Kapitel 2

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Mark

Das war gestern schlimm mit Laila und ihren Süßigkeiten. Gerade warte ich auf Laila, die jeden Moment von der Schule kommen sollte, Lena wartet im Auto, damit sie niemand sehen kann.Da kommt sie auch gerade, drückt mir ihre Schultasche in die Hand und verschwindet ohne ein Wort zu sagen im Auto. Wunderte mich gerade nicht sehr, da ich irgendwie wusste, was passiert sein muss.

Ich steige nun auch ins Auto und frage sie, was los war. „Lisa und Julia?" Sie nickt und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. „Papa, können wir jetzt bitte einkaufen gehen und später reden? Sonst mag ich nicht mehr einkaufen gehen." Jetzt ergreift Lena das Wort und redete für mich. „Klar machen wir das Maus. Mark, worauf wartest du noch? Jetzt fahr los, die Einkäufe erledigen sich nicht von alleine." Das bringt uns alle zum Lachen, auch Laila.

Einfach schlimm zu sehen, wenn sie so traurig und fertig ist. Als wir ankommen und aussteigen, nehme ich sie sofort auf meinen Arm, um sie einfach etwas zu trösten. Genau in diesem Moment spüre ich, dass sie gar keine Worte von mir braucht, sondern nur diese eine Umarmung, die ihr für eine Weile mehr Kraft gibt. Ganz entspannt wirkt sie danach und flüstert mir ein leises „Danke Papa," ins Ohr.

Sie nimmt Lena und mich an die Hand, doch im Laden löst sie sich und möchte alleine schauen. Erst sucht sie sich Gemüse aus und etwas Obst, anschließend möchte sie woanders weiterschauen. Lena und ich denken uns nichts weiter dabei und erlauben ihr, etwas alleine zu schauen, jedoch sollte sie nicht zu weit weg gehen.

Fünf Minuten später kommt sie auch wieder, vollgepackt mit Chips und Gummibärchen. „Die nehme ich alle," sagt sie lachend und grinst mich an. „Laila, du darfst etwas haben, etwas, aber nicht das alles!"

Laila

„Laila, du darfst etwas haben, etwas, aber nicht das alles!" sagt Papa etwas streng, muss dann aber auch etwas lachen. „Wieso denn nicht? Ich brauche Zucker, Papa bitte, nur ein bisschen, zehn Tüten Gummibärchen? Die reichen für zwei Tage." Ich habe vielleicht etwas übertrieben, zehn Tüten Gummibärchen würden für vier Tage reichen bei mir, länger aber nicht.

Jetzt mischt sich auch Lena ein, die das nicht fassen kann. „Zehn Tüten in zwei Tagen? Du musst etwas anständiges essen, nicht nur Süßigkeiten, du Zuckermaus." „Aber Lena, ich habe doch schon Obst und Gemüse ausgesucht, das reicht und jetzt sind Gummibärchen dran." Ich verschränke beide Arme, werfe ihnen einen bösen Blick zu und schmeiße alles in den Einkaufswagen.

„Laila, das ist zu viel, bring das bitte wieder zurück!" Papa wird ganz ernst, auch ein klein wenig lauter und das macht mir Angst. „Man Papa, ich möchte das aber haben. Lass mich doch auch mal aussuchen! Ich bin doch kein kleines Kind mehr." Einmal, nur einmal möchte ich mir auch mal was aussuchen. Klein bin ich nicht mehr und Papa geht meistens einkaufen, wenn ich in der Schule bin.

„Bring das zurück hab ich gesagt!" Wütend zeigt er mit einem Finger auf die Gummibärchen und die Chips. „Nein, mach' ich nicht. Warum sollte ich? Nenn mir acht verschiedene Gründe, wieso ich das machen sollte." Wenn er die nicht findet, mache ich hier nichts mehr.

„Laila Maria wird's bald. Bring jetzt die Sachen zurück, sonst darfst du nichts mehr haben!" Boah, ich hasse es, wenn er meinen Zweitnamen sagt, der gefällt mir gar nicht und das weiß er auch. Er macht mir richtig Angst und traurig auch. Dabei weiß er doch, wie schlecht es mir geht.

Da nehme ich die ganzen Tüten aus dem Wagen, bringe sie zurück und versuche mir nicht anmerken zulassen, wie schlecht es mir dabei geht. Ich könnte heulen, doch Papa soll sich darüber keine Gedanken machen, er soll seine Zeit nicht mit mir verschwenden.

„Schatz, du darfst eine Packung Gummibärchen haben, aber so viel ist doch nicht gut. Alles gut bei dir?" Er legt seinen Arm um mich und ist plötzlich wieder ganz ruhig. Trotzdem ist meine Angst noch da, die ich mir aber nicht anmerken lasse. „Alles gut, Papa, können wir bezahlen gehen oder brauchst du noch etwas?"

Zum Glück sind wir fertig, können bezahlen gehen und anschließend nach Hause gehen, wo Kiwi schon auf uns wartet. Zusammen mit Kiwi gehe ich auf mein Zimmer, lege mich auf mein Bett und lasse meinen Tränen freien Lauf.

Mit jemandem reden kann und möchte ich nicht. Niemand würde das verstehen, niemand würde mich verstehen. Alles ist doof. Mein Schultag war einfach sehr schlimm, dann noch das beim einkaufen. Ich dachte ernsthaft, ich könnte dagegen ankämpfen und wäre stark genug. Aber nein, ich bin ein schwaches kleines Mädchen, das einfach nichts kann.

Wenigstens habe ich Kiwi, die mich wie es scheint auch versteht. Kurz schleckt sie mir einmal über mein Gesicht, legt sich dann auf meinen Bauch und schaut mich mit ihrem süßen Blick an.

„Ach Kiwi, was würde ich denn nur ohne dich machen?" seufze ich und weine noch mehr. Sie macht sich wieder kurz mit einem bellen bemerkbar und legt ihren Kopf ab, so kann ich sie richtig streicheln.

Irgendetwas sagt mir, dass mein Papa und Lena mir nicht helfen können, beide wissen bestimmt nicht, was sie da sagen und verstehen mich gar nicht. Niemand weiß, wie sich das wirklich anfühlt.

Jeder sagt, er würde mich verstehen, jeder ist der Meinung, dass alles besser wird und es halb so schlimm ist. Aber sind die Menschen ich? Nein, sind sie nicht. Niemand weiß, wie man sich dabei fühlt, außer man hat sowas erlebt wie ich, dann könnte man es genau nachvollziehen, dann weiß man ungefähr, wie ich mich fühle. Papa und Lena können doch so gar nicht wissen, wie schlecht ich mich fühle und wie es mir wirklich geht.

Schon wieder fängt alles von vorne an, irgendwann reicht es mir, ich kann das nicht mehr. Irgendwann bin ich auch am Ende und weiß nicht mehr, was ich noch machen kann. Zwar habe ich Freunde, echt gute Freunde, was mir etwas hilft, trotzdem geht es immer weiter. Liliana ist nun auch davon betroffen und das wegen mir, ich bin an allem Schuld. Wegen mir passiert ihr wieder sowas, was ihr damals auch passierte. Wir beide sind hilflos und haben nur noch Elea und Kayla, die jedoch auch nichts machen können.

Gerade könnte ich noch mehr heulen, schreien und alles zerstören. Am liebsten würde ich meine ganze Klasse umbringen oder auf den Mond schießen und dort oben sterben lassen. Ich hasse meine Klasse abgrundtief und möchte gar nicht mehr zur Schule gehen. Klasse wechseln ist auch keine Option, Schule wechseln wäre am besten, doch das würde Papa mir sicher nicht erlauben. Gerade klopft es plötzlich auch an der Tür.

Die Zeit danach (Lenark)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt