Kapitel 7

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Callum

Auf dem Weg zu Tarrens Hütte sprachen Callum und Tarren nicht viel. Sie starrten beide auf den Weg vor sich, während Tarren regelmäßig einen kleinen Kieselstein vor sich hintrat. Der Abschied hing unausgesprochen zwischen ihnen in der Luft.

An seiner Hütte angekommen blieb Tarren stehen. Callum stellte sich etwas unsicher vor ihn hin. »Na dann.«

»Na dann.«

»Pass auf dich auf Tarren, versprich mir das!«, sagte Callum und schloss ihn fest in seine Arme, alle Unsicherheiten vergessen. Tarren wirkte von Callums plötzlichen Umarmung zwar kurz überrumpelt, erwiderte sie dann aber sofort.

Eigentlich umarmten sie sich nie. Das letzte Mal musste gewesen sein, als Tarren seine Mutter verloren hatte und er kurz davor stand sich das Leben zu nehmen. Da hatte Callum Tarren so fest umarmt, wie jetzt. Ihm so Trost gespendet und Halt gegeben.

»Ich bring dich um, wenn du es wagst zu sterben. Das schwöre ich dir!«, sagte Tarren mit belegter Stimme. Callum flehte, dass er nicht anfangen würde zu weinen. Das würde er nicht verkraften.

Sie lösten sich voneinander und schauten sich in die Augen.

»Versprich mir, dass du wiederkommst, Callum.«

»Ich verspreche es bei meinem Leben, Tarren.«

Tarren schaute Callum einen kurzen Moment an und schob dann langsam seine Hand in seine Hosentasche. Er zog ein kleines Etwas hervor.

Callums Blick fiel auf die Kette, die Tarren jetzt vor sich hochhielt.

Das Band war schlicht gehalten, einfaches Leder. Der Anhänger aber war eine mit Draht umschlungene Pfeilspitze. Es war die Pfeilspitze, die Callum vor fünf Tagen im Wald abgebrochen war. Tarren musste sie aus seiner Hütte geholt haben.

Fünf Tage waren es erst? Es kam Callum vor wie eine kleine Ewigkeit.

Seine gesamte Brust zog sich zusammen und er hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. In diesem Moment wünschte er sich, Tarren würde doch mitkommen. Wünschte sich, er wäre nicht ganz alleine.

»Das ist für dich. Damit du dich immer daran erinnerst, dass etwas Zerstörtes, völlig Nutzloses, manchmal den Anfang einer ganz neuen Welt bedeuten kann. Ein alter Anfang aber ein neues Ende. Denk daran. Und das ist, damit ... damit du mich nicht vergisst. Nie«, sagte er und drückte Callum die Kette in die Hand.

Ihm schossen Tränen in die Augen. »Ich könnte dich niemals vergessen. Niemals. Die Hälfte meines Herzens schlägt nur für dich, Tarren Tavis. Du wirst immer ein Teil von mir sein. Egal wo ich bin«, sagte Callum und seine Stimme brach.

Auch Tarrens Augen fingen an zu glänzen, als er Callum erneut in eine feste Umarmung zog. Sein Herz zerbrach in tausend Teile, als Tarren seine Hand in seinem Haar vergrub. Er versuchte Tarren noch sein letztes kleines bisschen Geborgenheit zu schenken, dass in ihm übrig war.

Er hatte es so bitter, bitter nötig. Sie alle beide hatten das.

Sie trennten sich voneinander und Tarren schloss Callums Gesicht in seine Hände. Sie waren unglaublich weich - nicht so rau und gerissen wie Callums. Tarren stand ganz nah vor ihm und schaute ihm in die Augen.

»Versprich mir, dass wir uns wiedersehen«, flüsterte er.

»Ich verspreche es«, flüsterte Callum zurück.

»Meine Tür wird dir immer offen stehen, Callum Cadena. Jederzeit.«

»Und meine Tür wird dir immer offen stehen, Tarren Tavis. Auf Ewig.«

Dann gab Tarren Callum einen Kuss auf die Stirn.

Im ersten Moment war Callum etwas überrascht, als dass er irgendeine Reaktion hätte zeigen können. Im nächsten aber wurde ihm klar, was dieser Kuss bedeutete.

Wenn er jemals einen Menschen geliebt hatte, der kein Teil seiner Familie gewesen war, dann war dieser Mensch Tarren. Und mit der Zeit war er das letzte bisschen Rest an Familie, dass ihm geblieben war.

Keiner von ihnen beiden sagte ein Wort, als sie sich aus ihrer letzten Umarmung lösten. Verständnis lag in Tarrens Blick. Gemischt mit tiefer Trauer. Callum lächelte noch ein Mal und drehte sich um. Beschwor seinen Beinen einen Schritt nach dem anderen zu machen.

Das hier war so schwer, so unglaublich schwer. Aber Callum ging immer weiter und weiter. Schritt für Schritt. Tränen rannen ihm übers Gesicht. Je mehr Abstand er zwischen sich und Tarren brachte, umso unkontrollierter flossen sie. Es fühlte sich so an, als hätte er sich sein eigenes Herz herausgerissen und es dort hinten bei Tarren liegen lassen.

Als er am Waldrand angekommen war, wusste er, dass Tarren ihn bald schon nicht mehr würde sehen können. Alles in ihm schrie danach, sich noch ein letztes Mal nach Tarren umzudrehen. Ein letztes Mal dieses verschmitzte Lächeln anzuschauen, dass ihm so oft ein eigenes auf die Lippen gezaubert hatte. Ein letztes Mal die verwuschelten roten Haare zu sehen und die braunen Augen. Die Augen in denen er seinen besten Freund erkennen würde.

Callum würde wiederkommen. Hierhin, zurück nach Tarren. Das schwor er sich.

Aber jetzt wollte er stark sein und zwang sich dazu sich nicht umzudrehen. Er war sich nicht sicher, ob er dann nicht wieder umkehren und diese Reise vergessen würde.

Hätte Callum Cadena gewusst, dass er Tarren Tavis nie wieder sehen würde ...

Er hätte es getan. 

Wooden Shadows - Callum Cadena Chronicles #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt