Kapitel 8

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Callum

In den ersten zwei Wochen drehte Callum fünf ganze Mal um.

Er hatte vollkommen unterschätzt, wie einsam er sein würde. Wie drückend Zeit sein konnte, wenn man sich um nichts weiteres Sorgen machen musste, als in der Nacht von Wölfen gefressen zu werden. Oder was immer in den Tiefen dieses Waldes lauerte.

Mit jedem weiteren Tag wurde sein Mut kleiner und das Heimweh größer. Callum konnte nicht mal genau beschreiben was er vermisste – bis auf Tarren war da schließlich nichts mehr – aber dennoch wollte sein Herz zurück.

Vielleicht war es aber auch kein Heimweh, was er verspürte, sondern die Angst. Angst vor dem Ungewissen. Angst vor dem, was kommen würde.

Mittlerweile hatte er sich zwar damit abgefunden, doch ein komisches Gefühl blieb. Zumal er sowieso nicht mehr umkehren konnte. Er war schon zu weit im Wald und hatte bereits zu viel Strecke zurückgelegt.

Außerdem konnte er es sich nicht leisten, sich nochmal zu verlaufen, so wie es ihm nach seiner dritten Umkehraktion passiert war. Ohne Kompass wäre es ihm nicht einmal aufgefallen. Er hatte Glück gehabt. Hier sah aber auch einfach alles so verdammt gleich aus.

Er hätte schwören können, dass er an den großen Tannen neben sich bereits entlanggelaufen war, aber die Karte und der Kompass zeigten ihm eindeutig an, dass er dem richtigen Weg folgte. Immer weiter Richtung Norden – immer weiter ins Ungewisse.

Sein Proviant sah inzwischen deutlich eingeschrumpfter aus. Probleme Wasser zu finden hatte er keine, deshalb trank er immer einen halben Schlauch leer, bevor er eine Mahlzeit zu sich nahm. So konnte er das Essen relativ gut strecken und möglichst wenig verbrauchen, ohne dass er ein zu großes Hungergefühl verspürte. Das Gemüse war aber trotzdem fast komplett aufgegessen. Es wäre aber wahrscheinlich eh bereits schlecht geworden, deshalb war das vollkommen in Ordnung.

Langsam ging vor Callum die Sonne unter. Er konnte die violette Färbung des Himmels fast nicht durch die riesigen Baumkronen erkennen, so eng standen die Bäume beieinander. Sobald die Sonne sich gen Süden richtete und der Tag der Nacht die Hand reichte, veränderte sich die Atmosphäre im Wald.

Das Geraschel und Gesumme, welches Callum tagsüber während seiner endlosen Wanderung begleitete, verstummte und die Tiergeräusche, die ihn Nachts in den Schlaf wiegten, erwachten. Jede Nacht hört er die Wölfe heulen und das leise Gurren von Eulen ertönen, die sich ihre Beute suchten. Alleine durch die Veränderung der Klänge des Waldes, wirkte er bedrohlicher. Hinzu kam, dass es unter dem dicken Dach aus Blättern und Ästen dunkel wurde. Extrem dunkel.

Aus diesem Grund hielt er schon seit ein paar Minuten Ausschau nach einem passenden Baum, auf dem er sein Nachtlager aufschlagen konnte. Zwar war bisher weder ein wirklich gefährliches Tier aufgetaucht, noch hatte er Menschen gesehen – seit seinem Abschied von Tarren hatte er überhaupt kein größeres Lebewesen mehr gesehen - aber er wollte es aber auch nicht unbedingt darauf ankommen lassen. Dann verbrachte er den Tag doch lieber mit den Dämonen seiner Angst.

Vor ihm erhob sich ein riesiger Baum in den Himmel. Die Äste waren beinahe so dick wie die Stämme der anderen Bäume ringsherum und hinaufzuklettern sollte nicht allzu schwer sein. Er hatte den perfekten Schlafplatz gefunden und machte sich daran ihn zu erklimmen, darauf bedacht, keine seiner wertvollen Schätze aus den Hosentaschen zu verlieren.

Oben angekommen zog er die Decke aus seiner Reisetasche und verband seinen Rumpf mit dem dicken Ast des Baumes, damit er nicht herunterfiel. Im Notfall konnte er die Decke schnell lösen und sie zurücklassen, ihr Verlust würde ihm nicht allzu schwer fallen. Sie war eines der wenigen Dinge auf die er verzichten konnte.

Wooden Shadows - Callum Cadena Chronicles #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt