Teil 13

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Doch um eine Assassine zu töten benötigte es mehr als nur Können im Zweikampf und Kampfeswillen.

Felicia hatte genau auf diesen Ansturm gewartet. Du bist mir in die Falle gegangen... Sie ging in die Knie, schnappte sich eine Hand voll Sand und warf diese mit voller Wucht in das Gesicht ihrer Gegnerin.

Cereen schrie auf, ihr war zwar nur für einige Momente die Sicht genommen worden, doch, dass dies ihre Niederlage bedeuten konnte, wurde ihr erst klar, als Felicia einen harten Faustschlag gegen ihre Brust führte. Ein blitzartiger Schmerz fuhr ihr durch den gesamten Körper. Sämtliche Muskeln zuckten unkontrolliert zusammen. Cereen fühlte wie ihr das Schwert aus den Fingern entglitt. Ihr Rücken schlug im Sand der Arena auf und ihr Kopf wurde hart nach hinten gerissen.

Nachdem sie durch wiederholtes Blinzeln wieder erste Details ihrer Umgebung erkennen konnte, sah sie das Gesicht von Felicia über sich. Sie kniete über ihr, die Krallen zum letzten Todesstoß bereit. Ihre Miene war hart. Cereen hatte erwartet, auch diesmal wieder das lausbübische Grinsen im schönen Gesicht der Assassine erblicken zu können. Doch dem war nicht so.

"Es ist vorbei." Felicia hatte offenbar mit sich selbst zu kämpfen. Die Hand, die Cereen am Kragen ihres Kleides zu Boden drückte, zitterte ununterbrochen. "Es tut mir Leid", sprach sie und ließ dann von der Prinzessin ab.

Cereen, noch immer am Boden liegend, schaute entsetzt zum Balkon des König. Die Sanduhr war abgelaufen. Ihr Vater würde sterben.

König Andalon grinste. Sein Blick schweifte über die Ränge der Arena. Jeder einzelne im Publikum, vom alten Greis bis hin zum unwissenden Kind, hatte wie auf einen unsichtbaren Befehl hin seinen Arm gehoben, und den Daumen des Fingers entweder nach oben oder nach unten zeigen lassen.

"Die Entscheidung ist gefällt", tönte der Mann auf dem Thron, "das Geschlecht der Avari wird am heutigen Tage aussterben!" Mit diesen Worten hob auch der König seine Hand. Ohne zögern drehte er den Daumen nach Unten. Seine Entscheidung hatte er schon vor der Abstimmung des Volkes getroffen, denn die Abstimmung des Publikums war keineswegs einseitig ausgefallen. Die Anzahl der Befürworter und der Gegner hatte sich in Wage gehalten.

Auf das Handzeichen des Königs hin machten sich vier Soldaten an den Ecken des Käfigs zu schaffen. Mit dem Griff ihres Schwertes hämmerten sie gegen Bolzen, die die nadelbesetzte Decke in Position hielten.

"Nein!" Der verzweifelte Schrei Cereens hallte durch die Arena. Rinnsäle aus Tränen rannen ihr über die Wangen, während sie noch einzugreifen versuchte. Doch Felicia hielt sie zurück. Die Bogenschützen hatten ihre Waffen angelegt und zielten auf die beiden Mädchen. Die geringste Gegenwehr hätte ihren sofortigen Tod bedeutet.

"Cereen...", die dünne, gebrochene Stimme des Mannes im Käfig war unter den Schlägen gegen die Bolzen kaum zu vernehmen, "besinne dich... es gibt nun wichtigeres...".

Die Worte ihres Vaters schafften es tatsächlich das Cereen sich beruhigte. Sie lag in den Armen von Felicia und lauschte auf jedes seiner Worte.

"Das Buch..."

Ein Knarren trat von der Decke des Käfigs an die Ohren der Beobachter. Einer der Soldaten hatte den Bolzen gelöst. Und sogleich fiel auf der Zweite in den Sand der Arena.

"Das Infome-Akam... finde es, bevor sie es tun...", die Stimme des Königs brach, sein Kopf sackte ein. Wahrscheinlich war er bereits nicht mehr bei Bewusstsein.

Dieses verdammte Buch! Cereen fluchte innerlich. Der ehemalige Staatsschatz ihres Reiches. Warum hielt ihr Vater noch immer daran fest? Cereen senkte ihren Blick, sie konnte nicht mit ansehen, was als nächstes geschah.

Unter den gebannten Blicken des Publikums, einige hatten sich weit über die Ballestrade der Ränge gelehnt um vielleicht sogar einen Tropfen Königsblut abzubekommen, lösten sich auch die beiden letzten Bolzen. Augenblicklich geriet die Decke der Zelle in Bewegung, über Schienen fuhr sie, unter ihrem gewaltigen Eigengewicht, blitzschnell nach unten. Der Gefangene hatte keine Chance. Das Zersplittern der Knochen war weithin vernehmbar. Schwelle aus Blut stürzten in Wasserfällen vom Boden der Zelle in der Sand der Arena.

Der König war tot. Der Mann, der sein Volk über Jahrhunderte hinweg, durch goldene und durch dunkle Zeiten geführt hatte, war nicht mehr. Auch sein Volk war nicht mehr, und so gab es für ihn keine Daseinsberechtigung mehr. Wenn auch er bereit gewesen wäre, mehr als nur sein Leben für den Erhalt seiner Avari zu geben. Auch der letzte Funken Hoffnung für dieses einst so stolze Volk war nun vergangen. Unter dem brandenden Jubel des Publikums, dessen unersättlicher Blutdurst nun vorerst gestillt war, zersprang die legendäre Silberkrone in tausend Stücke.

Cereen hatte ihren Vater verloren. Sie sackte in sich zusammen und heulte hysterisch. "Warum Felicia?", ihre Fäuste schlugen gegen den Bauch der Assassine, während diese die Prinzessin zu stützen versuchte, "Warum konnte ich ihn nicht retten?"

Felicia sah ein, dass sie Cereen nicht würde beruhigen können. Also ließ sie von ihr ab und stellte sich mit dem Rücken zu ihr, schützend vor die Avari. Es gibt immer einen Ausweg, mag die Situation auch noch so unüberwindbar erscheinen. Felicia erinnerte sich an die Worte ihrer ehemaligen Meisterin. Die sie alles gelehrt hatte, dass man benötigte um eine vorbildliche Assassine zu sein.

Doch bevor sie etwas unternehmen konnte, musste sie erst die lächerlichen Löwenpratzen loswerden. Die Krallen der eigentümlichen Handschuhe waren sowieso stumpf. Und so schnappte sie die Schlaufe um ihre Handgelenke mit ihren Zähnen und löste sie mit einen Ruck. Danach zog sie die Krallen aus, als wären sie gewöhnliche Seidenhandschuhe. Wenn sich doch nur eine Gelegenheit finden würde... Ich könnte der Schlange der Kopf abschlagen, und im anschließenden Trubel mit Cereen aus der Arena verschwinden. Felicia bückte sich nach dem Schwert ihrer Freundin. Sie wog die Klinge in ihrer Rechten und richtete die Spitze in Richtung des Königs.

Dolch & Rose - Die letzte AssassineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt