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»Hey, pass doch auf!«

Beschäftigt damit seinen Freunden auf der anderen Seite des Freibads mit einer Massenbestellung Pommes Frites zu winken, hatte Mick den blonden Jungen völlig übersehen, der geradewegs auf ihn zu gelaufen war. Da dieser jedoch in ein Buch vertieft war und ebenfalls nicht aufgepasst hatte, machte Mick ihn für den Zusammenstoß verantwortlich und begann zu schimpfen, denn er hatte die fettigen Tüten fallen lassen und den Inhalt auf dem Rasen verteilt. Auf seinem T-Shirt entdeckte er einen Ketchupfleck.
Der Blonde starrte abwechselnd zwischen dem wütenden Mick und seinem Buch hin und her. Er sah aus, als könne er sich nicht zwischen Lachen oder Weinen entscheiden. Die Lektüre hatte einen riesigen Riss über einige der Seiten, noch dazu waren einige der Kartoffelstäbchen auf ihr gelandet, die der Junge schnell abschüttelte. Mit Sicherheit hatten sie trotzdem Fettflecken hinterlassen. Obwohl ihm das Buch wichtiger zu sein schien, begann er sich eifrig bei Mick zu entschuldigen.

»Schon gut«, brummte Mick und betrachtete missgelaunt die Fritten auf dem Boden, genau genommen war er selbst ja auch Schuld, »und tut mir auch Leid wegen deines Buches.«

»Ach, das macht nichts. Ich habe das Buch noch drei Mal. Und das hier ist sowieso nur die spanische Übersetzung«, murmelte der blonde Junge peinlich berührt.

»Spanisch? Wieso denn spanisch?«, fragte Mick. Der spöttische Unterton war ihm einfach rausgerutscht und gern hätte er sich deswegen geohrfeigt. Nur weil er in Spanisch eine Niete war, musste es ja nicht auch für jeden anderen gelten.

»Mh, naja, eigentlich wollte ich in den Ferien eine neue Sprache lernen.«

»Dann gehst du noch zur Schule?«

»Was? Ach, ja. Das letzte Jahr dann.«

»Oh. Hätte dich älter geschätzt.« Aus den Augenwinkeln musterte er den Fremden. Ascheblonde Haare standen wild in alle Richtungen ab, die hellbraunen Augen begutachteten noch immer das Buch in seinen Händen, seine Nase war von hunderten Sommersprossen bedeckt. Er war gut einen Kopf kleiner als Mick und nicht sonderlich muskulös, trotzdem hätte Mick gedacht, dass sie ungefähr im selben Alter war.
»Na, wie auch immer, lies beim nächsten Mal vielleicht nicht während du läufst.«

»Jaah, bestimmt. Und das hier«, der Blonde deutete auf die mittlerweile matschigen Pommes, die zwischen ihnen auf dem Boden lagen, »tut mir wirklich Leid. Vielleicht kann ich das wieder gut machen?«

»Du könntest mir deinen Namen verraten«, schlug Mick mit einem erwartungsvollen Grinsen vor. Selbstverständlich würde er später noch eine neue Portion Fritten von ihm fordern.

»Eli«, antwortete der Blonde mit einem Lächeln. »Wie heißt du?«

»Das sage ich dir, wenn du den nächsten Teil der Wiedergutmachung erfüllt hast.« Die Pommes, dachte er.

»Und was ist der nächste Teil?«, wollte Eli wissen, doch Mick zwinkerte bloß wissend und bevor Eli protestieren konnte, war Mick auch schon verschwunden. Er schlenderte im Zickzack zwischen anderen Badegästen zurück zu seinen Freunden auf der Liegewiese. Den Ärger über sein verlorenes Mittagessen hatte er längst vergessen.

Ein ganzer Sommer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt