Kapitel 10

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Callum

Im Rückblick betrachtet keine Callums bester Ideen.

Er klatsche auf dem Boden auf, wie eine Ente die man vom Himmel geschossen hatte. Seine gesamte Luft wich ihm mit einem Stöhnen aus den Lungen und er hatte das Gefühl, seine Gliedmaßen wurden ihm vom Körper gerissen. Ihm wurde Schwarz vor Augen.

Benebelt riss er sie immer und immer wieder auf, darum bemüht seine klare Sicht wiederzuerlangen. Er konnte aber nichts als verschwommene Umrisse erkennen.

Bevor er überhaupt sehen konnte, wo er gelandet war, packten zwei fleischige Hände nach ihm und drehten ihn auf den Rücken. Callum blickte in zwei identisch runde Gesichter, auf denen sich ein breites, fast zahnloses Lächeln abzeichnete.

»Wenn du ihn loslässt reiß ich dir den Arsch auf Knox, das Schwöre ich beim Grab meiner Mutter«, schrie die Stimme von Korryn herunter.

Der war sauer. Verdammt sauer.

Callum versuchte mit aller Kraft, seine Armen von Knoxs Pranken zu befreien, musste aber gleichzeitig immer noch nach Luft schnappen, die sich einfach nicht in seine brennenden Lungen füllen wollte. Sein Blick klärte sich allmählich wieder, aber die Schmerzen in seinem Körper blieben. Was hatte er sich bitte dabei gedacht?

Knox, dessen Gesicht mittlerweile wieder zu einem geworden war, zog Callum über den Boden. Ihm wurde klar, wie froh er sein konnte, dass die dicke Laubschicht und der Busch in dem er gelandet war, seinen Sturz abgefangen hatte.

Nichtsdestotrotz. Das brachte ihm nichts, wenn sie ihn jetzt in die Finger bekamen. Er musste hier weg. Und zwar schnell. Bevor die anderen beiden vom Baum heruntergekommen waren.
Callum blickte sich zu beiden Seiten um und suchte nach irgendetwas, dass ihm als Waffe dienen konnte.

Da fiel ihm sein Rasiermesser ein. Na klar. Wieso hatte er da nicht eher dran gedacht? Sein Blick richtete sich auf seine Brustschlaufe in der eigentlich das Messer hätte stecken sollen.

Aber Fehlanzeige.
Callum blickte zu der Seite auf der er gelandet war, während Knox endlich aufhörte ihn über den Waldoden zu schleifen. Callum suchte verzweifelt das Laub nach etwas glänzendem ab. In dem Moment, in dem er das Messer erblickte und seine Hand danach ausstreckte, wich ihm erneut alle Luft aus den Lungen.

Der Schwabbel Knox hatte sich doch tatsächlich auf ihm draufgesetzt. Blut schoss Callum in den Kopf und seine Augen fühlten sich an, als würde sie herausgedrückt werden. Sein Verstand vernebelte sich erneut.

»Hab ihn man. Fest man«, rief Knox freudenstrahlend zum Baum und klatschte in die Hände.

Mit aller Kraft befreite Callum seinen Arm unter dem Gewicht von Knox und tastete nach dem Messer. Er bekam keine Luft - versuchte noch gieriger als zuvor jedes bisschen Sauerstoff in sich aufzusaugen. Aber mit dem Gewicht auf seinem Oberkörper hatte er nicht mal den Hauch einer Chance.

»Nicht bewegen Knox. Ich bin sofort am Boden. Lass ihn nicht los. Dem Bastard zeig ich noch was es heißt, sich mit uns anzulegen«, beschwor Kova. Er musste nicht einmal mehr schreien, so nah am Waldboden war er schon wieder. Und Korryn war ganz dicht hinter ihm.

Callum blieben nur noch Sekunden - wenn überhaupt.

Hastig tastete er weiter nach dem Messer, dem einzigen Ausweg der ihm noch geblieben war. Als sich seine Finger endlich um das kühle Metall schlossen, hörte er Kovas massigen Körper auf dem blätterbedeckten Boden aufkommen.

Callum zog das Messer zu sich heran. Und obwohl sich sein Verstand dagegen wehrte einem anderen Menschen einfach so ein Messer in den Leib zu stoßen, so etwas hatte er noch nie getan, arbeiteten sein Überlebensinstinkt und sein Körper schneller. Es ging um Leben und Tod.

Also zögerte Callum keine Sekunde.

Mit voller Wucht stieß er die Spitze des Messers in die Seite von Knox. Er schrie auf wie ein kleines Mädchen und rollte sich von Callums Körper herunter. Callum sog gierig Luft in seine Lungen, während er sich gleichzeitig aufrappelte und nach seinem Reisesack griff. Weg. Weg, weg, weg, weg, weg.

Aus dem Augenwinkel erkannte Callum noch, wie Kova auf ihn zugelaufen kam, bevor er sich in die andere Richtung drehte und losrannte. Jeder Atemzug schmerze dabei so sehr, als wäre seine Lunge mit kleinen Glassplitter gefüllt. Jeder Schritt fühlte sich so an, als würde ein Messer in seinem Fuß stecken.

Hinter ihm gab ein dumpfes Geräusch die Bestätigung, dass auch Korryn auf dem Boden aufgekommen war und ein gedehntes Aufheulen begleitete den sich aufrichtenden Knox.

Sie alle Drei setzten zur Verfolgung an.

Callum lief weiter und weiter, spürte jedoch wie sich sein Laufen in ein schnelles Humpeln verwandelte. Er konnte seinen Fuß nicht belasten. Angsterfüllt spähte er hinter sich und wünschte sich direkt, es nicht getan zu haben.

Knox war der langsamste, wäre es höchstwahrscheinlich auch ohne Stichverletzung gewesen. Weit vor ihm lief Kova, mit einem belustigten Grinsen im Gesicht. Er hatte tatsächlich Spaß hierbei. Mit einigem Abstand davor rannte Korryn wie von einer Hornisse gestochen auf Callum zu. Er war schnell. Verdammt schnell. Und aus seinen Augen sprach reine Mordlust.

Er würde es nicht schaffen.

Trotzdem schaute er wieder nach vorne, versuchte verzweifelt einen Ausweg zu finden. Schweiß rann ihm an den Schläfen hinab.

Hier war kein Ausweg. Diesmal wirklich nicht.

Aber er würde nicht aufgeben, niemals. Auch wenn er vor Schmerzen hätte heulen können, humpelte Callum weiter. Vielleicht würde er es schaffen, irgendwie. Und nicht in diesem verlassen Wald sterben, so wie Tarren es ihm prophezeit hatte.

Im nächsten Moment riss Korryn ihn von den Beinen. Callums Welt drehte sich und bevor er begreifen konnte was passiert war, tauchte sich alles um ihn herum in schwarzes Nichts, als sein Kopf auf dem harten Waldboden aufknallte.

Wooden Shadows - Callum Cadena Chronicles #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt