnung liegt bei den Jungs." Mami knallte ihm eine, ich konnte das Klatschen ganz genau hören. "Meine Mädchen gebe ich nicht her. Und merk es dir endlich, sie heißen Valeria und Cosima! Ich würde niemals meine kleine Vali oder Cosi an Menschenhändler geben!", schrie sie hysterisch. Ich musste mein kleines Kinderohr fest an die Wand drücken um den nächsten Satz zu verstehen"...Vater, wolltest du mich damals auch verkaufen?", flüsterte Mommy. Ich konnte Großvaters Schatten nicken sehen. "Deine Mutter hatte es nicht zugelassen. Aber komm, gib dir einen Ruck und verscherbel die einbeinige Hexe. Sie ist schon groß und wird damit zurecht kommen. Es ist zu unser aller besten." Groß, von wegen! ich war fast neun. Daddy sagte immer "Große" zu mir, aber doch nur, weil Vali noch kleiner war. Daddy. Eine Erinnerung, viele Tränen

verband ich mit ihm. Mit Opa verband ich Schmerz. Ich konnte förmlich sehen, wie ihm das Herz zersprang, als Daddy vor ein paar Monaten starb. Nun gut, ich sah Papa sehr ähnlich und konnte nicht mehr sehr gut arbeiten, aber brauchte er mich deßhalb gleich verkaufen?

Ich weinte. Viele bittere Tränen flossen meine Wangen hinunter und klatschten dann auf meine Füße.

*Flashback Ende*

Ja, ihre Mutter liebte Cosi. Aber das konnte sie nicht trösten, die Gedanken blieben, seufzend füllte Cosima den Schleim in Schalen und streute Weizenkörner darüber. Sie rief alle zum Essen. Alles lief wie immer. Außer dass Yosh fast nichts aß, was sonst nie der Fall ist, sondern sich eng an Cosi schmiegte, als ob ihr zeigen wollte, dass sie doch jemanden gab, der sie lieb hatte.

Cosi nahm Yoshs Kopf und drückte ihn fester an sich. Morgen würde sie etwas mit Atef unternehmen

Drei ist mehr als nichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt