31|| ÜBERRASCHUNGSBESUCH

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Amanda

Morle schnurrt.
Das macht sie nie, wenn ich sie von ihrer geliebten Fensterbank zerre und mit mir aufs Bett hebe.
Aber heute schnurrt sie. Und heute liegt sie auch vollkommen ruhig in meinen Armen und schmiegt sich an mich.
Ich weiß, warum sie das tut – Ich rieche nach Carter – aber heute ist mir ihr Verrat egal.
Ich kann darüber hinwegsehen, weil ich glücklich bin.
Ich bin einfach nur glücklich.

Kilian hat den Nachbarschulen endlich zeigen können, was in unserer Fußballmannschaft steckt,
Leo hat die Woche über fleißig das ABC geübt und kann mittlerweile flüssig ihren und meinen Namen schreiben,
Mum wurde auf der Arbeit für ein neues Projekt befördert,
Dad hat seine Leidenschaft für den Garten entdeckt, Carter ist wieder aufgetaucht und hat in seiner neuen Mannschaft großen Erfolg gefeiert und ich ... ich bin endlich ein wenig aus meinem Schneckenhaus gekrochen und habe meinen Mund aufbekommen, um für einen meiner engsten Freunde einzustehen und ihm zu helfen.

Die Woche bis zu diesem Donnerstag ist viel passiert.
Heute ist viel passiert.
Und ich kann nicht ermessen, wie beeindruckt ich bin, wie viel seit dem Zeitpunkt passiert ist, als ich Carter das erste Mal begegnet bin.
Es ist unglaublich, was eine kleine simple Sache auf einer kleinen simplen Geburtstagsfeier verändern kann.

Wenn ich Carter auf dem Geburtstag seiner Oma nicht umgelaufen hätte, wenn ich jemand anderes angerempelt hätte, dann säße ich jetzt nicht hier und würde an die Decke lächeln, als seie Carter direkt neben mir.
Wenn er mich niemals zum Tanzen aufgefordert hätte, wenn es niemand getan hätte, dann wäre ich vermutlich noch immer die Amanda, die ich vor knapp zwei Monaten war.

Unermesslich wie das Leben spielt.
Unglaublich was geschieht.
Unfassbar was für große Wunder die kleinsten Dinge vollbringen können.

Carter ist dieses Wunder.

Er ist einer von den Guten.

»Amanda!«

Mums laute Stimme ruft mich von unten und lässt Morle unzufrieden Knurren, als ich mich bewege.

»Was ist denn?«, rufe ich zurück und ignoriere Morles Killerblick, der mir Kugeln in den Kopf zu schießen scheint.
Sie verhält sich wirklich äußerst merkwürdig, wenn sie einmal in drei Jahren kuscheln will.

»Du hast Besuch! Komm runter!«

Was?
Besuch?
Verwirrt ziehen sich meine Augenbrauen zusammen. Wer kommt denn um sieben Uhr abends noch auf die Idee mich zu besuchen?

Neugierig schiebe ich Morle von mir und erhebe mich, um in meinen bunten Kuschelsocken durch den Flur zu schlittern und dann die Treppe hinunterzuhopsen.

Mom erwartet mich am Treppenansatz und grinst verschwörerisch. Sie hat einen Blick aufgesetzt, den man in seinen Ohren laut und quietschig kreischen hören kann. Was hat sie denn?

Mich wundernd laufe ich um die Ecke zur Haustür und halte dann direkt inne, als ich sehe, wer im Türrahmen lehnt und sich mit einem amüsierten Lächeln mit meinem Dad unterhält.

Er hat noch immer seine Sportklamotten an.
Das weiße Trikot, das mit den Muskeln darunter zu spielen scheint und die kurze schwarze Short, die einen heißen Blick auf seine muskulösen Beine gibt. Er sieht zum Anbeißen aus. Seine leicht verschwitzten Locken, sein so gebräuntes Gesicht, das in der angehenden Dunkelheit noch dunkler zu sein scheint, seine lockere und vertraute Haltung. Losgelöst, fröhlich und frei.
Er sieht glücklich aus.
Er sieht gut aus.
Er sieht so aus, wie Carter eben aussieht.

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