29|| IDEEN UND BESCHLÜSSE

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Amanda

Carter hat recht behalten.
Oh, ja, und wie er recht behalten hat.

Von seinem ersten Kuss spricht man nicht. Von seinem ersten Kuss träumt man.

Und wie ich geträumt habe.

Erst gegen sechs Uhr in der Frühe sind wir wieder zuhause aufgelaufen. Die gesamte Rasselbande ist auf dem Sofa eingeschlafen und hat dort Kopf an Kopf gelegen, immer wieder murmelnd, sie müssten wachbleiben, bis die Kinder wieder auftauchen.

Carter und ich haben uns ins Fäustchen gelacht, ehe er sich zu seiner Grandma auf das Sofa gesetzt und ihre schlafende Gestalt fest in seine Arme genommen hat.

Sie ist sofort aus dem Halbschlaf gestreckt und hat sich weinend seiner Nähe angenommen und dieser Moment war so privat, so intim und bedrückend, dass ich die schlafende Leo hochgehoben und mich mit ihr aus dem Staub gemacht habe, um sie ins Bett zu bringen und Carter einen Moment allein mit seiner Oma zu geben.

Als ich wieder heruntergekommen bin, waren beide verschwunden.
Ohne ein Wort haben sie das Haus verlassen, was mir einen kleinen Dämpfer für den Tag verpasst hat, aber ich konnte es auch verstehen.

Jetzt ist Montag und wir alle sitzen wie gerädert am Frühstückstisch und schlürfen unsren Kaffee – sogar Mum!
Zu meinem Glück habe ich die ersten beiden Stunden frei und Dad heute ebenfalls eine Nachmittagsschicht, dass er mich mit dem Auto zur Schule bringen kann.

Die dritte Schulstunde beginnt wegen der großen Pause dazwischen erst um halb zehn, so habe ich knapp drei Stunden schlafen können und von den Ereignissen der letzten Nacht träumen und den Geschmack von warmen Lippen auf meinen und dem puren Gefühl der Geborgenheit Revue passieren lassen.

Ich sitze ausgelaugt und müde am Frühstückstisch, aber gleichzeitig bin ich auch sehr verträumt und froh über gestern.
Wie es nun weitergehen wird, ist mir nicht klar und ich glaube auch Carter hat keinen genauen Plan, aber für heute ist auch erstmal nur wichtig, dass er sich ausruht und mit seiner Oma spricht.

Die beiden haben sich viel zu erzählen, sich beizustehen und in den Arm zu nehmen.
Jetzt, im Moment, gibt es nur Melania und Carter und es ist wichtig, dass sie beide sich aufeinander verlassen.
Ich habe beschlossen, von diesem Kuss nicht allzu viel zu erwarten. Ich weiß nicht, wie Carter über mich empfindet, ob er oder gar ich schon von Verliebtheit sprechen können, oder ob dieser Kuss nicht nur aus dem Impuls heraus geschehen ist.

Ich will mir weder Hoffnung machen, noch mich in etwas hineinsteigern.
Ich weiß selbst nicht, was ich zu diesem unbeschreiblichen Gefühl sagen kann und das Carter dann eine Antwort auf unsere Anziehung zu einander hat, kann ich nicht erwarten.

Für den Moment stelle ich das alles auch an letzte Stelle.
Hier zählen nur Carter und die Gebete, dass seine Mutter wieder aus dem Koma erwacht.

»Sind Tante Melania und Carti jetzt für immer traurig, wenn seine Mama stirbt?«, fragt Leo und zerpflückt ihr Brötchen mit Käse in kleinere Stücke bevor sie es isst.

Heute hat sie sich allein angezogen und das ist an ihrem kunterbunten Aussehen auch nicht zu übersehen.
Eine regenbogenfarbene Strumpfhose, darüber ein knalligpinkes Stoffkleid mit einem glitzernden Pferd drauf, ihre Lieblingsballerinas in hellgrün mit den roten Schleifchen drauf und zu guter letzt der schicke Haarreif mit den lila Blümchen drauf.

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