5. Kapitel | Light Yagami

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Er hatte ihn gefragt. Gleich am ersten Tag des Semesters, einfach so und ohne den Anschein zu wecken, dass das für ihn nicht normal war. Light hatte sich gerade in den Hörsaal seiner Vorlesung für Kriminalpsychologie gesetzt, Heft und Stift zutage befördert und innerlich schon überlegt, welche Verbrecher heute noch das Zeitliche segnen würden, da stand er auf einmal vor ihm. Erst hatte Light den Detektiv nicht einmal bemerkt, so versunken war er in seinen Gedanken gewesen, doch das Starren Ls kalter Augen konnte man auf lange Sicht eben nicht ausblenden. Dennoch, Light war überrascht, ihn so früh wiederzusehen, war gerade zu flatterig und dachte unwillkürlich daran, wie Sayu ihn das ganze Wochenende über aufgezogen hatte, dass er doch mal seine »geheime Liebe« nach einem Date fragen könnte. Wirklich unpassend in dieser Situation, das wusste er selbst. Also setzte er einfach ein freundliches Lächeln auf und versuchte damit, seine Gedanken unter einen Scheffel zu stellen.
»Morgen, Ryuga. Ich wusste gar nicht, dass du diesen Kurs auch belegst.«
Er ließ seinen Blick über den vermeintlichen Detektiv schweifen; selbes Shirt, selbe Jeans - er trug tatsächlich noch die gleichen Sachen, wie bei ihrer Eintrittsfeier. Dazu schien er sich heute Morgen auch nichtmal gekämmt zu haben, er war durch und durch schluderig. Konnte so ein Mensch wirklich seriöse Mordfälle bearbeiten und mit großen Weltorganisationen wie dem FBI oder Interpol zusammen arbeiten?
»Auch dir einen guten Morgen«, erwiderte L knapp und lächelte mal wieder sein süßes, geheimnisvolles Lächeln, was den Brünetten so aus der Fassung brachte.
»Ich finde auch, es ist ein schöner Zufall, dich so schnell wiederzusehen. Aber das trifft sich gut, ich wollte dich nämlich noch etwas fragen.«
In Lights Hals machte sich ein dicker Kloß breit und er wurde sichtlich nervös. Der Schwarzhaarige hatte doch nicht etwa etwas herausgefunden, was ihn im Fall Kira belasten konnte?  Er ballte unter dem Tisch die Hände zu Fäusten.
»Natürlich, was gibt es denn wichtiges?«
Gespannt machte er sich auf die Antwort gefasst und sah L dabei mit einem gezügelten Maß an Interesse an.
»Nun, ich habe gesehen, dass du in der Mittelschule Tennis gespielt hast. Zufälliger Weise bin ich darin auch ziemlich gut, also wollte ich dich nach einem Match fragen. Zum Kennenlernen.«
Jetzt mehr oder weniger perplex sah Light ihn ein. Hatte L ihn gerade wirklich nach einem Date gefragt? Aber halt, so war das auch nicht, rief er sich sofort in Erinnerung. Wahrscheinlich wollte der Detektiv ihn nur eine Weile ausspionieren, Lights Wesen durch seine Spieltechnik ergründen. Die konnte nämlich viel über einen verraten, das hatte der Brünette in der Mittelschule unweigerlich gelernt. Beim Sport machte sich eben wirklich bemerkbar, wer eine aggressive Persönlichkeit hatte oder einen krankhaften Ergeiz, zu gewinnen. L wollte ihn einschätzen, aber nicht, weil er Light interessant fand, sondern weil er ihn verdächtigte. Diese Erkenntnis tat irgendwie weh. Dennoch war es keine Option abzusagen, schließlich hatte nicht mal eine Ausrede, die L nicht umgehend überprüfen würde.
»Wenn du willst - ich habe kein Problem damit, nach langer Zeit mal wieder ein bisschen zu spielen«, lenkte er deshalb ein, auch wenn es ihm nicht gefiel. Unter anderen Umständen aber hätte er sich tatsächlich darüber gefreut.
»Sehr gut. Dann treffen wir uns Morgen nach den Vorlesungen auf dem Tennisplatz.«
L alias Ryuga lächelte ihn wieder kurz an, ehe er sich in die Bankreihe vor ihm setzte. Der Professor - ein gewisser Herr Fujita - war ebenfalls schon eingetroffen und erzählte ihnen nach an die Wand Schmeißung seiner PowerPoint-Präsentation irgendwelche  Fakten, die nur entfernt etwas mit Psychologie zutun hatten. Gelangweilt starrte Light deshalb auf L, den er von seinem Platz aus ja geradezu perfekt im Blickwinkel hatte. Der Detektiv saß in seiner üblichen zusammengekrümmten Haltung und starrte offensichtlich geradeaus nach vorn. Weder machte er sich Notizen, noch schien er von sonst etwas abgelenkt zu sein. Wirklich faszinierend, seine Konzentrationsfähigkeit, ging es Light durch den Kopf und er konnte trotzdem nicht anders, als auf Ls schmalen, hellen Nacken zu starren, den er hier so gut im Blick hatte.  Der Detektiv war wirklich dünn und seine Haut geradezu als Porzellan - bei Mädchen eigentlich recht gute Eigenschaften, wurde ihm klar. Aber waren sie auch bei einem Kerl wie dem vermeintlichen Hideki Ryuga, der dem hübschen Popstar kein bisschen ähnlich sah, attraktiv? Light schämte sich allein für diese Frage, schließlich musste die Antwort doch Nein sein. Dennoch, wenn er sich vorstellte, wie L in einem dünnen T-Shirt und Shorts Tennis spielte, sprang, sich bewegte und dabei unweigerlich Haut zeigte … Gut, dieses Match würde dann wahrscheinlich doch nicht so einfach werden, auch wenn Light es damit entschuldigte, dass ihn Ls ganze Person einfach wuschig machte.

Eine Liebe wie KirschblütenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt