E g o í s m o
Nach dem Frühstück hat Cassius mich etwas in der Stadt herumgeführt, mir die Gegend gezeigt. Zum Strand werden wir morgen gehen, heute wollen wir einfach nur die Stadt erkunden.
,,Ich habe nicht die Zeit gehabt mir ein festes Programm für uns auszudenken, also muss ich improvisieren."
,,Wie meinst du das?", frage ich ihn. Cassius hebt spielerisch die Augenbrauen und legt einen Arm um mich.
,,Ich meine, die hübsche Dame muss mir sagen was sie so mag, was sie sehen möchte. Wohin soll ich dich bringen Princesa?"
,,Was steht denn zur Auswahl?", frage ich ihn peinlich berührt, dennoch glücklich darüber von ihm so besonders behandelt zu werden. Er neigt sich runter an mein Ohr und flüstert. ,,El mundo entero, amor. (Die ganze Welt, liebste.)"
Ich sehe ihn aus großen Augen an, er hingehen lächelt und stupst meine Nase an. Ich lache und drücke seine Hand weg. Mahnend sieht er mich an.
,,Du musst mich aber richtig herausfordern, keine Sachen wie 'ich will nur spazieren' oder 'wir könnten uns die Gegend anschauen', klar?"
,,Na schön", sage ich und überlege. ,,Bring mich an den Meeresgrund, ohne dass ich schwimmen oder die Luft anhalten muss!", fordere ich ihn heraus. Er weiß dass ich nicht schwimmen kann, also kommt der Strand wohl nicht in Frage. Wer weiß vielleicht gibt es hier ja ein Souvenirshop die schöne Muscheln verkaufen oder eben Sachen, die man nur im Meer findet?
Er verzieht amüsiert das Gesicht und nickt.
,,Du willst mich zum Zauberer machen was?", sagt er und überlegt.
,,Du gibst schon auf?", frage ich amüsiert über meine absurde Forderung. Ich habe es wohl etwas übertrieben.
,,Niemals", sagt er und streckt seine Brust theatralisch aus um sich seine Männlichkeit zu beweisen. Ich muss lachen. Als ihm etwas einzufallen scheint, bleibt er stehen.
,,Ich glaube ich habe da den Richtigen Ort für Prinzessinnen wie dich."
,,Und der wäre?", frage ich ihn. Er zieht mich an der Hand mit sich.
,,Komm einfach mit."Und ich gehe mit. Ich denke nicht einmal an etwas anderes.
× × × × ×
12:08 Uhr
Ich stehe vor der riesigen Glaswand und starre fasziniert die vielen Fische an, die umher schwimmen. Große Schildkröten, riesige Haie und winzige bunte Fische schwimmen im Becken herum und mittendrin stehen wir und andere Gäste. Das blaue Licht welches durch das Wasser in den Glastunnel reflektiert wird verleiht einem das Gefühl mittem im Meeresgrund zu stehen. Wunderschöne bunte Korallen leuchten am Grund des riesigen Aquariums und machen den Anblick einfach nur traumhaft.
,,Habe ich dir zu viel versprochen?", fragt Cassius mich hinter mir während ich wie ein Kind an das Panzerglas klopfe wenn Fische vorbei schwimmen.
Ich schüttle als Antwort den Kopf und beobachte wie ein platter Fisch es sich im Sand bequem macht.
,,Hast du nicht, es ist unglaublich! So etwas habe ich nur im Fernsehen gesehen und jetzt ...! Was ist das für ein Fisch?", frage ich Cassius und zeige auf das platte Ding.
,,Un Patín (Ein Rochen)", erklärt er mir.
,,Un Patín ...", murmle ich ihm nach. Er lacht. Als das Tier sich wieder nach oben begibt, erkenne ich plötzlich dass es unten ein Gesicht hat!
,,Es lächelt!", lache ich.
,,Würde ich auch wenn eine so wunderschöne Frau mich beobachten würde", sagt Cassius. Bei diesen Worten muss ich schmunzeln. Ich blicke über meine Schulter zu ihm, sage aber nichts dazu. Ich nehme meine Hand vom Glas.
,,Danke dass du mich hierher gebracht hast Cassius", bedanke ich mich und drehe mich zu ihm. Er nickt nur zufrieden, seine Arme sind ineinander verschränkt und er scheint nicht wirklich von diesem Meeresspektakel begeistert zu sein. Stattdessen gilt seine ganze Aufmerksamkeit mir.
,,Nichts zu danken. Komm lass uns weiter gehen, gleich beginnt die Show", sagt er und streckt mir seine Hand entgegen. Nickend nehme ich seine große Hand und folge ihm.× × × × ×
14:26 Uhr
Hand in Hand kommen wir aus dem Gebäude heraus.
,,Ich habe in meinem Leben noch nie Delfine gesehen! Hast du gesehen wie sie der Trainerin ein Küsschen gegeben haben? Das muss doch bestimmt lange dauern bis die Delfine diese Tricks gelernt haben?", plappere ich begeistert vor mich hin. ,,Ob sie wohl glücklich sind, dort wo man sie hält Cassius? Vermissen sie denn nicht das Meer?"
Er legt wieder einen Arm um meine Schultern. ,,Diese Tiere kennen nichts anderes als ihr Becken. Ich wette wenn sie wüssten was es dort draußen alles gibt, wären sie unglücklich. Je weniger sie wissen, desto glücklicher sind sie."
,,Das ist traurig", murmle ich gedankenverloren vor mich hin.
,,Ach was, es ist wahrscheinlich halb so schlimm. Du hast gesehen wie sehr sie ihre Trainerin gemocht haben. Sie sah jedenfalls ziemlich nett aus."
,,Sie sah also nett aus?", frage ich ihn schmunzelnd.
,,Nicht dass es mich kümmert", rettet er sich noch was mich zum lachen bringt. ,,Alles was mich im Moment interessiert ist, wohin du als nächstes gehen möchtest Princesa."
Ich zucke mit den Schultern und lächle. ,,Ich bin wunschlos glücklich!"
Er bleibt stehen und sieht mich überrascht an.
,,Was? Mehr hat es nicht gebraucht um das von dir zu hören?", fragt Cassius mich. Ich nicke verwirrt.
,,Das kann es nicht gewesen sein. Fordere mich ein wenig heraus Leya, ich kann dich ja wohl noch glücklicher machen als das!"
Ich lache über diese Aussage. So etwas süßes hat noch nie jemand zu mir gesagt!
,,Wir können spazieren?", biete ich an. Er hebt eine Augenbraue. ,,Na schön, aber überleg dir solange wohin wir gehen sollen."
Ich nicke nur und lasse mich von ihm an die Hand nehmen. Wir gehen die Straßen entlang und reden über alles mögliche. Es ist schön endlich jemanden zu haben mit dem ich unbeschwert Zeit verbringen kann. Er bringt mich ständig zum lachen und behandelt mich so als wäre ich etwas besonderes. So etwas kenne ich eigentlich von niemandem außer von meinem Vater damals, als wir weniger Probleme hatten und ich mehr Kind statt große Schwester war. Wobei ich nicht mal mehr viele Erinnerungen an diese Zeit habe.
,,Lust auf Eis?", fragt Cassius mich und deutet auf den Eisstand. Ich nicke fröhlich und stelle mich mit ihm an die Schlange.
,,Lass mich raten, du liebst Erdbeereis? Oder Himbeereis?", sagt Cassius.
,,Wieso glaubst du das?", frage ich ihn schmunzelnd. Er zuckt mit den Schultern.
,,Typisches Mädcheneis", sagt er. ,,Außerdem sehe ich hier kein Traubeneis, sonst wäre das wohl deine erste Wahl."
,,Tatsächlich mag ich Mango mehr, Limette ist auch einer meiner Lieblinge oder Schokolade. Ehrlich gesagt könnte ich jede Sorte verspeisen", zähle ich auf. ,,Was magst du?"
,,Rate", verlangt Cassius. Ich überlege.
,,Du siehst mir nach einem Nuss-Typ aus. Wallnuss oder vielleicht Pistazie?", frage ich. Er hebt die Augenbrauen.
,,Was hat mich verraten?", fragt er mich. Ich zucke zufrieden mit den Schultern.
,,Nichts, ich bin einfach nur gut", sage ich stolz.
,,Oh ja das bist du", raunt er und legt seinen Arm um mich was mich rot anlaufen lässt.
Als nächstens sind wir endlich dran.
,,Einmal alle Sorten für die hungrige Dame hier."
Ich sehe Cassius aus großen Augen an.
,,Was? Nein, nein, nicht alle!", sage ich schnell.
,,Du sagtest doch du könntest alle Sorten verspeisen?", sagt Cassius und nickt dem Verkäufer zu damit er tut was er ihm gesagt hat.
,,Das kann ich doch nicht aufessen!", sage ich als ich sehe wie der Becher sich immer mehr füllt.
,,Das sagen Sie jetzt Señora! Warten sie ab bis Sie mein Eis probiert haben!", sagt der ältere Mann belustigt als er das Eis in den großen Becher füllt.
,,Das glaube ich Ihnen, aber so viel Platz habe ich nicht in meinem Magen", sage ich schmunzelnd.
,,Tja dann brauchst du dabei wohl Hilfe", sagt Cassius grinsend und nimmt sich zwei bunte Plastiklöffel. Er holt einen Schein aus seiner Tasche und gibt es dem Verkäufer. Dann nimmt der den Eisbecher und reicht es mir.
,,Guten Appetit!", wünscht der Verkäufer als Cassius kein Rückgeld verlangt. Wir bedanken uns und gehen den Weg weiter entlang.
,,Lass uns ein schattiges Plätzchen finden", sagt Cassius. Ich nicke nur und komme nicht umhin ihn dabei zu beobachten wie er sich nach einem schönen Platz umsieht. Dann entdeckt er einen Park und führt mich über die Straße dorthin. Wir setzen uns auf eine Bank und versuchen das Eis aufzuessen bevor es schmilzt.
DU LIEST GERADE
Leya
RomanceZwischen den Schulden ihres Vaters, der Arbeit auf dem Feld und der Erziehung ihrer kleinen Schwester, fehlt es Leya trotz allem an nichts. Wie viele andere mexikanische Familien in Culiacan, verdient sich Leya ihr Geld mit Schweiß und Blut, um ihre...