Kapitel 32

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Zayns POV

Ich hatte lange über Louis Worte nachgedacht, dass Selena einen Neuen haben konnte. Am Anfang habe ich es abgestritten, zu sehr hatte ich mir gewünscht, dass ich ihr wichtig war und dass sie mich nicht loslassen konnte, dass sie mich nicht vergessen konnte, dass es ihr ging wie mir. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde es. Eigentlich war es sogar sehr wahrscheinlich, dass sie jemanden gefunden hatte, jemanden der sie tröstete, der bei ihr war, wenn sie sich allein fühlte, jemand, der sie nicht in Gefahr gebracht hatte und sie nicht an all die schlimmen Sachen erinnerte, die sie seinetwegen durchmachen musste, jemand, der nicht ich war. Es war ganz plausibel, sie wollte einen Neuanfang, ein neues Leben, ein Leben ohne Luke, ohne das Haus, ohne den Schrank... ohne mich. Ganz weit weg von hier, ohne irgendwelche Psychopathen. Sie wollte ein ganz normales Leben, das Leben, welches sie wirklich verdient hatte... Auf einer neuen Schule, mit neuen Freunden... also wieso nicht auch mit einem neuen Freund? Niemand konnte mir versichern, dass sie auf mich wartete, immerhin hatte sie selbst entschieden es sei das Beste weit weg von mir zu sein... Sie war sicher schon lange über mich hinweg, und wenn sie es noch nicht war, dann würde es nicht mehr lange dauern. Vielleicht lag sie jetzt gerade in diesem Moment in den Armen eines anderen, glücklich und küsste seine Lippen... vielleicht tat sie es auch nicht... doch ganz egal, ob sie jemanden hatte oder nicht, wieso sollte ich darunter leiden?! Ich hatte schon genug gelitten, als sie gegangen war, ich konnte ihr immerhin nicht mein ganzes Leben hinterher trauern in der Hoffnung, sie würde eines Tages zur Besinnung kommen und einsehen, dass wir zusammen gehörten. Ich musste weiterziehen, sie loslassen... Ich musste wieder mit anderen Mädchen ausgehen, aufhören zu denken, sie wäre das einzige Mädchen auf dieser Welt, mein Herz für andere öffnen. An Angeboten mangelte es immerhin nicht, denn obwohl ich nicht mehr zu meiner alten, beliebten Clique gehörte, hatten noch viele Mädchen Interesse an mir, zwar hatte ich jedes Mal abgelehnt, wenn sich eine mit mir verabreden wollte, doch das musste jetzt aufhören. Ich konnte nicht einfach jede Freude im Leben aufgeben, nur weil Selena nicht mehr da war! Und es musste eben so kommen, dass ich jemand Neues traf.

Ich saß gerade alleine an einem Tisch auf dem Schulhof und schrieb eilig eine Hausaufgabe auf, die ich vergessen hatte, Zuhause fertig zu machen. Doch zu dem Thema fiel mir überhaupt nichts ein und ich war wirklich verzweifelt, vermutlich sah ich auch genauso aus, denn ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mich plötzlich jemand antippte. Ich drehte mich um und blickte in klare, blaue Augen, die zu dem hübschen Gesicht eines Mädchens mit schulterlangen blonden Locken gehörte.

"Sind das da die Geschichtshausaufgaben, die du gerade machst?", fragte sie mit einem schüchternem Lächeln und ich nickte langsam. Sie zog ein paar Blätter aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch. Verwirrt sah ich mir die in säuberlicher Schrift beschriebenen Blätter an.

"Was ist das?", fragte ich zögerlich.

"Die Hausaufgabe", antwortete sie knapp, als sie mein noch immer verwirrtes Gesicht sah, fügte sie hinzu:

"Du kannst sie gerne abschreiben, denn ich denke die zehn Minuten werden dir nicht reichen um etwas Anständiges aus dem Ärmel zu schütteln..." Ich schaute sie erst skeptisch an, doch nickte dann und fing an die Aufgabe abzuschreiben. Sie setzte sich zu mir, mit einem kleinen Sicherheitsabstand und sah mir beim Schreiben zu. Ich setzte gerade den letzten Punkt, als die s
Schulklingel einsetzte. Das Mädchen nahm ihre Blätter, verstaute sie in ihrer Tasche und ging in Richtung des Schulgebäudes.
"Warte!", rief ich ihr hinter her und sie drehte sich überrascht um.
"Wie heißt du?", fragte ich, ich kannte sie nicht, sie war mir nie aufgefallen, jedoch wäre sie nicht die erste Person, die ich mit meiner damaligen Einstellung übersehen hätte. Sie lächelte mich an und erwiderte:
"Ellie." Dann führte sie ihren Weg fort und verschwand, ohne sich noch ein einziges Mal umzudrehen, im Schulgebäude. Ich verstaute meine Sachen in meinem Rucksack und folgte ihr eilig, um nicht zu spät zu kommen, denn unser Geschichtslehrer war ohnehin schon schlecht auf mich zu sprechen, ich durfte also keinen Fehltritt riskieren. In der Klasse angekommen, setzte ich mich auf meinen Platz in der hintersten Ecke, ich erblickte Ellies blonden Lockenkopf zwei Reihen vor mir. Sie unterhielt sich gerade mit ihrer Sitznachbarin und unterbrach das Gespräch, als unser Geschichtslehrer Mr. Gabriel den Raum betrat. In seinem Gesicht spiegelte sich schon seine gewohnte, miese Laune wieder, er ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen auf der Suche nach dem nächsten Opfer, an welchem er seine ganze Frustration ablassen konnte. Wie so oft legte sich sein Blick auf mich und verharrte dort.

"Mr. Malik bitte präsentieren Sie Ihren Text hier vorne vor der Klasse", meinte er fast schon amüsiert, das Quälen seiner Schüler war für ihn eine ganz persönliche, sadistische Art des Vergnügens.

"Es sei denn, Sie haben die Aufgabe mal wieder nicht erledigt...", er blätterte schon in seinem Notenbuch, um mir eine schlechte Note einzutragen, als ich grinsend erwiderte:

"Ich habe die Aufgabe und es wäre mir ein Vergnügen, sie der Klasse vorzutragen." Mr. Gabriel zog erstaunt seine Augenbrauen in die Höhe. Ich trat nach vorne und las den Text vor, den Ellie verfasst hatte, im Augenwinkel erblickte ich den verblüfften, beinahe schon entsetzten Gesichtsausdruck meines Lehrers. Als ich den Vortrag beendet hatte, schien er nicht wirklich zu wissen, was er sagen sollte.

"Nun... Mr. Malik... das war überraschenderweise ein ausgesprochen guter Text... " Ich lächelte zu Ellie herüber und zwinkerte ihr zu, sie erwiderte mein Lächeln. Vielleicht war ich nun bereit mich von Selena zu entfernen und von den Gefühlen, die ich für sie empfand, damit abzuschließen. Vielleicht war ich bereit, mich mit einem anderen Mädchen zu verabreden und vielleicht war genau dieses Mädchen Ellie. Ich ging zurück auf meinen Platz und tat den Rest der Stunde so, als würde ich mitarbeiten, während ich eigentlich über einen Weg grübelte, wie ich Ellie fragen könnte, ob sie mit mir ausgehen wollte. Damals hatte ich es nicht nötig gehabt, auch nur eine Sekunde über so etwas nachzudenken, denn die Mädchen waren zu mir gekommen um um einen Kuss zu betteln. Doch ich hatte mich verändert und Ellie war nun wirklich nicht die Art Mädchen, die sich einem Typen aufdrängten. Mit solchen Mädchen hatte ich ehrlich gesagt nur wenig Erfahrung, denn es hatte nur ein solches Mädchen gegeben... Die Schulklingel riss mich aus meinen Gedanken und alle Schüler stürmten aus dem Raum.

"Ehm... Ellie?", rief ich zögerlich. Ihre hellen Locken flogen durch die Luft, als sie ihren Kopf zu mir drehte und mich mit ihren großen blauen Augen fragend ansah.

"Naja, ich wollte mich bedanken, weil du mich wirklich gerettet hast mit dem Text. Vielleicht kann ich mich mit einem Kaffee bedanken?" Ein breites Grinsen bildete sich auf ihren Lippen und sie nickte strahlend.

"Ich habe jetzt noch einen Biologiekurs, aber danach habe ich frei..."

"Ich warte dann am Eingang auf dich", erwiderte ich lächelnd und verließ den Raum. Selena war gegangen, weil sie einen Neuanfang brauchte, nun, vielleicht brauchte ich den ja auch. Vielleicht war Ellie mein Neuanfang.



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