2. Kapitel

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Noch lange saßen die beiden da. Bis die Sonne der Dunkelheit Platz machte und die Sterne anfingen zu leuchten. Schon immer waren sie gewohnt nur die Nacht zu sehen. Aber morgen, da würden sie am Tag leben.
"Morgen kann ich endlich die Sonne sehen", unterbrach Moses das Schweigen und schaute in Irene's nachdenkliches Gesicht. "Der Tod ist die Erlösung, Moses. Hier sind wir frei. Hier habe ich das erste Mal die Sonne erlebt", meinte sie und fuhr sich durchs Haar. Moses ließ den Blick vom Sternenhimmel ab.
"Das ist keine Erlösung", entgegnete er. "Im Tod sind wir alleine und wir müssen zusehen, wie die Anderen ihr Leben riskieren, ohne selbst helfen zu können." Irene sah ihn verwirrt an. "Das wolltest du doch", erwiderte sie. Doch er schüttelte den Kopf. "Jetzt nicht mehr."
Beide schwiegen, während der Wind ihnen durch das Gesicht fegt.
"Wo ist Ghee? Wo sind die Anderen?", wollte Moses schließlich wissen. Das Mädchen stand auf, schaute über die Schulter, drehte sich wieder um und sprang los, Dach über Dach. Hinter ihr hetzte der Anführer der Schiff hinterher, der schon bald neben ihr lief. Sein Magen zog sich vor Aufregung zusammen. Endlich konnte er seine verstorbenen Freunde sehen. Kurz kam ihm der Gedanke, dass der Tod doch nicht so schlecht sei. Trotzdem verwarf er den Gedanken schnell.
"Irene!" Eine männliche Stimme hieß das Mädchen willkommen. Eine entsetzte Pause trat ein, als sie ihren Begleiter wahrnahmen. Mit einem Mal traten die Schiff hervor. Dahz, Gudriff, Dismas, Gestas und Jan.
"Wo ist...?", weiter kam Moses nicht, denn Ghee fiel ihm schon aus dem Nichts um den Hals. Erleichtert legte auch er seine Arme um ihn. Als Ghee sich von ihm löste, erkannte er aus dem Augenwinkel Karman. Auf seinen Lippen entstand ein Lächeln. Auch Karman konnte seine Freude auf seinem sonst genervten Gesichtsausdruck, nicht verbergen. Wahrscheinlich erwarteten alle, dass sie sich um den Hals fielen, doch das taten sie nicht.
"Warum seid ihr hier?", fragte Dahz als erster, der vor Neugier fast platzte. Die Anderen nickten zustimmend. Verwirrt kniff Moses die Augen zusammen. "Ich dachte, ihr habt es gesehen?", sagte der Anführer. Gudriff schüttelte seine blinde Mähne. "Das wüssten wir", meinte er. Schnell trat Irene vor. "Nur ich habe das gesehen", gab sie zu. Wütend schnaubte Dahz. "Und du hast uns nichts gesagt?", grummelte er. Vorsichtig nickte sie.
"Was hätte das gebracht? Ihr hättet es doch eh jetzt gesehen." Zustimmend nickte Moses. "Sie hat Recht. Das ist kein Grund zum Streiten." Dennoch trat Dahz hervor. "Oh doch, das ist einer!" Genervt schnaubte Karman. "Ist euch echt so langweilig?", knurrte er. "Dann kann ich ja gleich wieder gehen."
"Wohin?", rief Gestas empört. "Wir sind alleine hier." Unterstützend nickte Dismas. Daraufhin kassierten sie einen wütenden Blick von Karman.
"Es reicht!", meinte Moses. "Wir leben hier ein Weilchen, also reißt euch jetzt zusammen!" "Ein Weilchen?", spottete Jan. "Für immer wolltest du wohl sagen!" Moses verdrehte die Augen. Da traten Gestas und Dismas vor. "Wisst ihr eigentlich wie schwer es ist, hier alleine mit seinem Zwillingsbruder zu sein?", fauchte Gestas. Empört schubste Dismas sie. "Achja? Noch schwerer ist es, mit seiner behinderten Zwillingsschwester zu leben!" Die anderen Schiff seufzten. "Das geht seit Jahren so", erklärte Ghee den Neuankömmlingen und zog Dismas von Gestas weg, die er gerade schlagen wollte. "Ihr führt euch auf wie kleine Kinder!", meckerte Ghee und die beiden schauten Schuldbewusst zu Boden.
Stattdessen meldete sich wieder Dahz zu Wort: "Wie ihr seht, ist das Ganze hier kein Luxusurlaub. Wir sind hier gefangen und gehen uns alle gegenseitig auf den Sack." "Warum trennt ihr euch dann nicht einfach?", schlug Karman bissig vor. "Willst du etwa alleine in dieser Einöde sein?", erkundigte sich Jan. "Und was macht ihr hier die ganze Zeit?", wollte Moses wissen. Mit einem Mal wurden alle still und schauten bedrückt zu Boden.
"Ich nehme Mal an nichts, wenn ich eure Reaktion richtig deute", lachte Karman. "Ihr liegt den ganzen Tag auf der faulen Haut und wartet, dass etwas passiert." Ein strenger Blick von Irene traf ihn.
"Was willst du denn sonst im Tod machen?", entgegnete sie. Seine Schultern hoben sich. "Ihr hättet genug Zeit, das herauszufinden."
"Karman, das reicht!", mischte sich Moses ein, der die aufgehende Sonne beobachtet. Die Hand seines Freundes packte ihn am Mantel. Mit einem Mal fiel ihm auf, dass alle dasselbe trugen.
"Willst du diesen Lappen etwa alles durchgehen lassen?", knurrte Karman. Mit einem Schulterblick konnte Moses seinem Freund direkt ins Gesicht sehen. Immer noch würde er am Kragen gepackt.
"Ich werfe ihnen nichts vor", sagte er. Karman zog ihn zu sich. "Wie kannst du nur so etwas sagen?", brüllte er ihn an. Unbeeindruckt befreite sich Moses aus dem Griff seines Freundes. "Beruhige dich, Karman", bat er. Doch dieser tobte vor Wut. Wahrscheinlich kam er einfach nicht mit seinem neuen Lebensraum klar. Blitzschnell flog seine Faust auf den Anführer zu, der gerade noch rechtzeitig auswich. "Lass das!", befahl er, doch da packte ihn schon Jan von hinten. Verwirrt sah Moses ihn an. "Deinetwegen bin ich tot!", warf er ihm vor. Ghee lief auf ihn zu. "Was redest du für einen Unsinn?", knurrte er. Gestas und Dismas schlugen ihn zusammen zu Boden. "Wieso? Er hat doch Recht!", meinte Gestas. "Uns hat er auch auf dem Gewissen!", fügte Dismas hinzu. "Es ist ein schlechter Zeitpunkt zum Streiten!", mischte sich Gudriff ein, worauf er einen Schlag von Karman kassierte. "Irgendwann muss der Scheiß ja Mal geklärt werden", entgegnete der Schiff und schlug erneut auf seinen Kameraden ein.
Inzwischen befreite sich der Anführer aus dem Griff von Jan und wirbelte ihn zu Boden. Kaum kam er zu Luft, traf ihn Dismas von hinten. Schnell fing er sich wieder und presste das Zwillingsmädchen zu Boden. Sie kicherte, denn von hinten kam noch ihr Bruder angelaufen. "Ich dachte, ihr hasst euch", seufzte Moses und drückte Gestas zu Boden, bevor er ihn auch nur berührte.
Gudriff konnte sich nur schwer von den Schlägen von Karman erholen. Einmal zu Atem gekommen, traf ihn auch schon die nächste Faust bis er am Boden lag. Karman wendete sich ab und nahm sich den Nächsten vor, während Gudriff sich aufrappelte und ihn von hinten umklammerte.
Irene half Ghee auf, der sich seine rote Wange rieb. "Warum tun sie das?", fragte Irene entsetzt, die den Kampf verabscheute. "Das sind Jungs. Sie müssen ihre Angst durch Gewalt ausdrücken", erklärte er. "Was ist mit dir?", erkundigte sich das Mädchen. Ghee schüttelte den Kopf. "So etwas habe ich nicht nötig." Kaum hatte sie den Satz gesagt, zischte sie davon. Seine Freundin hinter ihr.
Jan schmiss sich auf Moses, der mit den Zwillingen schon wortwörtlich alle Hände voll zu tun hatte, und presste ihn zu Boden. "Du hast den Tod verdient. Aber ich nicht." Moses drehte sich auf den Rücken und schaute seinem Kameraden ins Gesicht. "Du wolltest Saya doch unbedingt angreifen, obwohl wir entschieden haben, es nicht zu tun!", knurrte er, worauf Jan auf ihn einschlug. "DU hast es entschieden! Und das war falsch!", brüllte er seinen Anführer an. "Wenn ich das nicht gesagt hätte, wären wir jetzt alle tot!" Erneut schlug ihn Gudriff. "Ich bin es. Ich bin tot. Dabei hattest du dich geirrt. Wir brauchten Saya gar nicht! Wegen dir bin ich tot!"
"Du bist mir gefolgt, Jan! Das war deine Entscheidung!" Mit diesen Worten stemmte Moses Jan nach oben und drückte ihn von sich herunter, sodass er auf diesen saß.
"Karman, du ewiger miese Peter", spottete Gudriff und hielt seinen Kameraden in der Würge. Verzweifelt zappelte dieser und versuchte mit seinen Händen den Gudriffs Arm wegzuzerren. "Armseliger Idiot", maulte Karman und strampelte mit den Beinen, um mehr Schwung zu bekommen, doch der Würgegriff verengte sich, sodass ihm langsam die Luft abgeschnürt würde. "Gudriff", krächzte er, doch dieser hörte nicht auf.
Plötzlich fing Jan unter Moses an zu lächeln. Der Anführer warf im fragende Blicke zu, doch das gehässige Lachen hörte nicht auf. Da bemerkte er, dass sein Blick nicht auf ihn, sondern dahinter gerichtet wurde. Schnell drehte Moses sich um, doch zu spät, um Gestas Angriff abzuwehren.
Alle Blicke richteten sich auf Jan, Gestas und Moses. In ihren Augen lag Entsetzen, Angst und Besorgnis. Sie waren starr vor Angst. Keiner wagte auch nur zu Atmen. Die Kämpfe waren vorbei. Gudriff ließ den Würgegriff fallen, verstört davon was er getan hat während Karman sich die Fäuste rieb, mit denen er seine Freunde geschlagen hatte. Er spürte wie Reue hoch kam. Dahz ließ von Dismas los, der keuchend am Boden lag. Alle Augen richteten sich auf Moses, der in der Mitte des Schlachtfeldes stand, in seinem Bauch Jans Schwert.

Moses~ Ich akzeptiere das nicht || Blood+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt