Teil 15

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Felicias Blick suchte den König, dieser prügelte indes auf die Rücken seiner Gefolgsleute ein. Ihm war nicht entgangen, dass die Assassine, die das Leben seines Vaters beendet hatte und die er eben noch hinrichten lassen wollte, mit einem Schwert bewaffnet in seinem Rücken stand. Dies verzerrte sein Gesicht vor nackter Angst. Er war schweißgebadet, seine Kleider waren verrückt und seine Krone lag am Boden vor dem Thron.

"Kurz vor dem Tod seit ihr alle gleich", mit langsamen Schritten ging Felicia auf den König zu, "mögt ihr auch noch so ein stolzer, erbarmungsloser Herrscher sein, ihr scheißt euch doch alle ein."

Der König schrie wie ein Kind, zunächst um Hilfe, dann, als die Assassine nur noch einen Schritt entfernt war, bettelte er und versprach ihr alles Gold der Welt. Doch nichts brachte Felicia davon ab ihre Schwertspitze in das Herz des Feiglings zu bohren. Der Mann spuckte Blut und brach zitternd zusammen.

"Ein jeder erhält irgendwann seine gerechte Strafe." Felicia wischte das Blut mit den weißen Gewändern des Königs von ihrer Klinge. Dann wendete sie sich wieder dem Spiel in der Arena zu.

Die anderen Menschen ließen sie völlig außer Acht, langsam leerte sich die Arena. Um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen begab sich Felicia zur Ballestrade des Balkons. Es überraschte sie zu sehen, dass auch auf dem Kampfplatz so etwas wie Ruhe einzukehren schien. Kein Bogenschütze war mehr am Leben. Ihre Leichen übersäten den Boden rund um die fahrende Zelle, in der der Leichnam des Königs der Avari steckte. Der Greif ging langsam auf die Mitte der Arena zu, dorthin wo Cereen noch immer erstarrt dastand. Das stolze Tier hatte nicht einen Kratzer abbekommen. Nur einige der silbernen Federn seiner Schwingen, die teils so lang wie ein menschlicher Unterarm waren, lagen über den Leichen der Soldaten verstreut.

Felicia schwang sich über den Balkon und landete auf allen Vieren im Sand der Arena. Sie ließ den Greifen nicht aus dem Blick, während dieser auf die Prinzessin zuschritt. Zu ihrer Überraschung machte Cereen keine Anstalten dem Tier aus dem Weg zu gehen, selbst Felicias Mut schwankte nachdem sie die Zerstörungswut der Bestie gesehen hatte.

"Es ist gut...", Cereen sprach auf das Tier ein und hob ihre Hand zum Gruß.

Der Greif schnaubte, er zog ihren Duft durch seine Nasenlöcher ein. Seine Klauen scharten im Sand. Er schien verunsichert. Doch als Cereen mit ihrer Handfläche die Stirn des Tiers berührte, senkte dieses den Kopf und beruhigte sich.

Doch der Frieden währte nicht lange. Nicht alle Soldaten hatten das Weite gesucht. Das Poltern von beschlagenen Stiefeln die sich im Gleichschritt über einen der Tunnel näherten, kündigte das Kommen einer neuen Schar von Gegnern an.

Felicia fasste ihren Mut zusammen und ging auf Cereen, und damit auch auf den Greifen zu. "Wir müssen sofort verschwinden!", rief sie den beiden zu.

Auch der Greif schien die nahende Gefahr erkannt zu haben. Wie auf Kommando sank er auf seine Knie. Cereen packte die Federn in seinem Nacken und Sprang mit einem einzigen Schwung auf den Rücken des Greifs. Ein Satz nach vorne und wenige Flügelschläge genügten, schon erhob sich das stolze Tier in die Lüfte.

Felicia stand am Boden und staunte nicht schlecht. "Ist das dein Ernst?", rief sie den beiden Flüchtenden nach, "nach alledem lasst ihr mich einfach zurück?" Sie konnte es nicht glauben, sich so sehr in dem Mädchen getäuscht zu haben.

Doch Zeit sich über den Verrat zu ärgern wurde Felicia keine geschenkt. Unter den Befehlen des selben Hauptmanns der sie in die Arena geführt hatte, reihten sich die Soldaten der Leibwache des Königs bereits auf dem Kampfplatz auf. "Schließt die Reihen!", befahl er, während die Soldaten im Kreis am Fuße der Mauer zu der Tribüne Stellung bezogen. Sie hatten die Assassine binnen Sekunden eingekesselt. Es gab kein Entkommen mehr.

Felicia wurde sich ihrer misslichen Lage schnell bewusst. Am liebsten hätte sie das Schwert von sich geworfen. Es schien als sei die gesamte, tausend Mann starke Leibwache des Königs versammelt, um Vergeltung für den Mord an ihrem Herren einzufordern. Und diese würden sie auch bekommen, so schien es zumindest.

Ein plötzlicher, kalter Luftschlag ließ Felicia zum Himmel aufblicken. Silberschwinge rauschte in einem neuerlichen Sturzflug auf die versammelten Soldaten herab. Die Assassine musste in die Knie gehen um dem Sturm widerstehen zu können, und nicht selbst hinfort geblasen zu werden. In einem weiten Bogen flog der Greif über die Köpfe der Leibwächter hinfort. Der Wind den er dabei entfachte riss viele Männer zu Boden. Der Angriff kam völlig überraschend, sie glaubten bereits das Tier in die Flucht geschlagen zu haben. Jenen Soldaten die nicht zu Boden gingen, raubte der Schleier aus aufgeworfenem Sand jegliche Sicht. Doch dieser würde sich schon bald legen, und dann würden die Leibwächter des Königs keinen Moment zögern, ihre Waffen gegen den Greifen einzusetzen.

"Gib mir deinen Arm!", rief Cereen der Assassine zu. Der Greif steuerte genau auf sie zu. Cereen hatte sich weit über die Flanke des Tiers gelegt und streckte ihren Arm nach unten. Sie wollte keine Zeit verschwenden, die Möglichkeit zu landen bestand nicht mehr.

Felicia hatte gar keine Zeit sich Gedanken über diese waghalsige Aktion zu machen. Ein Zucken ging von ihrem Scheitel aus durch den gesamten Körper bis hin in die Zehenspitzen. Ihre Füße stießen sich mit ganzer Kraft vom Boden ab, das Schwert ließ sie fallen um Cereens Arm mit der Rechten packen zu können.

Der Greif schrie kurz auf, als Cereens linke Hand an den Federn in seinem Nacken zerrten, und er plötzlich das Gewicht von zwei Mädchen tragen musste.

Felicia war überrascht, dass die Prinzessin sie überhaupt tragen konnte. Während der Greif an Höhe gewann, zogen unter ihren Füßen die Ränge und die Sonnensegel der Arena hinfort. Im Gesicht ihrer Gefährtin erkannte sie jedoch, dass diese sie nicht viel länger tragen konnte, und so hangelte sich die Assassine am Leib des Greifen nach oben und nahm im Rücken Cereens ihren Platz ein. Sie fühlte sich seltsamerweise wie auf den Rücken eines Pferdes, wobei die Aussicht hoch oben in den Lüften weit besser war als am Boden. Sie bestaunte die vorbeiziehenden Häuserviertel während der Greif, nach Norden steuernd, möglichst schnell in die Wildnis zu verschwinden versuchte.

Nördlich der Hauptstadt von Belian lagen lediglich Wälder und Felder. Am Horizont, hoch im Norden, waren sogar die Schemen der Berge des Grauen Gebirges zu erahnen. Dort oben lag die Heimat Cereens und das Zuhause des Greifen. Es war nur verständlich, dass sie nach diesem Kampf und der überhasteten Flucht dorthin zu fliehen versuchten. Doch der Assassine kamen schnell Zweifel daran, ob dies wirklich die beste Idee war. Schließlich war das Reich der Avari eben erst gefallen. Der Großteil der Armeen der Menschenreiche, auch jene aus Belian, befanden sich noch auf dem Rückzug. Somit befanden sich zwischen Cereen und ihrem Ziel in eben diesem Moment hundertausende Männer, deren Durst nach Avari-Blut erst gestillt sein würde, nachdem auch die letzte der stolzen Rasse ihren zu Boden ging.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 11, 2019 ⏰

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Dolch & Rose - Die letzte AssassineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt