Amanda»Baby! Aufstehen!«
Wenn ich eines an Mum hasse, dann ist das die Freude um sechs Uhr aufzustehen. Ihr innerer Alarm ist so programmiert, dass sie es jeden Morgen schafft, früh genug aufzustehen um Leo, mich und sogar Dad zu wecken.
Ich hasse es jeden Morgen mit zermatschtem Gesicht und verquollenen Augen an ihrer frisch duftenden Gestalt entlang zum Bad zu schlurfen. Manchmal würde ich sie für ihr strahlendes Lächeln am liebsten schlagen.
Aber dafür wäre ich um diese Uhrzeit zu schwach.»Amanda, ich sage es nur noch einmal, du musst aufstehen!«
Meine Zimmertür klappt auf und ich schrecke so ruckartig mit dem Kopf hoch, dass ich mit dem Hinterkopf gegen die Wand schlage. Der Schmerz folgt nach drei dumpfen Sekunden und lässt mich seufzen.
»Bin ja schon wach ...«, murmle ich genervt und kneife meine Augen bei der Helligkeit in meinem Zimmer sofort wieder zu.
»Hast du etwa im Sitzen und mit Klamotten geschlafen?«
Nein, so sehe ich nur aus.
Als Antwort scheint Mum mein Nicken zu genügen, denn als sie es registriert verlässt sie kopfschüttelnd mein Reich der Träume und schreit nach Dad, dem es morgens ähnlich geht wie mir.Aufstehen? - Thank you, next!
Ich richte mich nach einigen Minuten Halbschlaf endlich auf und versuche das Bett zu verlassen. Viel zu spät entdecke ich das schwarze Fellbündel in meinem Schoß, sodass dieses mit samt mir vom Bett fällt und ärgerlich losfaucht.
Guten Morgen, Morle.Anders als ich landet sie allerdings auf den Beinen und schafft es ohne Müdigkeit mein Zimmer zu durchqueren und sich auf die Fensterbank zu bequemen, um dort seelenruhig weiterzuschlafen.
Ich wäre auch gerne eine Katze. Den lieben langen Tag nichts tun und Menschen giftig anstarren. Mehr will man doch gar nicht im Leben, oder?Als Mum ein drittes Mal schreit verwerfe ich meine Gedanken, rapple mich eilig auf und verschwinde mit frischen Klamotten im Badezimmer. Im Schnelldurchlauf ziehe ich mich um und richte meine blonden Haare, die selbst nach dieser Nacht aussehen, als hätte ich in einem Dornenbusch geschlafen. Als sie einigermaßen normal liegen, lasse ich Leo endlich ins Bad und gehe selbst in die Küche runter.
Mum sitzt friedlich frühstückend am Esstisch.
Dad steht in Pyjama neben der Kaffeemaschine und trinkt seine tägliche Dosis Koffein.
Obwohl Mum es nicht gerne sieht, wenn ich Kaffee trinke, laufe ich heute morgen direkt in Dads Richtung und zwacke ihm bei einem Blick auf die Küchenuhr die eigene Tasse ab.
Schon halb sieben. Shit.»Ey!«, beschwert sich Dad, als ich ihm die halb volle Tasse aus der Hand reiße und sie für ihn leere.
»Das war mein Kaffee«, schmollt er, als ich ihm die leere Tasse zurückgebe und einen Kuss auf seine Wange hauche.
»Danke, Pops.«
Er grummelt ärgerlich, wünscht mir letztendlich aber einen erfolgreichen Tag und dreht sich dann zurück zur Kaffeemaschine, um seine Tasse neu aufzufüllen.
Mum bekommt für ihre mörderische Aufweck-Aktion heute keinen Kuss.
In meinem Zimmer verabschiede ich nur noch Morle, die mir bis heute Abend bestimmt verziehen hat, dass ich sie eben aus dem Bett geschmissen habe.
»Tschüss, Grummel«, murmle ich, während ich mir meine Tasche über die Schulter werfe und sie hinter den Ohren kraule. Sie klopft zum Abschied nur wieder gegen meine Fensterscheibe.Als ich das Haus verlasse, bläst mir der kühle Nordseewind die Haare auf und weht mir in den Rücken, als ich mit dem Fahrrad das Grundstück verlasse. Auf zwei Rädern brauche ich bis zur Schule knapp zwanzig Minuten. Dank der vielen Fahrradstraßen, die es entlang des Kanals gibt, komme ich manchmal auch mit guten zehn hin.
Heute brauche ich fünfzehn Minuten, weil ich auf halbem Weg abbiege und mir im Supermarkt noch ein Croissant kaufe. Mit dem Rucksack auf dem Rücken, Kopfhörern in den Ohren und warmem Blätterteig im Mund, biege ich auf den Schulhof und schließe mein Fahrrad ans Ende einer ellenlangen Schlange von Bikes.

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SHOULDER TO SHOULDER
Romance»And I swear, I won't leave, till it's over. I'll be here with you - shoulder to shoulder.« (Tate McRae) Amanda kämpft sich restlos durch den Alltag einer Sechzehnjährigen. Schule, nervige Geschwister, teuflische Haustiere und dann auch noch ihre t...