Dürre

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Es ist warm. Die Temperaturen fallen nicht unter 25 Grad hatte der Wettermann in den Nachrichten gesagt. Seine Stirn hatte sich gekraust zwischen all den Hochdruckgebieten auf der Wetterkarte. Überall liegen Menschen wach wie nachdenklich Ausstellungsstücke in ihren Betten. Irgendwo kreischt ein Auto in der Nacht. Die Straße ist dicht bevölkert aber es ist still, sie reden nicht viel die Menschen um mich.
Ich schleife meine Schritte durch matschiges Laternenlicht auf der Suche nach einen Ort an dem es sich besser atmen lässt. Die Hitze kam plötzlich. Nicht so schleichend wie die letzten Jahre. Sie sagen viele ältere Menschen hätten mit ihr zu kämpfen, man solle aufpassen genug zu trinken, keinen Rasen mehr wässern, keine Pools mehr füllen, sich im Haus aufhalten. Niemand sagt wann es gehen wird aber es fragt auch niemand danach. Eng hinter einer Laubengasse fängt mich ein kleines Restaurant auf dass die Nacht über geöffnet hat. Zwei Pärchen stehen davor, alle rauchen. Die Frauen tragen zu kurze Kleider die nicht reichen um ihre Absichten darunter zu verstecken. Der Strom der Wüstenluft und der Menschen zieht mich hinein und spühlt mich an einen Tisch zu einer jungen Frau. Sie lächelt nicht. Ich frage mich ob es wohl Menschen gibt die einfach so darauf warten, dass sich jemand zu ihnen setzt. Wie bestellen den selben Weißwein, trinken ihn in hastigen Schlucken bis unsere Köpfe kalt und unsere Hände nass von den dickbauchige, außen beschlagenen Gläsern sind.
René, ich erinnere mich an etwas als sie mir ihren Namen sagt. Wir kennen uns nicht. Nein, sagt sie. Macht das etwas? Nein sage ich. Ich bestelle ein zweites Glas, betrachte mein Gegenüber in all seinen Facetten. Gedämpft vom Kopfschmerz den die Schwüle mit sich bring ist die Frau vor mir wie eine Fatamorgana die im Raum schwebt und über die niemand spricht. Es ist ein Problem, dieses nicht darüber sprechen. Es lässt einen mit der Frage allein was echt ist und was nicht. Je mehr Zeit ich in meinem Kopf verbringe desto mehr bezweifele ich, ich könnte die letzte Person im Raum sein, die nicht ihren Verstand verliert. René ist Schriftstellerin. Sie schreibt für eine meiserable französische Klatschzeitung und arbeitet an einem Band mit spoken-words-Gedichten, die sie manchmal vorträgt und manchmal verbrennt wie sie sagt. Ich kenne sie nicht was irgendwie alles besser und alles schlimmer macht.
Niemand von uns schaut auf eine Uhr. Ich spüre ihre Blicke über meinen Körper wandern. Ihre Augen sind scharf als könnte sie mich aufschlitze indem sie mich nur ansieht. Sie hätte als junges Mädchen immer die Töchter anderer Familien am Nebentisch angestarrt sagt sie. Sie findet mich hübsch. Ich weiß nicht damit umzugehen. Vielleicht will ich allein sein aber irgendetwas krampft sich bei dem Gedanken in mir zusammen. Sie war schüchtern. Ich bleibe noch eine Weile sitzen, trinke mein Glas aus, zahle und flüchte auf die Dachterasse. Ich bin nicht betrunken trotzdem dreht sich der Himmel über mir.
Dicht. Ich kann fühlen wie sich die erhitzte Haut ihrer Oberschenkel gegen den Stoff meines Kleides presst. Was passiert wenn es so weiter geht? Sie murmelt es in meine Halsbeuge als wären wir alte Bekannte. Es ist ohnehin alles schwer selbst das Atmen. Sie verschwendet ihren an mich. Hinter der Hauptstraße ist ein Parkplatz hell erleuchtet, wenigstens vier Rettungswagen kann ich erkennen, Menschen in orangefarbenen Westen. Nichts, wie immer antworte ich. René erzählt mir von einem Ort am Rande der Küste, ihren alten Haus. Sie war jung als sie dort wohnte. Einen Ruine bloß noch aber salzig. Sie erzählt mir von Wunden die aufreißen auf der Haut und im Gedächtnis. Ein Martinshorn gedämpft und dann Stille. Zwei Hände fahren über meinen tief aufgeschnittenen Rücken, Nägel und Finger. Es muss etwas passiert sein und niemand will wissen was es ist. Alles lähmt mich. Die allgegenwärtige Angst. Ich schaffe es nie ganz sie loszulassen. Es ist schön und unerträglich zugleich. Ganz plötzlich habe ich ein Verlangen nach Wasser und danach irgendjemandem Schmerzen zuzufügen. Haut blutig zu kratzen. Irgendetwas nicht wages zu fühlen. So ein Mensch bin ich also.

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