V I E R Z E H N

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P r e g u n t a s

09:30 Uhr

Ich sehe ihn verwirrt an. Was soll das denn jetzt heißen?
,,Das ist nicht dein ernst!", sagt Valeria aufgebracht.
,,Wieso soll die hier bleiben?!", fragt Isabella. Er ignorert beide. Nando räuspert sich. ,,Ich glaube ich sollte langsam nach Hause. Viel Spaß, Hermano (..., Bruder)", sagt er letzteres zu Vasco. Er steht auf. ,,Euch noch guten Appetit." Dann verschwindet er auch schon aus der Tür. Ich beschließe einfach aufzustehen und ihm zum Ausgang zu folgen. Aber kaum stehe ich auf, werde ich am Arm gepackt. Vasco steht dicht vor mir und durchbohrt mich mit einem warnenden Blick. Valeria und Isabella sind still und sehen ihn entrüstet an.
,,Lass mich los!", sage ich und versuche mich von deiner Hand zu befreien, aber er drückt nur fester zu. Zum Glück hält er meinen Gesunden Arm. Ich beiße die Zähne zusammen und sehe ihm verständnislos ins Gesicht. Er ist fast zwei Köpfe größer als ich und breit gebaut, was mich nur noch mehr einschüchtert. Sein Hemd liegt eng an seinem muskulösen Körper und die ersten drei Knöpfe sind offen, was seine starke Kontur am Brustansatz freilegt.
,,Setz dich", befiehlt er kalt. Unglaubig sehe ich den Mann vor mir an.
,,Was willst du von mir?", frage ich ihn ängstlich. Seine grauen Augen blicken mir quälend langsam von einem Auge zum anderen. Ich sehe ihm dabei zu wie er runter zu meiner Wange sieht, von dort aus einen Blick auf meine Nase, runter zu meinen Lippen wirft. Ich muss meinen Kopf schon fast in den Nacken legen um ihn ins Gesicht sehen zu können.
,,Ihr drei, geht raus", sagt er plötzlich ohne den Blick von mir zu trennen. Clara, gefolgt von Isabella geht in Richtung Ausgang. Ich sehe hilfesuchend zu Valeria, die noch immer am Tisch steht. Sie aber sieht nicht mich, sondern Vasco an. Ihre Augen sind geweitet und blicken voller Schock zu ihm. Als könnte sie nicht glauben, was hier gerade geschieht.
,,Bist du taub?", zischt Vasco jetzt in ihre Richtung und sieht sie zornig an. Sie beißt ihre Zähne zusammen, das erkenne ich an ihren angespannten Kiefermuskeln. Wütend folgt sie den andern beiden und die Tür schließt sich. Ich bin alleine mit ihm.
,,Bitte lass mich gehen", wimmere ich jetzt ängstlich und sehe ihm flehend ins Gesicht. Meine Augen sind wässrig vor Angst und in meinem Hals ist ein brennender Kloß, der mich jede Sekunde zum weinen bringen kann. Zornig drückt er fester zu und zieht nich näher an sich ran. ,,Hast du den anderen Männern auch so in die Augen gesehen als du sie angefleht hast?", fragt er mich plötzlich mit scharfem Ton. Ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen. Was?
,,Kein Wunder, wieso sie das alles mit dir versucht haben. Du lädst schon fast dazu ein." Seine Stimme ist rau und abwertend. Ich spüre wie mir dieser maskuline Duft in die Atemwege steigt als er mir so nahe ist. Beschämt sehe ich auf den Boden. Wie kann er so etwas sagen?
,,Wieso tust du das?", frage ich und schlucke schwer, ohne ihn anzusehen. Er hat meinen Arm noch immer fest im Griff und scheint nicht vorzuhaben, mich loszulassen. Er packt mich am Kiefer und zwingt mich ihn anzusehen. Ich verziehe schmerzverzerrt das Gesicht als er Druck auf meine blaue Wange ausübt.
,,Weil es mir so passt", antwortet er mir mit diesem ruhigen, rauen Ton. Nicht sicher, was ich darauf antworten soll, sage ich nichts. ,,Vielleicht hätte ich dich einfach töten sollen", flüstert er. Ich spüre wie mein Puls steigt.
,,Bitte hör auf", flehe ich ängstlich. Er sieht mich stumm an, lässt mich dann aber los. Sofort weiche ich zurück. Sein Blick ist eisern. Er sieht mich überlegen an und zieht den Stuhl, auf dem ich saß, leicht nach hinten. Er deutet auf den Stuhl. Mit unsicheren Schritten tue ich was er verlangt und setze mich hin. Er schiebt den Stuhl, zusamen mit mir wieder zurück an den Tisch und setzt sich wieder auf seinen Platz. Er sieht mich nachdenklich an und lehnt sich zurück. Lässt mich nicht eine Sekunde aus den Augen. ,,Iss", befiehlt er knapp.
,,Ich will nicht", antworte ich. Ihm gefällt meine Antwort nicht, aber das ist mir egal. ,,Was willst du von mir?", frage ich erneut. Er antwortet nicht. Ich seufze und wiederhole mich. ,,Was willst du von mir? Sag doch etw-" Er unterbricht mich.
,,Iss", sagt er wieder. ,,Vielleicht kriegst du dann deine Antwort." Nicht fassend, was er da sagt, sehe ich ihn stumm an. Auffordernd deutet er auf meinen Teller. Ich schlucke schwer.
,,Nein", sage ich stur. ,,Ich will wissen was hier los ist! Ich habe eine Schwester um die ich mich kümmern muss, eine Arbeit und Schulden! Ich muss nach Hause!"
Aufgebracht stehe ich auf, er bleibt dieses Mal sitzen. Schnell gehe ich aus dem Raum. Vor der Tür stehen Isabella und Valeria und sehen mich abwertend an.
,,Wo ist der Ausgang?", frage ich schnell.
,,Am Ende des Flurs nach links an der Treppe vorbei", antwortet sie zufrieden. Schnell laufe ich den Flur entlang, was sehr schwer ist mit den Schuhen und diesem langen Kleid. Mein Rücken ist entblößt und mein rechtes Bein tritt aus dem Schlitz bei jedem Schritt an der Seite hervor. Ich biege links ab und gelange in eine riesige Halle mit einem prachtvollen Kronleuchter. Ich sehe auch schon die Ausgangstür und laufe auf sie zu. Ich öffne die Tür und laufe raus in Richtung Ausgangstor. Ich laufe an einem großen Brunnen in der Mitte vorbei und folge dem breiten Pflastersteinboden der von getrimmten Sträuchern umgeben ist. Nachdem ich den langen Weg hinter mir habe, komme ich am Tor an. Das Haus ist umringt von einem schwarzen kunstvollen Gitterzaun. Mit meiner gesunden Hand will ich das Tor öffnen, aber ich finde kein Griff oder ähnliches. Gestresst rüttle ich am Tor, aber es bewegt sich kein Stück.
,,Bitte gehen Sie zurück ins Haus señora", sagt plötzlich ein Mann in einem Anzug. Ich habe den Mann der am Gitter steht nicht bemerkt. Er ist groß und hat eine Glatze.
,,Machen Sie das Tor auf!", sage ich wütend und rüttle daran.
,,Gehen Sie zurück ins Haus señora!", sagt er jetzt auffordernd.
,,Nein! Ich will nach Hause!"
Ehe ich meinen Satz zuende gesprochen habe, kommt er auf mich zu. Ich will weglaufen, aber er greift sofort nach mir und zieht mich mit sich. Ich wehre mich und rufe, er solle mich gefälligst loslassen, aber er hört mir nicht mal zu als er mich auf seine Schulter hebt und mit mir zurück ins Haus geht. Ich schreie ihn panisch an und versuche mich zu befreien als er in einem Raum stehen bleibt.
,,Suéltame! (Lass mich los!)", rufe ich aufgebracht. Er lässt mich runter. Ich stehe wieder im Esszimmer. Als ich zu Vasco sehe, wischt er sich gelassen mit einer Serviette über den Mund als hätte er gerade etwas gegessen und steht auf. Er nickt den Wachmann raus und stellt sich vor mich. Schon wieder bin ich alleine mit ihm in diesem Raum.
,,Escucha (Hör zu)", sagt er mit seinen arroganten Augen und sieht wie üblich auf mich herab. ,,Ich gebe dir noch eine letzte Chance dich zu setzen und etwas zu essen", sagt er streng.
,,Ich will nicht!", sage ich wütend. Er nickt langsam, sichtlich unzufrieden mit dieser Antwort. Er zeigt zum Esstisch.
,,Dann präg dir das gut ein", sagt er dunkel. Ich sehe ihn aus verwirrten Augen an.
,,Mario", ruft er. Der Mann von eben kommt herein. Er sieht mir dabei nicht aus den Augen, als wolle er mir seine Macht demonstrieren. ,,Bring sie auf ihr Zimmer. Bis morgen Abend kriegt sie kein Essen, sag das den Bediensteten."
,,Zu Befehl, Don Vasco", sagt der große Mann nur, kommt auf mich zu und will mich wieder mitzerren, als Vasco mit einem ,Shht!' dazwischen geht und ihn warnend ansieht. ,,Sie kann alleine gehen, nicht wahr?", sagt er beim letzteren und sieht mich wieder so herrisch an. Er wartet ab, ob ich etwas sagen werde. Giftig sehe ich zurück, sage jedoch nichts. Der große Mann geht zur Seite und macht mir Platz. Zischend gehe ich an ihm vorbei in Richtung Tür. Dicht folgt der Wachmann mir und führt mich zurück zum Zimmer.

Kaum geht die Tür hinter mir zu, breche ich in Tränen aus. Schluchzend setze ich mich auf das gemachte Bett und kralle meine Hand verzweifelt in die Decke. Wieso tut er das? Was hat er davon mich hier so festzuhalten? Von wegen er hat Mitleid, ihm macht es Spaß mich so zu sehen! Oh Gott, dabei müsste ich eigentlich genau jetzt bei Ria sein. Sie fühlt sich bestimmt von allen allein gelassen. Sie ist doch noch so jung!
Aufgebracht ziehe ich diese hohen Schuhe aus und lege mich auf das Bett. Zusammengekauert schluchze ich und spüre wieder wie mir alles weh tut. Das Laufen eben hat mich sehr stark erschöpft und ich kriege langsam wieder diese Kopfschmerzen.

Er kann mich nicht in diesem Zimmer festhalten! Ich muss hier irgendwie raus!

LeyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt