27.9.14

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Am nächsten Morgen wache ich auf, weil mich etwas an der Nase kitzelt. Ich muss Niesen, drehe mich auf die andere Seite und umarme mein Kissen. Jemand kichert. Dann hält mir jemand die Nase zu und ich muss wieder Niesen, was nicht funktioniert, da ich ja nicht luft holen kann, also setzte ich mich frustriert auf und reibe mir die Augen. Auf meiner Bettkannte sitzt Felix im Pyjama, mit einer Feder in der Hand. Neben ihm grinst Tom vor sich hin. Felix breitet die Arme aus und ruft begeistert: "Halleluja! Die Schlafmütze ist wach, nachdem sie Tommys Mörderwecker verpasst hat!" Ich muss herzhaft Gähnen. "Wie spät ist es?", frage ich verschlafen. "Viertel vor Sieben", meint Tom nach einem Blick auf seine Uhr. "Und wann geht der Unterricht los?" "Um neun", antwortet Felix. "Ihr seid verrückt!", stöhne ich und ziehe mir die Decke über den Kopf. Drei Sekunden später zieht sie mir jemand mit einem Ruck weg und wirft mir einen Stapel Kleider zu. Ich öffne die Augen und schaue die Beiden böse an. "Wenn der Unterricht um neun beginnt, dann würde ich bis halb neun schlafen!", stelle ich zerknirscht klar. "Tut mir leid, aber davor musst du dich noch anziehen, frühstücken und deine Sachen zusammen suchen. Auf jetzt!", spornt mich Tom an, ohne meinen Wiederspruch zu erwidern. Ich seufzte, steige aus dem Bett und betrachte die Kleider auf meinem Arm. Eine zerschlissene Hose, die ich schon mindestens Hundert Jahre habe, mir aber immer noch zu lang ist, ein neuer dunkelgrauer Pullover mit schwarzen Sternen und ein paar Socken. Irritiert schaue ich von Tom zu Felix und zurück. "Wart ihr etwa an meinem Schrank?", frage ich verwirrt. Tom kratzt sich am Hinterkopf und stottert vor sich hin: "ich hab ihm gesagt das wäre nicht okay, aber er meinte das ginge schon in Ordnung. Du kannst von Glück reden, dass er deine Unterwäsche in Ruhe gelassen hat. Er hat sich, glaube ich, zu deinem persönlichen Einkleider ernannt" Ich schüttle den Kopf und laufe in Richtung Bad. Ich bin zu müde, um über Privatsphäre zu diskutieren. "Die grünen Sneakers stehen neben der Tür!", ruft mir Felix, nach als ich die Badezimmertür schließe. Mürrisch rufe ich zurück: "Ja Mami!" Ich kann Tom Grinsen sehen.

Nach dem Frühstück will Tom mir die Bibliothek zeigen und Felix geht seine Schildkröte füttern. Die Bibliothek ist riesig. Sie ist wie alle Räume der Schule uralt, aber alles andere als ungemütlich. Lächelnd streiche ich über den ledernen Einband eines Buches. "Gefällt es dir hier?", fragt Tom, der mir selig zugesehen hat und schaut mich von unten an. "Ja, sehr! Ich glaube ich werde viel Zeit hier verbringen", antworte ich. "Darf ich dich mal was fragen, Quinn?", fragt er schüchtern, während ich durch die Regalreihen streife. "Klar, warum nicht. Was willst du wissen?" "Bis jetzt hast du noch kein Wort über meinen Rollstuhl verloren. Die Meisten sehen mich und fragen als erstes woher das kommt. Du nicht. Du tust so als wär ich ganz normal." Ich schweige eine Zeit lang und nehme den Blick nicht von den Büchern. Dann antworte ich doch: "Ich glaube, dass wenn du mit mir darüber reden möchtest, selbst kommst. Und eigentlich bist du ja ganz normal. Du sitzt im Rollstuhl, klar, aber ansonsten bist du kerngesund. Du lachst, du spielst Geige und schaust Mädchen hinterher. Völlig normal also!" Im Augenwinkel sehe ich, wie er mich nachdenklich mustert. Dann fällt sein Blick auf seine Uhr und er meint wir müssen so langsam mal los unsere Sachen richten.

Pünktlich um neun betreten wir das Klassenzimmer. Tom und ich sind tatsächlich in einer Klasse. Wenigsten kenne ich dann jemand. Er rollt vor mir zu einem der Pulte. Ich marschiere hinterher. Die anderen verstummen und mustern mich von Kopf bis Fuß. Auch wenn sie es hinter meinem Rücken tun, kann ich ihre Blicke spüren. Ich setze mich auf den Stuhl neben Tom und schweige. Lorena scheint auch in meiner Klasse zu sein. Sie sitzt zwei Reihen vor mir und hat eine Querflöte vor sich liegen und einen Stapel Noten. Wie alle anderen flüstert sie mit ihrer Nachbarin. Ihre Blicke wandern immer wieder zu meinen Klamotten. Die Jungs hingegen kleben an meinen Haaren. Tatsächlich ist niemand Rothaarig hier. Erst jetzt begreife ich, warum die Mädchen über meine Kleider lästern. Sie haben alle Faltenröcke, Seidenstrumpfhosen und Blusen an. Und die Jungs haben alle ein Hemd an. Ich und Tom sitzen als einzige in Jeans und Pullover hier. "Warum hast du nicht gesagt das ich nicht passend gekleidet bin?!", zische ich ihm leise zu. Ohne zu zögern antwortet er mir in normaler Lautstärke: "Weil es keinen Dresscode gibt. Du kannst anziehen was du willst. Die sind alle nur so seriös gekleidet weil sie Eindruck schinden wollen. Und ich finde du bist genau richtig gekleidet, oder willst du so aussehen wie die Tussis da vorne?!" Die letzten drei Wörter sagt er extra laut. Die Mädchen in der ersten Reihe drehen sich um und werden uns böse Blicke zu. Ich allerdings grinse breit.

Um halb zehn laufe ich neben Tom und Felix in unser Zimmer. Auf dem Arm habe ich Hefte, Bücher, Schreibzeug und Notenblätter. "Ich hab das noch nicht so ganz kapiert. Warum dürfen wir schon wieder gehen und haben dafür diese Liste mit Dingen bekommen?", frage ich und stolpre. Ein Buch fällt zu Boden und Felix hebt es auf. "Eigentlich sind noch Ferien und du bekommst eine Liste mit Dingen die du zur Vorbereitung auf das neue Schuljahr üben kannst. Zum Beispiel muss man jede Woche drei Bücher lesen und Vokabeln in Englisch und Französisch üben. Das geht in jeder Klasse so. Und das darfst du machen wo du willst und wann du willst. Fakt ist das du am Ende der Woche, also Sonntag alles erledigt haben MUSST! Egal ob es nur Vorbereitung ist. Jede Klasse und jeder einzelne macht das.", erklärt Tom und rollt voran. Ich stöhne auf. "Super Ferien habt ihr hier!" "Keine Angst das ist nicht in jeden Ferien so. Nur in den letzten zwei Wochen der Sommerferien!", beruhigt mich Felix. Mittlerweile sind wir in unserem Zimmer und ich lasse meinen Stapel Schulsachen auf meinen Schreibtisch fallen. Tom und Felix haben ihre Sachen schon hier gehabt und mussten nur die Liste und einige Bücher tragen. "Müssen wir alle dieselben Bücher lesen?", frage ich. "Jap!", meint Felix und Tom stöhnt auf:" ich habe von diesem Buch noch nie gehört. Und von den Stücken die ich zum üben bekommen habe auch nicht!" "Doch das erste ist ein Unbekanntes Stück von Küffner", stelle ich nach einem Blick auf die Noten fest. "Wann müssen wir das nochmals Vortragen?", frage ich Tom nachdem ich die Zehn Seiten Noten durchgeschaut habe. "Am Sonntag...", meint er seufzend. "Was musst du eigentlich machen während wir spielen?", wende ich mich nun an Felix der das Profil Naturwissenschaften gewählt hat und gerade einen Ordner öffnet um ein Blatt hineinzulegen. "Ich darf einen Bericht über ein Beliebiges Experiment schreiben. Fünf Seiten lang!", antwortet er genauso begeistert wie ich und Tom es vorher waren. "Kommt lasst uns anfangen dann sind wir noch vor dem Mittagessen mit Mathe und Englisch durch!", versuche ich sie zu motivieren, Klinge dabei aber auch nicht sehr überzeugt. Seufzend setzten wir uns an unsere Aufgaben.

Gegen vier bin ich mit meinen Aufgaben für heute fertig und kann die ersten beiden Stücke beinahe fehlerfrei. Was mir noch sorgen macht ist ein 250 Seitenbuch das ich bis morgen fertig gelesen haben muss. Tom ist in den Musiksaal gegangen um zu üben, also frage ich Felix. "Das Buch haben wir schon vor den Ferien bekommen", stellt er nach einem Kurzen Blick auf den Einband fest. "Und ich nehme an du hast keine Seite davon gelesen?", frage ich wissend. "Nö noch nicht mal die Beschreibung, warum auch braucht doch eh kein Mensch!", meint er Gründer darauf. Ich schüttle den Kopf und lege mich in die Hängematte auf der Terrasse die der Hausmeister heute morgen aufgehängt hat. Es regnet, aber die Terrasse ist überdacht und draussen ist es nicht allzu kalt. Ich beginne zu lesen und versinke in der Geschichte.

Ein ganz besonderes Jahr...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt