Trouble Is A Friend

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Seit zwei Stunden wirbelte Brooke durch die Wohnung und hatte sich schon zehn Mal umgezogen. Zwar hatte sie ja extra das Kleid für diesen „einzigartigen und besonderen Anlass" (Zitat Brooke) gekauft, aber zwischendurch war es ihr zu bunt, zu langweilig, dann wieder zu sexy und wurde abwechselnd durch Jeans oder Rock ersetzt. Ich saß währenddessen auf der Couch, sah mir gelangweilt irgendeine Quizshow an und futterte Gummibärchen.
„Alex, was meinst du? Das Kleid sieht doch eigentlich gar nicht so schlecht aus, oder?"
Brooke tauchte neben mir auf und sah mich fragend an.
„Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass es super ist. Außerdem interessiert die Jungs dein Aussehen sowieso nicht. Da könntest du auch gestylt wie Chiara Ohoven daherkommen und die realisieren das nicht"
„Mann, bist du 'ne miese Beraterin!", schimpfte Brooke und rauschte wieder in ihr Zimmer.
Ich verdrehte die Augen, warf ein Gummibärchen in die Luft und fing es mit dem Mund wieder auf.
Der Moderator im Fernsehen stellte die nächste Frage.
„Dann kommen wir jetzt mal in den musikalischen Bereich. Wann wurde die Band „One Direction" gegründet? A)2012, B) 2010, C)2009 oder D)2006?"
Während der Kandidat ins Schwitzen kam und irgendwas vor sich hinbrabbelte, stöhnte ich entnervt. Gibt es auf dieser Welt nicht einen Fleck, der nicht von denen besetzt ist? Es reicht ja nicht, dass Brooke mich zu diesem bescheuerten Meet&Greet mitschleppte, jetzt konnte man nicht mal mehr fernsehen, ohne dass einen diese möchte-gern Boyband nervte.
Der Kandidat entschied sich schließlich für Antwort C).
„Ich glaube, es war 2009", meinte er nervös.
„DU UNWISSENDER BARBAR! ES WAR 2010! DAS WEIß JA WOHL JEDER! ALSO MERK'S DIR! 2010!", brüllte Brooke auf einmal hinter mir, sodass ich vor Schreck beinahe von der Couch flog. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie hinter das Sofa getreten war und mir über die Schulter schaute.
„Alter, Brooke, geht's noch?! Du kannst mir doch nicht einfach so ins Ohr brüllen! Ich hab fast 'nen Herzinfarkt bekommen!", zeterte ich empört.
„Der Typ hat 2009 gesagt! Und das ist falsch! So was kann ich nicht zulassen!", verkündete Brooke beleidigt.
„Toll. Das ist natürlich 'n Grund, den Fernseher anzubrüllen", meckerte ich.
Brooke sah mich an, verkniff sich aber jeglichen Kommentar. Stattdessen musterte sie mich in meinem Samstagmittag-Outfit.
„Willst du dich auch mal umziehen?", fragte sie mich.
„Wieso? Das, was ich anhabe, passt doch"
„Du trägst 'nen Jogginganzug. So kannst du den Jungs doch nicht unter die Augen treten. Was sollen die denn von uns denken?"
„Brooke, erstens ist es mir egal und zweitens treffen wir uns nicht mit der Queen! Und nicht mal da würde ich etwas Besonderes anziehen! Also, wenn du dann mal fertig bist, könnten wir auch endlich mal losfahren!"

Brooke konnte sich dann doch durchsetzen. Nachdem sie eine halbe Ewigkeit auf mich eingeredet hatte, rappelte ich mich irgendwann doch auf und zog 'ne Jeans und mein Superman T-Shirt an. Jetzt saß ich schlecht gelaunt neben meiner Freundin im Bus und starrte aus dem Fenster. Obwohl wir höchstens 20 Minuten lang fahren mussten, kam es mir vor wie 20 Jahre, da Brooke den Mund gar nicht mehr zu bekam und den gesamten Bus unterhielt. Sie hatte schon einer Oma und ihrem Enkel, einer telefonierenden Frau, einem Typen mit Rasterlocken, einem Musikhörendem Mädchen und dem Busfahrer erzählt, dass sie gleich ihre Lieblingsband treffen würde und wie aufgeregt sie doch sei. Ich schielte immer wieder zu dem Mädchen und wünschte mir, ich hätte ihre Kopfhörer. Brooke knabberte nervös an ihren Fingernägeln.
„Brooke, hör auf damit"
„Ich kann nicht!", jammerte Brooke.
„Aber abgenagte Fingernägel sehen scheiße aus"
Brooke sah ihre Nägel einen Moment an, dann setzte sie sich auf ihre Hände.
Ich schüttelte nur den Kopf und betrachtete die Leute draußen. Ich liebte es, Menschen beobachten. Normalerweise machte ich das immer mit Brooke, und zusammen „analysierten" wir immer ihr Verhalten. Oder anders ausgedrückt: Wir lästerten.
Aber meine Freundin war leider nicht zurechnungsfähig und deshalb musste ich es diesmal alleine machen. Ich sah einen Opa, der langsam über den Bürgersteig humpelte, einer Gruppe Teenager, die rauchend in einem Halbkreis standen und abwechselnd auf den Boden spuckten, einen streunenden Hund, der auf dem Boden schnüffelte und Kevin.
Warte.
WAS?!
Entsetzt sah ich nochmal hin. Keine Frage, das war Kevin.
Und zwar keine verdammte Taube, sondern der Typ, der mich vor ein paar Tagen mit nach Hause genommen hatte. Ich rutschte auf meinem Sitz nach unten und schielte vorsichtig nach draußen. Gott sei Dank hatte er mich nicht gesehen. Das wäre jetzt ziemlich ungünstig.
Brooke sah mich fragend an, wie ich halb auf dem Boden saß. Dann stand sie auf.
„Alex, wir müssen aussteigen"
Na klasse.
Warum denn ausgerechnet jetzt?
„Wollen wir nicht noch zur nächsten Station weiterfahren?", fragte ich vorsichtig.
„Wir sind sowieso schon spät dran. Jetzt komm endlich!"
Ich stand auf und lief gebückt hinter Brooke her durch den schmalen Gang. Als der Bus ruckartig hielt, flog ich fast gegen meine Freundin, konnte mich aber noch an einer Haltestange festhalten. Die Türen öffneten sich und ich sprang mit Brooke hinaus. Kevin stand etwas weiter entfernt an einer Hauswand gelehnt und tippte auf seinem Handy herum. Ich versuchte mich hinter Brooke zu verstecken, was eigentlich überflüssig war, da Brooke verdammt dünn war und man mich ohne Probleme sehen konnte.
„Alles in Ordnung?", fragte sie etwas irritiert.
„Nichts ist in Ordnung. Da hinten steht Kevin und ich würde einer Begegnung gerne aus dem Weg gehen", zischte ich.
„Oh", machte Brooke. Sie sah sich unauffällig um, dann beschleunigte sie ihre Schritte.
„Es ist ja nicht mehr weit", meinte sie und schlängelte sich durch die Menschenmenge. Ich schielte immer wieder zu Kevin, weshalb ich ab und zu fast mit Anderen zusammenstieß.
Endlich machte Brooke vor einem Hotel halt. Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete das Hotel genauer.
Mercure London Paddington Hotel
Es sah nicht besonders edel aus. Was machten weltberühmte Stars in so einem Normalo-Hotel?
Als ich aber mit Brooke in die kühle Eingangshalle trat, sah ich mich staunend um. Hier drinnen war alles unglaublich modern. Es war groß und hell und hinter der Rezeption standen zwei geschniegelte Angestellten, die leise miteinander redeten. Ein Mann in einem weißen Flauschbademantel schlurfte zu der Bar am anderen Ende der Eingangshalle, wo ein Barkeeper mit ein paar ziemlich teuer aussehenden Flaschen hantierte. Brooke sah sich unschlüssig um, als plötzlich eine Frau mit Klemmbrett hastig auf uns zu trippelte.
„Brooke Blackstone?"
Meine Freundin sah die Dame unsicher an.
„Ja?"
„Ah, sehr schön. Du bist schon da. Ich darf dich doch duzen, oder? Ich bin Mrs Hillson und werde dich heute mit den Jungs von One Direction bekannt machen. Du hast schon mit meiner Kollegin, Mrs Crow, gesprochen, oder? Sie hat dir ja schon alles erklärt"
Mrs Hillson unterbrach kurz ihren Redeschwall und sah mich an.
„Und wer bist du?"
„Ich bin Brookes beste Freundin, Alexandra Greyson. Freut mich sie kennenzulernen", stellte ich mich höflich vor.
„Aha. Also, das Meet&Greet geht in einer halben Stunde los und dauert eine Stunde. Ihr könnt den Jungs Fragen stellen, mit ihnen über verschiedene Dinge reden, Fotos machen und so weiter. Die ganze Zeit werden drei Bodyguards dabei sein, aus Sicherheitsgründen, aber von denen müsst ihr euch nicht beeindrucken lassen. Bitte keine Kreischattacken, keine Umarmungen, wenn die Jungs nicht wollen und kein hartnäckiges Nachfragen, wenn sie eine Frage nicht beantworten möchten. Alles klar? Gut, dann kommt mal mit"
Mrs Hillson klackerte mit ihren Stöckelschuhen voran und wir folgten ihr. Sie führte uns zu einem großen Aufzug, drückte auf einen Knopf und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Klemmbrett herum, während wir warteten. Als die Aufzugstür sich mit einem hellen „Pling" öffnete, kam ein großer, dunkelgekleideter Mann heraus.
„Ah, Paul. Wie weit sind die Jungs?", fragte Mrs Hillson.
„Zayn findet sein Haarspray nicht und weigert sich, ohne gestylten Haaren das Zimmer zu verlassen. Jetzt muss ich noch schnell eins auftreiben", brummte der Typ.
Irgendwoher kannte ich ihn, aber mir fiel nicht ein, woher.
Mrs Hillson nickte, dann schlüpfte sie in den Aufzug und wir folgten ihr.
Als wir oben ankamen, brachte uns Mrs Hillson zu einer Tür am Ende des Ganges. Sie kramte zwei Bänder hervor, an denen jeweils eine Karte mit dem fetten Schriftzug One Direction Meet&Greet hingen, und gab sie uns.
Dann öffnete sie die Tür uns schob uns in das Zimmer. In der Ecke stand eine riesige Couch und ein kleiner Tisch, auf dem Gläser, Wasserflaschen und ein paar Schalen mit Knabbereien standen. Neben der Tür waren zwei Bodyguards positioniert, die uns finster ansahen.
„Jungs, ich bringe euch die zwei Mädels, die gewonnen haben", erklärte Mrs Hillson.
„Setzt euch am besten dort auf die Couch und wartet, bis die Jungs kommen. Ich hol euch dann später wieder ab. Viel Spaß!"
Damit nickte sie uns nochmal fröhlich zu und verschwand.
Während Brooke die riesigen Bodyguards verängstigt ansah, marschierte ich zielsicher auf das Sofa zu und ließ mich mit einem Seufzer raufplumpsen.
„Alter, das ist erste Sahne, Brooke. Du kannst gerne öfter so was gewinnen", grinste ich und angelte mir ein paar Chips aus einer Schüssel.
Brooke kam zu mir.
„Hör auf, Alex! Du kannst dich hier doch nicht einfach so bedienen!", schimpfte sie leise.
„Wieso nicht? Für was steht es denn sonst da?"
Brooke war immer so verklemmt.
Sie setzte sich vorsichtig neben mich und sah sich nervös um, während ich die edelaussehenden Wasserflaschen studierte.
Irgendwann wurde es mir zu langweilig und ich stand auf, um ein bisschen im Raum herumzugehen. Ich sah aus dem Fenster und entdeckte in einem kleinen Park ein altes Häuschen, wo gerade ein paar Jungs dabei waren, ein riesiges Graffiti zu sprayen. Ich spürte, wie mich die Sehnsucht packte. Am liebsten würde ich mir jetzt mein Skateboard schnappen und mich zu den Jungs gesellen. Aber ich saß ja in diesem Raum fest.
Da hörte ich plötzlich, wie sich mehrere Schritte dem Zimmer näherten. Die Tür ging auf und Brooke gab einen Ton von sich, der mich an ein sterbendes Meerschweinchen erinnerte.
Ich starrte weiterhin aus dem Fenster und hörte, wie fünf Stimmen ein synchrones „Hey, wir sind One Direction" von sich gaben. Brooke schnappte nach Luft, als...
„ALEX?!"
Das waren nur vier Stimmen, die das sagten.
Verwirrt drehte ich mich um – und bekam einen solchen Schreck, dass ich umgekippt wäre, hätte ich mich nicht noch schnell am Fensterbrett festgehalten.
Nein.
Das konnte nicht sein.
Das durfte nicht sein.
Sag mir, dass ich träume.
Das... das geht doch gar nicht!
Ich stand vor einem strahlenden Niall, einem verwirrten Liam, einem erfreut grinsenden Harry und...
einem entsetzten Louis.
Als ich ihn sah, setzte mein Herz einen Moment aus.
„Louis", flüsterte ich.
„Alex", gab er ebenso leise zurück.
„Ihr kennt euch alle?", fragten eine eingeschüchterte Brooke und ein irritierter Schwarzhaariger gleichzeitig.
„Aber klar! Mann, Alex. Du hast Recht. Bei nur 8 000 000 Einwohnern trifft man sich ja echt schnell wieder"
Harry kam zu mir und umarmte mich.
Ich war wie versteinert und schaute Brooke an.
Sie schüttelte nur langsam den Kopf.
Louis konnte den Blick nicht von mir lösen und starrte mich mit halboffenem Mund an.
Niall kam ebenfalls zu mir.
„Du hast mir ja vorgestern 'nen Muffin gesichert. Den kriegst du auf jeden Fall zurück. Louis war richtig sauer, weil er nur einen bekommen hatte"
Louis wurde rot.
Harry löste sich endlich wieder von mir und strahlte mich an.
Ich versuchte zu lächeln, scheiterte aber kläglich.
Ich konnte es immer noch nicht fassen.
Jetzt verstand ich, warum Harry so gegrinst hatte, als ich ihn fragte, was er mit seinem Gesang so verdiente. Jetzt verstand ich, warum Liam im Starbucks gesagt hatte, dass sie keine Aufmerksamkeit erregen durfte. Jetzt verstand ich, warum Louis in einer riesigen Villa wohnte. Und wer seine Freunde waren.
Nein. So viele Zufälle konnte es gar nicht geben.
Brooke sah mich an. In ihrem Blick konnte ich Schmerz sehen.
Sie fühlte sich verraten.
„Brooke, ich wusste nicht...", fing ich an.
„Warte mal! Ich kenn dich auch! Du bist beim Bäcker in mich reingerannt!", rief der Schwarzhaarige auf einmal.
„Oh, du warst das", murmelte ich.
Jetzt verstand ich auch, warum er mit der Kapuze und der Sonnenbrille rumgelaufen war.
Auf einmal gab Alles einen Sinn.
„Ähm, das ist meine beste Freundin Brooke. Sie hat das Meet&Greet gewonnen und mich mitgenommen"
Endlich drehten sich die Jungs zu meiner Freundin. Auch Louis wachte aus seiner Starre auf und musterte Brooke.
Harry setzte sich neben sie und lächelte sie an.
„Hey. Ich bin Harry, aber das weißt du garantiert schon. Und du bist also Brooke? Wie geht's dir?"

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