C a u t i v o
23:12 Uhr
Ich weine vor mich hin, als ich gefesselt auf einem Stuhl sitze und noch immer diesen Sack über dem Kopf habe. Mein gebrochenes Handgelenk schmerzt so sehr, weil es durch die Fesseln fest zerdrückt wird. Ich sehe nichts, höre nichts und weiß nicht wo ich bin oder wer mich entführt hat. Ich wimmere auf, als ich höre wie eine Tür geöffnet wird und Schritte auf mich zukommen. ,,Detenerlo por favor! Bitte hört auf damit! Wer immer ihr auch seid!", weine ich flehend.
,,Shh ...", höre ich jemanden an meinem Ohr sagen. Mir wird der Sack vom Kopf gezogen. Ich sehe mich panisch um. Gefesselt sitze ich mitten in einer kleinen, ungepflegten Wohnung. Die Person die den Sack in der Hand hält, tritt hervor. Ich traue meinen Augen nicht. Koche vor Wut, habe aber auch große Angst. Vor allem aber, bin ich einfach nur angewidert.
,,Wie kannst du es wagen?!", brülle ich Sergio an. ,,Lass mich sofort frei Sergio oder ich schwöre dir-"
,,Was?", unterbricht er mich. ,,Was willst du tun? Dir wird niemand helfen Leya", sagt er mit gerunzelter Stirn und sieht mich aus seinen roten Augen gespannt an. Er hat etwas genommen, das erkenne ich sofort.
,,Du bist nicht bei klarem Verstand Sergio! Binde mich sofort los!", verlange ich wütend und versuche mich aus diesen Fesseln zu befreien. Mein Handgelenk schmerzt unter den Fesseln.
,,Du hattest deine Chance Leya. Ich habe dich immer nett gebeten meine Frau zu werden, aber du hast immer abgelehnt und mich behandelt als wäre ich ein Straßenköter!", sagt er aufgeregt und sieht mich aus seinen weit geöffneten Augen an. Wie kann man nur so widerlich sein? Als würde es nicht schon reichen, Papá getötet zu haben!
,,Du bist es nicht mal wert ein Köter genannt zu werden Sergio! Ich hasse dich, hast du verstanden?!", zische ich aufgebracht und wackle wütend hin und her um die Fesseln zu lösen. Ich bereue es sofort, als ein erneuter Schmerz, ausgehend von meinem Handgelenk, meinen ganzen Arm durchzuckt. ,,Na schön, okay. Binde mich los und ich erzähle niemandem davon, na los!", füge ich unter zusammen gepressten Zähnen hinzu.
,,Nein", flüstert er und fängt plötzlich an mich zu berühren. Angewidert sage ich ihm, der er das sofort lassen soll. ,,Endlich gehörst du mir", murmelt er und lächelt wie in Trance. Panik breitet sich in mir aus.
,,Hör auf damit! Fass mich nicht an!", zische ich als er seine Hand durch meine Haare fährt. Ich war noch nie so angewidert.
,,Hättest du einfach ja gesagt, wäre es viel einfacher gewesen", murmelt er nachdenklich und sieht mir dann in die Augen. Wutentbrannt antworte ich ihm.
,,Lieber sterbe ich als dich zu heiraten! Hast du mich verstanden?! Ich hasse dich!" Plötzlich landet seine flache Hand hart auf meiner Wange. Er hat mich geohrfeigt.
,,Du wirst noch lernen mich zu lieben Leya", sagt er und berührt die Stelle an meiner Wange. Er hat mich auf die selbe Stelle geohrfeigt, die schon bereits blau geworden ist von den Schlägen in der Nacht von Vaters Tod. Die Stelle pocht stark und mein Kiefer tut weh. Bei jeder kleinsten Bewegung schmerzt mein Handgelenk, dass schon seit mehreren Tagen angeschwollen und voller Blutergüsse ist. Ich bin wie benebelt nach dem Schlag. Mein Kopf dreht sich, mir wird übel und ich bin kurz davor ohnmächtig zu werden. Ich spüre seine Hände auf meinen Oberschenkeln, kann mich aber vor Benommenheit kaum wehren.
,,Am liebsten würde ich dich jetzt einfach ausziehen Leya", sagt er gierig und atmet schnell ein und aus. Ich schüttle wimmernd den Kopf, kaum im Stande etwas zu sagen.
,,Aber noch nicht ...", flüstert er. ,,Du musst dich erst einmal an dein neues Zuhause gewöhnen, nicht wahr? Wenn es soweit ist holen wir auch deine Schwester und kümmern uns um sie. Wir werden eine Familie Leya", versucht er mir allen ernstes einzutrichtern. Als ich höre, dass er über Ria spricht, drohe ich ihm. ,,Wehe du wagst es Ria auch nur anzurühren!" Er lacht auf und streicht mit seinen Fingern über meinen Arm. Mir dreht sich der Magen um.
,,Genau das liebe ich an dir. Du bist so schwer zu zähmen", sagt er amüsiert. Er geht zu einem Tisch der im Wohnzimmer steht und öffnet ein kleines Päckchen mit weißem Pulver. Grinsend formt er es mit einem Stück Pappe zu einer Linie und zieht es sich durch die Nase. Fassungslos sehe ich ihm dabei zu wie er die Augen schließt und mehrmals die Luft scharf in die Nase zieht, um alle Reste wirklich in sich aufzunehmen.
,,Willst du auch mal?", fragt er mich als würde er mir ein Glas Alkohol anbieten.
,,Das ist das reinste Zeug, das es hier gibt. Die Konkurrenz hat dagegen keine Chance", erklärt er begeistert mit seinem eingefrorenen Grinsen. Ich schüttle den Kopf und lehne ab, als er mir ein Päckchen vor mein Gesicht hält. Er lacht. ,,Stimmt, du bist ein gutes Mädchen. Nicht wie diese ganzen putas da draußen", schwärmt er.
,,Bitte Sergio, lass mich frei. Ich verspreche ich sag's auch niemandem, ja? Komm schon Sergio", versuche ich es jetzt netter. Er kommt wieder zu mir und kniet sich hin.
,,Geht doch", sagt er zufrieden. ,,Dieser Ton steht dir viel mehr Leya."
Er betrachtet mich von oben bis unten und leckt sich über die Lippen. ,,Niemals lasse ich dich gehen", flüstert er und wischt mir die Tränen weg. Angeekelt drehe ich mein Gesicht weg, will nicht, dass dieser widerliche Kerl mich berührt.
,,Es wird Zeit zu schlafen. Morgen sieht die Welt schon viel besser aus, glaub' mir", sagt er überzeugt. Er knebelt mich mit einem Tuch und steht auf. Grinsend macht er das Licht aus und legt sich auf die Couch rechts neben mir. Während er liegt, lacht und flüstert er leise vor sich hin. Ein Schauer läuft mir den Rücken hinab. Ich werde von Panik ergriffen, sodass ich mich nicht einmal traue mich zu bewegen. Und so vergehen Stunden, ohne dass ich ein Auge zu kriege und gefesselt in der Dunkelheit verweile, machtlos.× × × × ×
08:13 Uhr
Mein Schädel brummt als die warmen Sonnenstrahlen mir am morgen ins Gesicht strahlen und mich aus meiner Trance holen. Sergio schläft tief und fest. Ich habe nun klaren Blick auf meine Umgebung. Das Wohnzimmer besteht aus einer Couch, einem Tisch und einem Fernseher dass auf einem Holzkasten steht. Bierflaschen sind auf dem Boden verteilt, die offene Küche ist dreckig und voller Müll und es riecht sehr streng. Die Wände sind, oder waren mal weiß. Mittlerweile sind sie schon Gelb wegen dem Zigarettenrauch das an der Wandfarbe haftet. Die Decke ist brüchig und eine Glühbirne hängt herunter. Die Gardinen sind alt und schmutzig. Ausgedrückte Zigaretten liegen in mehreren vollen Aschenbechern und Zeitungspapier liegt überall herum. Hier und da sieht man kleine leere Plastiktüten. Auf dem Tisch erkennt man Marihuana, Pulver und ein Stapel Geld. Sergios dreckige Klamotten liegen überall herum. Voller Ekel verziehe ich das Gesicht. Ich bin in einem Saustall. Wie kann er so etwas ekelhaftes als sein Zuhause bezeichnen?
Erschöpft suche ich nach einem Weg, um hier raus zu kommen. Aus dem Fenster erkennt man, dass wir ungefähr im zweiten Stock sind. Zu erkennen ist eine schmale, mir unbekannte Straße. Ich bin wahrscheinlich in einer abgelegenen Wohngegend. Ich versuche mich von meinen Fesseln zu befreien, aber das gelingt mir mit einem verletzten Handgelenk überhaupt nicht. Mich hält der Schmerz jedes Mal auf, egal wie vorsichtig ich es angehe. Ich versuche es an meinen gefesselten Beinen, als plötzlich ein Handy klingelt. Ich bleibe still und sehe zu Sergio. Er schläft tief und fest, scheint das laute Geräusch überhaupt nicht wahrzunehmen. Die Person ruft ihn mehrmals an, lässt es aber schließlich sein, als niemand ran geht. Ich versuche es weiter, meine Beine irgendwie frei zu kriegen, aber die Fesseln sind zu eng.
Ich denke an Ria, die vielleicht schon wach ist und sich fragt wo ich bin. Genau jetzt sollte sie doch nicht alleine sein. Sie fühlt sich bestimmt einsam. Ich meine, sie wird aufwachen, durch das Haus gehen und weder Papá, noch mich auffinden können. Außerdem sollte ich doch heute zur Arbeit! Sie werden mich jetzt bestimmt rausschmeißen...
Meine Gedanken werden unterbrochen, als Sergio sich auf der Couch bewegt und schließlich seine Augen öffnet. Er setzt sich auf und sieht mich an. Er lächelt.
Nachdem er sich gemütlich streckt, steht er auf und kommt zu mir, als würde er mich provozieren wollen.
,,Gut geschlafen?", fragt er schadenfroh und scheint nicht mehr unter Drogen zu sein. Er zieht das Tuch aus meinem Mund. Ich schreie ihn an.
,,Lass mich sofort frei! Hilfe! Hilfe!", rufe ich so laut es geht. Er legt seine Hand auf meinen Mund und dämpft die Schreie.,,Pshht! Die Nachbarn schlafen noch", sagt er provokant und lacht selbstgefällig. Ich blicke ihn giftig an, hasserfüllt.
,,Komm, ich mache dir Frühstück", sagt er, streichelt mir über die Haare und knebelt mich erneut mit dem Tuch. Er geht zum Kühlschrank und nimmt sich Eier heraus. Dann nimmt er sich irgendeine schmutzige Pfanne, hält es etwas unter dem Wasserstrahl und benutzt es um die Eier darin zu braten.
Wütend wackle ich hin und her, aber das bringt mir nichts außer den Schmerz meiner Verletzung zu intensivieren. Ich spüre auch inzwischen, wie meine Wange wieder anschwillt, dabei war ich so froh, als die Schwellung vor drei Tagen aufgehört hat. Die Stelle brennt immer noch höllisch.
,,Ich hoffe du magst Spiegelei Leya. Entschuldige die Unordnung", sagt er und dreht such kurz zu mir. Ich schenke ihm keine Beachtung. Pfeifend bratet er die Eier und nimmt die Pfanne vom Herd. Er teilt das Spiegelei und wickelt die eine Hälfte in eine Tortilla. Er kommt mit dem Teller zu mir. Die ganze Zeit beobachte ich ihn misstrauisch.
,,Schreien bringt dir nichts Leya, niemand wird dir helfen", sagt er und nimmt das Tuch erneut aus meinem Mund. Er hält mir das in Brot gewickelte Spiegelei vor das Gesicht. Ich drehe meinen Kopf weg.
,,Jetzt hör auf dich so anzustellen, willst du etwa verhungern?"
,,Ja, wenn es sein muss! Immer noch besser als von dir gefüttert zu werden", zische ich zornig. Er schüttelt seufzend den Kopf.
,,Du weißt dass es besser für dich ist bei mir zu bleiben. Bei mir müsstest du nicht mal arbeiten. Ich verdiene genug um für dich zu sorgen. Und natürlich auch für deine Schwester."
,,Rede nicht von meiner Schwester, cobarde! (..., Feigling!)", befehle ich ihm wütend.
,,Ich bin ein Feigling?", fragt er aufgebracht.
,,Ja!", entgegne ich provokant. Er zischt aufgebracht und steht auf. ,,Dann verhungere doch! Früher oder später wirst du mich anflehen dich zu füttern!"
Er stellt den Teller auf der vollen Küchentheke ab und geht aus dem Wohnzimmer. Er geht ins Bad.Ich muss mich irgendwie befreien!
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Leya
RomantizmZwischen den Schulden ihres Vaters, der Arbeit auf dem Feld und der Erziehung ihrer kleinen Schwester, fehlt es Leya trotz allem an nichts. Wie viele andere mexikanische Familien in Culiacan, verdient sich Leya ihr Geld mit Schweiß und Blut, um ihre...