Kapitel 5

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Als Polarise erwachte, war es bereits stockdunkel draußen und die Sterne bedeckten strahlend den Himmel. "Ah du bist wach!" bemerkte seine Lehrerin erstaunt. Sie stand im Türrahmen in ihrem Nachtgewand und blickte erwartungsvoll auf ihren zerschundenen Schüler herunter. Ohne ein Wort zu entgegnen, stand Polarise auf und zwang sich in seine Rüstung. All seine Gliedmaßen rebellierten, doch er ignorierte den Schmerz, weil er wusste, dass ihm eine weitere sehr harte Trainingseinlage erwartete. Unter dem Gewand seiner Lehrerin sah er jedoch zu seinem Erstaunen nicht ihr Trainingsschwert, sondern ihr wahrhaftiges Schwert, welches sie nur für Zeremonien nutzte und unter dem Namen der "schimmernden Drachenzunge" bekannt war. Pure Angst erfasste nun Polarises Körper. Sie breitete sich von dem tiefsten Inneren seiner Brust aus und ging pulsierend durch seinen Körper bis in die letzten Haarspitzen. Er konnte nur noch schnapphaft atmen und ihn erfasste die Panik an seiner eigenen Angst zu ersticken. Er hatte seine Lehrerin auch nach zwei Jahren der Ausbildung nicht ein einziges Mal ihr Schwert tragen sehen. Tausend Gedanken fluteten durch Polarises von Angst durchdrungenem Körper. "Kommst du? Du kannst mich hier nicht ewig stehen lassen. Wir haben weitaus wichtigeres zu tun." drängte ihn Sodoka. Nach diesen Worten drehte sie sich zum Gehen um ohne ein weiteres Mal zurückzublicken. Sofort rührte Polarise sich aus den unsichtbaren, lähmenden Fängen der Angst. Er steckte seine Übungswaffen in die speziell für ihn angefertigte Rüstung aus Leder. Danach stürmte er hinter seiner Meisterin hinterher, um sie noch rechtzeitig einholen zu können. Sie wartete unten vor dem Eingang des Gebäudes auf ihn. "Ich muss mit dir etwas wichtiges besprechen." sagte sie und bedeutete ihm sich zu ihr zu gesellen. Sobald er neben ihr stand sagte sie: "Los lass uns ein Stück gehen. Ich möchte dir etwas zeigen." Sie liefen zusammen den gewaltigen Hang auf dem die Pagode stand hinunter. Stillschweigend gingen sie neben einander her und Polarise wartete geduldig darauf bis seine Lehrerin das Gespräch, welches ihr so wichtig war, eröffnete. Doch sie lief einfach geradeaus weiter ohne ein weiteres Wort zu sagen oder ihn nur eines Blickes zu würdigen. Sie liefen immer länger und länger bis sie schließlich das Ende des Hangs erreichten. Polarise schätzte, dass schon mehr als zwei Stunden vergangen sein mussten. Plötzlich drehte sich Sodaka und lief geradezu auf die einschüchternd große Felswand des Hangs zu. Sie umrundeten zusammen den Hang bis sie schließlich mehrere hundert Meter direkt unter der Pagode gegenüber einer Felswand standen. Ein Sturz von dort oben würde definitiv tödlich für jeden enden dachte sich Polarise. Immer noch unschlüssig was er eigentlich mitten in der Nacht hier unten machte. Das bedrohliche Schweigen zwischen den beiden wurde immer angespannter und war fast zum Greifen nahe. Polarise wurde immer ungeduldiger und aufgeregter. Gerade als er etwas sagen wollte, um die eiskalten Ketten des Schweigens zu brechen antwortete seine Lehrerin, von Ehrfurcht ergriffen, mit "Wir sind da."

"Wo sind wir denn?" fragte Polarise, sichtlich nervös. Als Antwort daraufhin fing seine Meisterin an einen Zauberspruch in einer ihm unbekannten Sprache zu sprechen. Hoch und glockenhell klang ihre Stimme über die totenstille Landschaft und schien sie zum Leben zu erwecken. Nachdem sie fertig gesprochen hatte passierte zuerst nichts. Sie drehte sich zum ersten Mal nach Stunden wieder zu Polarise um und blickte ihm tief in die Augen. "Komm mit." betete sie ihn und streckte ihm ihre Hand entgegen. Sofort nach dieser Geste fing der Boden an zu vibrieren und winzige Kieselsteine tanzten ihren unbändigen Tanz auf der erkalteten Oberfläche des Grunds während ein tiefes Grummeln durch die Landschaft ging. Vor den beiden Kriegern öffnete sich ein riesiges Tor direkt im Stein, dass in eine gigantische Höhle führte. Polarise packte die Hand Sodakas und sie rann in die Höhle während sie den erschreckten Polarise hinter sich herzog. In der Höhle beleuchteten riesige blaue Kristalle die Höhlendecke und schauten in allen Größen und Formen aus dem spitzen Gestein. Das ferne Geräusch von Regen war zu vernehmen. Oder zumindest ein leichtes Tropfen, welches durch die Höhle hallte und ihr etwas geisterhaftes verlieh. Bald schon gelangen die beiden an einen schimmernden See inmitten der Höhle. Auch der See leuchtete in einem gespenstisch blauem Licht und Lichtflecken tanzten über die winzigen Wellenwogen. Ein riesiger Baum entsprang dem See und erfüllte den Raum mit Leben. Sein Stamm war dicker als Polarises und Sodakas Körper zusammen. Sofort zog Sodaka ihre Hand aus Polarises und drehte sich zu ihm um. "Wir sind hier in der Halle der Prüfungen. Hier nehme ich meinen Schülern ihre verschiedenen Prüfungen ab. Sie wurde vor Ewigkeiten von Vorfahren meiner Familie entdeckt und seitdem für diese Zwecke genutzt." Polarise erschrak bei dem Gedanken nun eine Prüfung ablegen zu müssen. Das war bei ihm noch nie nötig gewesen. Worin besteht wohl meine Prüfung? Und warum muss ich sie machen? diese Fragen plagten ihn und erfüllten ihn mit derselben paralysierenden Angst wie vorhin in der Pagode. Jedoch ließ seine Meisterin mit den Antworten nicht lange auf sich warten. "Ich habe bei deinem Training gemerkt, dass ich dir nicht mehr weiter helfen kann. Ich kann dich langsam nicht mehr trainieren. Dafür bin ich nicht ausgebildet genug. Dein Kampfstil ist...sehr speziell und ungewöhnlich. Deswegen plane ich dich an einen alten Bekannten zu übergeben, der dich wesentlich besser ausbilden kann als ich es je könnte. Doch vorher muss ich sichergehen, dass du gut genug dafür bist und ich mich nicht irre." sagte seine Lehrerin betroffen und mit einem Hauch von Enttäuschung in ihrer Stimme. Die Nachricht traf Polarise wie einen Schlag. Ein neuer Lehrer? Warum? Bin ich einfach zu schlecht und sie hat keine Lust mehr auf mich? Will sie mich vieleicht einfach nur loswerden? Ich dachte ich hätte noch eine Menge von ihr zu lernen? Tiefe Traurigkeit erfüllte Polarise und Tränen bildeten sich in seinen Augen. Warum wusste selbst er nicht. "Bitte Polarise. Du weißt doch, dass ein wahrer Krieger nicht weint. Bitte weine nicht." Auch die Augen seiner Lehrerin waren verschwommen von ihren brennenden Tränen des Verlustes ihres über die Jahre liebgewonnenen Schülers. "Deine Prüfung ist es gegen mich zu kämpfen Polarise." Er schluckte seine Trauer runter und nickte zustimmend. "Jedoch habe ich vorher noch etwas für dich mein Schüler." Sie zog einen länglichen Gegenstand aus ihrem Gewand, den Polarise vorher noch nicht bemerkt hatte. Es war ein in feines Tuch eingewickelter Gegenstand den Sodaka ihm hinhielt. Als Polarise näher trat und mit zittrigen Händen den Gegenstand entgegen nahm und das Tuch entfernte erschrak er und ein Schrei blieb ihm in der Kehle stecken. Er hielt ein tiefschwarz, leicht im Angesicht der leuchtenden Gesteine in der Höhle, glänzendes geschmiedetes Schwert in den Händen. Die Arbeit war außerordentlich fein und in das Schwert wurden alle ihm bekannte Waffen und viele mehr in einer filigranen Arbeit eingraviert. "Es ist aus magischem Obsidian gefertigt. Es bleibt immer scharf du musst dich also nie um die Pflege des Schwertes kümmern. Da du das ja eh immer vergessen hast. Außerdem kann es die Form jeder dort eingravierten Waffe annehmen nur indem du dir die Waffe vorstellst. So kannst du viel schneller zwischen den Waffen wechseln. Probiere es mal aus!" Polarise, zu Tränen gerührt, stellte sich mit geschlossenen Augen vor, wie er ein Katana in den Händen hielt. Sofort, als er die Augen wieder afschlug hielt er ein schwarzes Katana aus Obsidian in der Hand. "Genau! Ich wusste, dass es intuitiv klappen würde!", bemerkte seine Lehrerin entzückt. "Danke. Sodaka. Für alles. Ich stehe tief in deiner Schuld für alles was du für mich getan hast und ich werde es nie vergessen." drangen die Worte aus Polarises Mund. "Doch jetzt zuerst die Prüfung Polarise! Zeig mir, dass du dieser Waffe würdig bist!" Leise zog sie ihr Katana, doch für Polarise war das Geräusch nahezu ohrenbetäubend als es sich das luftschneidende Geräusch durch die gesamte Höhle ausbreitete. Sodaka stellte sich in Kampfstellung auf und Polarises tat es ihr gleich. "Ich werde mit aller Macht gegen dich kämpfen also tue das bitte auch Polarise. Kämpfe als würdest du mich töten wollen. Sobald der erste Tropfen Blut fließt ist das Duell beendet und der Sieger wird bestimmt. Und jetzt...los!"

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