7.

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»Mick, so eine Überraschung. Was führt dich zu mir?« Die alte Dame kam gerade aus dem Haus, in den Händen ein Tablett mit Geschirr. Als sie Mick erblickte, stellte sie das Tablett so schwungvoll auf einem Holztisch ab, dass die Teller und Tassen laut klirrten. Dann eilte sie zum Tor. Neben ihr trottete der uralte Bernhardiner her, der schon taub und halb blind war, aber den Frau Steffens nach wie vor hegte und pflegte und liebte.

»Um ehrlich zu sein, Frau Steffens, komme ich wegen einem ihrer Gäste«, erklärte Mick und ließ sich von ihr in eine herzliche Umarmung verwickeln. Als Frau Steffens ihn wieder losließ streichelte er den großen Hund liebevoll.

»Aber sicher, aber sicher«, sie schloss das Tor und schob Mick vor sich her zum Tisch und deutete auf die Bank, »frühstücke doch mit uns, Familie Hoffner kommt gleich und ich werde noch schnell den Tisch fertig decken. Die liebe Miranda ist diese Woche nicht im Haus und Paul hat sich den Fuß verstaucht, er kann dieses Jahr nicht kommen. Deswegen sind wir nur eine kleine Runde.« Kopfschüttelnd verschwand sie wieder ins Haus. Der Hund legte seinen schweren Kopf in Micks Schoß und Mick kraulte ihn hinter den Ohren.

»Vielen Dank, Frau Steffens«, rief Mick der wuseligen Dame hinterher. Diesmal war er auch gewiss besser auf ein Treffen mit Elis Familie vorbereitet.

»Du kommst bestimmt wegen des Jungen, ja?«, fragte sie, als sie mit einem zweiten Tablett voller Marmeladen und einem Beutel frischer Brötchen wieder nach draußen kam. »Der gute Eli, ein sehr netter Bursche, und wirklich hübsch, muss ich schon sagen«, schwärmte sie, »und seine Schwester... Ein herzensgutes Mädchen, die kleine. Wirklich nette Kinder.« Mitten in ihrem Monolog verschwand sie erneut nach drinnen, um eine Kanne Tee und einen Krug Milch zu holen.

»Die Mutter ist auch eine wunderbare Frau, hat eine gute Seele. Eine tolle Familie«, fuhr sie fort. Mick nickte höflich. Es kam ihm etwas aufdringlich vor, ungefragt am Frühstückstisch zu sitzen. Frau Steffens hatte damit kein Problem, sie war der aufgeschlossenste Mensch, den Mick kannte. Elis Familie kannte er eben nicht, und er hatte Angst, was sie sagen würden.

Doch bevor er sich zu viele Gedanken darum machen konnte, hörte er Schritte auf der alten Holztreppe im Gästehaus und Frau Steffens begrüßte eine junge Frau in ihrer üblichen, überschwänglichen Art. Elis Mutter hatte ihre blonden Haare zu einem Knoten auf dem Hinterkopf festgebunden. Den schrägen Geschmack für Muster, hatte Eli augenscheinlich von ihr, denn sie trug ein bunt geblümtes Kleid, das wild im Wind flatterte. Eli war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Wir haben heute morgen einen weiteren Gast, ich hoffe es stört Sie nicht, dass Mick mit uns frühstückt?«, fragte sie frei heraus. Elis Mutter schüttelte den Kopf und sah lächelnd in seine Richtung, dann kamen sie zum Tisch. Mick reichte ihr stumm die Hand.
»Guten Morgen, Mick«, ihre Stimme war sanft und jung, ebenso wie die von Eli.

»Dann hat Eli also schon einen Freund gefunden, das ist wunderbar«, trällerte Frau Steffens fröhlich. »Habt ihr für heute etwas Schönes geplant?«

»Nein, nichts«, Mick zuckte die Schultern, »aber hier findet sich schon was.«

Elis Mutter war sichtlich erfreut. Erneutes Gepolter kündigte die fehlenden Gäste an. Elis Schwester, mit blonden geflochtenen Zöpfen und einem luftigen Leinenkleid, hüpfte fröhlich zum Tisch hinüber, winkte Mick zu und setzte sich. Eli folgte ihr. Als er Mick erblickte, grinste er breit. Er trug seine typischen unförmigen Jeans und ein buntes Hemd, und Mick fragte sich, wie viele verschiedene dieser grellen Hemden er wohl im Schrank hatte.
»Guten Morgen!« Mick grinste noch breiter zurück.

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»So, Kora, und wir beide nehmen uns heute die Kirschbäume vor, was hälst du davon?« Frau Steffens, Elis Schwester, Eli und Mick winkten Frau Hoffner zum Abschied, als sie sich auf den Weg zu ihrer Lesung im Hotel machte.

»Au jaah«, rief Kora vergnügt und rannte schon in Richtung des Obstgartens, noch bevor ihre Mutter außer Sicht war.

»Und ihr zwei Hübschen, was haltet ihr davon den alten Stall ein bisschen auf Vordermann zu bringen? Das Scheunenfest ist in einigen Wochen und ihr wärt mir eine große Hilfe«, bat Frau Steffens. Die gute Frau war zwar noch nicht sehr alt, aber dennoch konnte der alte Obst- und Bauernhof nicht von einem Menschen allein gestemmt werden, sodass sie sich regelmäßig Ferienarbeiter oder arbeitswütige Kinder aus der Stadt zu Hilfe holte und ihnen ein paar Groschen bezahlte.
Und da jeder hier daran interessiert war weiterhin Frau Steffens köstliche Marmeladen zu naschen und bei ihrem grandiosen Scheunenfest zu feiern, konnte sie sich nie über mangelnde Hilfskräfte beklagen, und das obwohl Miranda und Paul gerade nicht helfen konnten.

So zeigte Mick Eli den Weg zum alten Stall und die beiden machten sich an die Arbeit.
Seit dort keine Tiere mehr standen, wurde dieser nur noch als Rumpelkammer genutzt und ein Mal im Jahr aufgeräumt, eben für's Scheunenfest. Die restliche Zeit landete jeglicher Krempel kreuz und quer darin, den Frau Steffens für ihre verbliebenen Tiere, den Obstgarten und die Gemüse- und Blumenbeete brauchte - oder eben nicht.

»Das heißt wohl, für uns gibt es heute kein Freibad«, schlussfolgerte Eli, als er einen Blick hinter die schwere Stalltür geworfen hatte. Eine Staubwolke schlug ihnen entgegen und sofort nahm Mick den abgestandenen, schmutzigen Geruch wahr. Er rümpfte die Nase.

»Stimmt«, Mick vermutete sofort, dass sie mit der Mission ein paar Tage beschäftigt sein würden, »aber weißt du was? Das stört mich nicht. Ich kann schließlich nicht jeden Tag dort vergammeln, wo bleibt da der Spaß?«

»Ich denke, das war genau deine Interpretation von Spaß?«, fragte Eli verwirrt.

»Jaah, das dachte ich auch. Aber scheinbar bin ich auch nur ein Langweiler.«
Doch in Wahrheit wollte er Eli einfach nur für sich haben.

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