Kapitel 34

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Selenas POV

Wie so oft saß ich alleine am Küchentisch und machte meine Hausaufgaben, doch ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Seufzend stand ich auf und holte mir eine Packung Kekse aus einem der Küchenschränke, dann schnappte ich mir ein paar Kataloge, die mit der Post gekommen waren und auf einer Ablage neben dem Waschbecken lagen. Gelangweilt blätterte ich sie durch, betrachtete flüchtig die Produkte und die fröhlichen Gesichter, die abgebildet waren. Plötzlich rutschte ein Brief zwischen den Zeitschriften hervor, ich nahm ihn und sah mir den Absender an. Die Polizei meiner alten Heimatstadt?! Ich war mehr als neugierig, also riss ich, obwohl der Brief an meinen Vater gerichtet war, den Umschlag auf und zog vorsichtig das gefaltete Blatt Papier heraus. Wieso bekam mein Vater Post von der Polizei einer Stadt, in welcher er seit Jahren nicht mehr wohnte?! Hatte es etwa etwas mit meiner Mutter zu tun? Oder hatte er von damals noch unbezahlte Strafzettel oder Ähnliches?? Ich faltete das Papier sorgfältig auseinander und überflog die üblichen Höflichkeitsfloskeln am Anfang.

...Ihnen mitteilen... Durchbruch... Festnahme... Verdächtigter... im Falle der Entführung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung und versuchter Tötung... ihrer Tochter...

Es dauerte eine Weile und ich las den Text etwa zehn Mal durch, bis ich schließlich begriff, was dort gedruckt war. Sie hatten Luke festgenommen?! Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Feiern und mich freuen, weil er nun endlich für seine grausamen Taten gerade stehen müssen würde?! Oder weinen vor Erleichterung, weil ich nun endgültig sicher vor ihm war...? Ich tat keines von beidem, sondern starrte den Brief ungläubig eine gefühlte Ewigkeit an, bis ich mich völlig überfordert auf einen Stuhl fallen ließ und vorerst so verharrte. So viel hatte ich wegen ihm aufgegeben... mein Zuhause, meine Freunde... Zayn... Ich hatte all das hinter mir gelassen, weil es mich an alles Schlimme erinnert hatte, was ich durchgestanden hatte. Doch nun, als ich schwarz auf weiß las, dass Luke gefasst worden war, schien dies mir den Abschluss zu geben, nachdem ich mich das letzte halbe Jahr gesehnt hatte... Es gab keinen Grund mehr für mich, nicht in meinem Haus zu leben, nicht bei meiner Mutter und meinen Freunden zu sein. Es gab keinen Grund mehr, warum ich nicht mit Zayn zusammen sein konnte! Zayn! Er musste es erfahren, als Erster, jetzt sofort! Ich rannte in mein Zimmer, kramte mein Handy aus meiner Tasche und scrollte meine Kontakte durch, bis ich ganz unten, als letzten Eintrag, seinen Namen las. Dieses Mal hielt mich nichts davon ab, den Anrufknopf zu drücken, nichts schien mich mehr zurückzuhalten. Im Gegenteil, ich fühlte mich regelrecht angetrieben! Ungeduldig presste ich das Handy gegen mein Ohr und wartete darauf, seine Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören. Doch als ich eine Stimme hörte, war es nicht seine, es war die elektronische Stimme, die mich auf die Mailbox verwies. Verzweifelt legte ich auf. Er musste es wissen, so schnell wie möglich... Eilig und beinahe in Panik ausbrechend tippte ich eine andere Nummer in mein Handy.

"Hallo?", meldete sich eine sanfte Stimme.

"Rose! Du musst herkommen! Sofort! Jetzt!", schrie ich aufgeregt in den Hörer und raufte mir verzweifelt die Haare.

"Selena? Beruhig' dich erstmal. Was ist los? Wieso soll-"

"Nein! Komm' einfach her, du musst mich hin fahren, sofort! Es ist dringend!", ich klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Wange, während ich in meine Turnschuhe schlüpfte und mir meine Jacke überstreifte.

"Was?! Jetzt?? Wohin denn? Wo-"

"Das ist unwichtig! Bitte tu' es einfach, ich brauche dich!", schnitt ich ihr erneut das Wort ab.

"Ehm... ich bin dann in fünf Minuten da...", erwiderte meine verwirrte Freundin schließlich bevor sie auflegte. Ungeduldig wartete ich und verlagerte mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, bereit jeden Moment loszurennen. Mein Blick war an den Sekundenzeiger der Küchentür geheftet, welcher sich wie in Zeitlupe zu bewegen schien und die Sekunden zu Stunden werden ließ. Unruhig begann ich meine Finger zu kneten bis meine Knöchel weiß anliefen. Meine Anspannung schien mich beinahe zu zerreißen, als schließlich der erlösende Klingelton erklang. Ohne auch nur eine weitere Sekunde verstreichen zu lassen, setzte ich mich in Bewegung und stürzte zur Tür heraus, um dort um ein Haar in meine wartende Freundin zu rennen.

"Was ist denn los mit dir?"

"Keine Zeit für Fragen", antwortete ich knapp, packte sie am Arm und zerrte sie zu ihrem kleinen blauen Auto. Erst als wir beide angeschnallt auf den Vordersitzen saßen und Rose den Motor startete, fand ich die Zeit für eine kurze Erklärung.

"Ich muss sofort zu Zayn."

"Was?? Aber ich dachte du wolltest ihn nie wieder sehen?! Was ist aus 'je näher dir eine Person kommt, desto mehr Schmerz kann sie dir anfügen' geworden??"

"Ich habe einen Brief bekommen, ich muss Zayn davon erzählen, sofort! Das verändert alles!" Die unwissende Rose blickte mich erst einen Moment zweifelnd an, doch dann fuhr sie los ohne weitere Fragen zu stellen. Ich fühlte mich schlecht dabei sie im Dunkeln zu lassen, sie hatte mir so oft geholfen und mich getröstet ohne wirklich zu wissen worum es eigentlich ging. Sie war eine treue Freundin und stellte die Fragen, welche ihr vermutlich auf der Zunge brannten, nicht. Sie wusste, dass ich ihr nicht die ganze Wahrheit erzählte, dennoch beschwerte sie sich nicht über mangelndes Vertrauen sondern gewährte mir meine Diskretion und meine Geheimnisse. Rose war eine tolle Freundin, eine Freundin, wie sie sich jedes Mädchen nur wünschen konnte. Ich verdiente sie überhaupt nicht, als Dank für ihren Beistand und ihre Treue vertraute ich ihr nichts von meiner Vergangenheit an, ich musste wie ein Rätsel auf sie wirken. Ich war ihr wirklich keine gute Freundin und doch kümmerte sie sich um mich, kam nach einem spontanem Anruf hergefahren um mich herum zu kutschieren.

Doch in diesem Moment standen meine Schuldgefühle nicht im Vordergrund, in diesem Moment drehte sich in meinem Kopf alles nur noch um die Person, der wir uns mit jedem Kilometer, den wir hinter uns legten, näherten. Ich stellte mir sein Gesicht vor und fragte mich, ob es sich verändert hatte. Hatte er sich einen Bart wachsen lassen oder einen neuen Haarschnitt zugelegt? Vielleicht ein neues Parfüm? Wie würde er riechen, wenn ich ihn in meine Arme schloss, nachdem ich ihm die freudige Botschaft überbracht hatte? Ich konnte es kaum erwarten, den Ausdruck seines Gesichts zu sehen, wenn er erfuhr, dass es nichts gab, was uns nun mehr im Wege stand...

Mein Blick huschte erneut zur Anzeige des Wagens, die zweistündige Fahrt schien sich in die Länge zu ziehen. ich wurde ganz zappelig und hielt es kaum noch in dem kleinen Wagen aus...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 08, 2016 ⏰

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