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Nach dem starken Sommerregen hatte sich das Wetter einigermaßen abgekühlt und die Temperaturen waren wieder erträglicher.
Als Eli und Mick damit fertig waren, den Stall zu entrümpeln und zu putzen, halfen sie dabei etliche Bänke und Tische hineinzuräumen, um möglichst allen Gästen einen Platz bieten zu können.

Wenn ihre Hilfe gerade nicht von Nöten war, lagen sie unter den Marillenbäumen im Schatten, wo Mick gemütlich vor sich hin döste und Eli ihm die Geschichte von Dracula vorlas oder sie saßen auf einem der Kirschbäume und veranstalteten hin und wieder ein Kirschstein-Wettspucken. Manchmal spielten sie auch mit Kora verstecken und an regnerischen Tagen machten sie es sich auf dem Heuboden bequem und erzählten sich Geschichten.

»Es ist ein schöner Sommer«, sagte Mick, dann immer, egal was sie machten, und Eli lachte darüber, und wenn sie nicht beobachtet wurden, küssten sie sich.

Am Tag des Scheunenfestes waren alle aufgeregt und gestresst und wuselten umher, damit alles perfekt sein würde. Doch als am Abend alle Gäste gesättigt und mit Bier versorgt waren, war das schwierigste geschafft und die Feier konnte losgehen. Einige der starken Männer halfen dabei, Tische aus dem Stall zu schaffen um Platz für eine Tanzfläche zu machen, die auch sogleich prall gefüllt war.

»Tanz mit mir, Eli«, forderte Mick Eli auf und zog ihn an beiden Händen in Richtung der Tanzfläche.

»Ich kann gar nicht tanzen«, protestierte Eli, aber Mick lachte nur.

»Na und, ich auch nicht.« Auf der Tanzfläche drängelten sie sich zwischen die Leute und Mick begann sofort wild zu tanzen, was Eli wiederum zum Lachen brachte, da Mick absolut kein guter Tänzer war. Doch Mick war es egal und Eli machte es Mut, und er begann ebenfalls sich zur Musik zu bewegen.
Sie führten sich gegenseitig seltsame Schritte vor, sangen schief den Text der Lieder mit und lachten viel. Von außen betrachtet sahen sie wahrscheinlich idiotisch aus, aber auch darum scherte sich Mick nicht und darüber hinaus interessierte sich auch niemand dafür, wie die beiden tanzten. Er hätte Eli gern geküsst oder ihn zumindest umarmt, doch er wollte keine Aufmerksamkeit auf sie lenken.

»Eli, ich brauche mal eine Pause. Ich hole mir was zu trinken«, rief Mick atemlos, nachdem er gefühlte hundert Lieder ununterbrochen durchgetanzt hatte. Eli nickte und bedeutete ihm, dass er noch weitertanzen wollte, weshalb Mick sich allein von der Tanzfläche und zum Bierausschank schlängelte. Mit einer Flasche in der Hand stellte er sich zur Tanzfläche gewandt an den Rand und prostete Eli zu, als dieser zu ihm sah.

»Ich hätte nicht gedacht, dass er so gut tanzen kann«, eine Stimme, die Mick nicht sofort zuordnen konnte, erklang neben ihm. Elis Mutter hatte sich zu ihm gesellt und beobachtete nun ebenfalls die Menschen auf der Tanzfläche, insbesondere ihren Sohn.

»Jaah, davon wusste ich auch nichts«, erwiderte Mick. Eli sah wirklich gut aus, wenn er tanzte, er konnte seinen Blick nicht von ihm lassen. Er hatte sich an Elis seltsame bunte Hemden und diese komischen Jeans gewöhnt und fand, dass Eli wohl der einzige war, der gut in solcher Kleidung aussah. Und einen Hüftschwung hatte er auch wie kein zweiter.

»Eli hatte eine wirklich schöne Zeit hier«, sagte sie ernst, aber sie lächelte. Ihr Lächeln erinnerte ihn an das von Eli, die kleinen Grübchen hatte er definitiv von ihr geerbt. »Er mag dich sehr, Mick.«

»Ich mag ihn auch«, erwiderte Mick aufrichtig, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er ihr das sagen konnte. Doch langsam schöpfte er Verdacht, dass Elis Mutter bestimmt nicht zu ihm gekommen war, um über Elis Tanzkünste zu reden.

»Ich will ehrlich zu dir sein, Mick.« Ihr eindringlicher Blick durchbohrte Mick geradezu. Er fühlte sich in seiner Annahme bestätigt, was allerdings nur dazu führte, dass ihm flau im Magen wurde. Er klammerte sich an seiner Bierflasche fest.
»Ich weiß, dass ihr mehr als nur Freunde seid, ich habe euch gesehen«, eröffnete sie ihm ohne zu zögern und Mick schluckte. Was sollte er davon halten? Und viel wichtiger: was hielt sie davon?
»Ich will dir keine Angst machen, Mick, auf keinen Fall. Und ich sage am besten auch gleich, dass es mich überhaupt nichts angeht und gar nicht interessiert, solange Eli glücklich ist«, sie seufzte. Mick schwieg, er war viel zu perplex um auch nur einen Ton von sich zu geben.
»Aber das ist das Problem, weißt du? Meine Lesereise ist in wenigen Tagen zu Ende und dann heißt es Abschied nehmen, das wissen wir beide. Und Eli weiß das auch. Und wenn es soweit ist, dann ist dieses Glück schnell wieder verschwunden.«

»Wir waren uns von Anfang an im klaren darüber, dass wir nur diesen einen Sommer zusammen haben«, sagte Mick stumm, langsam hatte er sich einen Rein darauf gemacht, worauf Frau Hoffner hinaus wollte. Und als er selbst darüber nachdachte, hätte er am liebsten los geweint. Dieser Abschied würde Eli das Herz brechen.

»Das habe ich mir gedacht«, sie nickte. »Und ich bin auch nur seine Mutter und kann rein gar nichts, an eurer Situation ändern, aber ich wollte dir dennoch sagen, dass ich sehr froh bin, dass Eli dich hat.«
Mick starrte sie an. Damit hatte er nicht gerechnet. Mit allem anderen, aber nicht damit. Er hatte eher daran gedacht, dass sie ihn ordentlich zusammenstauchen würde, da Eltern eher nicht sonderlich erfreut sind, wenn ihre Kinder im Urlaub eine Beziehung mit Einheimischen eingehen. Oder dass sie ihn davon jagen wollte, da Eli und er eben waren, wer sie waren. Aber nichts dergleichen.

»Bitte geben Sie auf Eli acht, wenn er mich nicht mehr hat«, antwortete Mick entschlossen. Eli war ihm wichtiger, als jemand sonst es je gewesen war und zu wissen, dass der Abschied Eli das Herz brechen würde machte ihn trauriger, als der Abschied an sich. Er wollte nicht, dass Eli wegen ihm traurig war, aber er sah keinen Weg, wie er es hätte vermeiden können.

»Bitte verzeih mir, dass ich die Stimmung so vermiest habe, aber es war mir wichtig, dir das zu sagen«, erklärte sie und Mick erkannte, dass sie mit den Tränen kämpfte. »Genießt die letzten Tage, hörst du? Macht das Beste daraus!«
Mick nickte. Dann erinnerte er sich daran, wo sie waren, an die Tanzfläche vor ihnen und das Bier in seiner Hand. Er trank es aus und stellte die leere Flasche beiseite, schluckte die aufkommenden Tränen hinunter und tanzte mit einem aufgesetzten Grinsen hinüber zu Eli.

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»Erinnerst du dich daran, wie du mir genau hier versprochen hast, mir irgendwann mal ein Ständchen zu spielen?«
Als die letzten Gäste gegangen waren, haben sich Eli und Mick auf den Heuboden zurück gezogen, erschöpft vom vielen Tanzen.

»Nein, tut mir Leid, keine Ahnung«, erwiderte Mick und tat so, als wüsste er nicht, wovon Eli sprach.

»Also in diesem Fall...«, Eli begann damit Mick zu kitzeln. Mick wehrte sich dagegen, allerdings nicht sonderlich ehrgeizig, denn insgeheim genoss er es.

»Ok, ok«, kapitulierte er letztendlich doch und befreite sich aus Elis Umklammerung, schlüpfte die wackelige Leiter nach unten und kam wenig später mit einer Gitarre auf dem Rücken wieder nach oben geklettert. Eli machte es sich im Heu bequem und sah Mick erwartungsvoll an. Mick lächelte ihn zu und begann zu spielen. Kleine Stücke von unbekannten Musikern, alte Liebeslieder bei denen Eli überrascht schien, als er sie erkannte. Zwischendurch küsste er Eli und schließlich endete es darin, dass sie zusammen im Heu lagen, sich aneinander kuschelten und irgendwann einschliefen.

Mick dachte nicht mehr an den bevorstehenden Abschied oder die Worte von Frau Hoffner. Für ihn zählte einzig und allein Eli in seinem Arm zu halten, seinem gleichmäßigen Atem zu lauschen und sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie für immer zusammen sein könnten.

Ein ganzer Sommer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt