6. Kapitel | L Lawliet

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L sah den Ball blitzschnell auf sich zukommen. Ach, so war das also. Jetzt auf einmal schien Light doch etwas mehr Power als sonst zu zeigen. Ein Spiel gewinnen zu wollen musste allerdings nicht zwingend ein Zeichen dafür sein, dass Light Kira war. Trotzdem verdächtigte L ihn immer noch und war gleichzeitig daran interessiert, Light selbst besser kennenzulernen. Immerhin schienen sie einiges gemeinsam zu haben… Mit einer geschickten Armbewegung schwang L seinen Schläger und beförderte den Ball über das Netz. Von Weitem konnte er sehen, wie sich Lights kräftige Muskeln unter seinem T-Shirt anspannten, bereit, um den Ball erneut zurückzuschlagen. Mit solch einem perfekten Körper war es echt kein Wunder, dass Light selbst einmal Mittelschulmeister gewesen war. Bevor sich L allerdings noch mehr Gedanken über Lights stattliche Figur machen konnte, kam der Ball blitzschnell wieder über das Netz zurückgeschossen. L rannte zum Ball, doch diesmal war er zu schnell für ihn. Ganz knapp verfehlte L den Ball und er sprang am Boden auf. Sofort war L klar, dass Light nun auf Sieg spielte. Anders konnte er sich das aggressive Spiel seines Gegenüber nicht erklären.
»Spielstand: 4:4!«, hörte er den Schiedsrichter plötzlich rufen. L keuchte. Gut, wenn Light es nicht anders wollte, dann sollte er eben eine ordentliche Partie bekommen. Mit einem kräftigen Aufschlag sorgte L dafür, dass der Tennisball in Windeseile über das Netz flog. Aus der Ferne konnte er Lights wendige Gestalt ausmachen, deren Armmuskeln sich kräftig unter dem Umriss des T-Shirts abzeichneten. L konnte sogar Schweißperlen auf Lights sonst so perfektem und stets gepflegtem Gesicht erkennen, die langsam seine Stirn herunterrannen, obwohl hier angenehme Frühlingstemperaturen herrschten. Da verzog sich Ls Mund zu einem kleinen Lächeln. Irgendwie tat er ihm schon leid… Aber gleichzeitig machte es L Spaß, Light so zum Schwitzen zu bringen. Nicht nur das: Zu seiner Überraschung hatte er auch das Gefühl, dass er Light mit seiner provokanten Art ganz schön aus der Fassung brachte, was ihn aus irgendeinem Grund amüsierte. Ihm persönlich ging es ja nicht darum, das Spiel zu gewinnen. Ihm ging es nur darum, Light etwas mehr aus seiner Reserve zu locken und dafür zu sorgen, dass er ihm früher oder später sein wahres Gesicht offenbaren würde - wie auch immer dieses auszusehen vermochte. So gesehen hatte L also gar nichts zu verlieren, denn eines stand fest: Am Ende würde er gewinnen. Ob er nun Light als Freund oder als Feind enttarnen und gewinnen würde, spielte keine Rolle, denn gewinnen würde er ganz gewiss. In der Tat hatte L den Verdacht, dass Light bereits wusste, dass dieses Spiel dazu dienen sollte, sich ihm noch mehr anzunähern. Auch war sich L sicher, dass Light aufgrund seiner schnellen Auffassungsgabe schon ahnte, dass L ihn nach dem Spiel über den Kira-Fall ausfragen würde. Dabei war Vorsicht geboten, denn Lights Misstrauen ihm gegenüber würde bestimmt wachsen.                                                  Mittlerweile konnte man das Spiel zwischen L und Light kaum noch ein Tennisspiel nennen. Es glich eher einem Schlagabtausch nach dem anderen, ja, einem wahrhaftigen Duell sogar. Aufmerksam fixierte L Light mit seinem Blick und ließ keine Sekunde von ihm ab. Lights Blick hielt Ls tapfer stand und man sah die Entschlossenheit in seinen schokoladenbraunen Augen aufflackern. Die vielen Zuschauer, die sich in der Zwischenzeit außerhalb des Spielfeldes gebildet hatten, bemerkte L gar nicht mehr. Es war, als gäbe es nur noch ihn und Light auf dieser Welt. Als würden ihre schweißdurchtränkten Körper bei diesem Duell Eins werden, zu einer Einheit verschmelzen. L war schon ganz außer Atem, war aber dennoch entschlossen, sein Bestes zu geben. Dabei blieben seine Gedanken wieder bei Light hängen. Sich ihm zu nähern war eine Sache, aber sein Vertrauen zu gewinnen eine andere. Bestimmt würde Light gerne über den Ermittlungsstand im Fall Kira informiert werden. Mit vor Anstrengung weit aufgerissenen Augen katapultierte L den Tennisball ein weiteres Mal über das Netz. Später dann würde Light ihm vermutlich vorschlagen, zur Ermittlungszentrale zu gehen. Plötzlich trat Light einen großen Schritt vor und schlug den Ball mit einer solchen Wucht zurück, dass es L unmöglich war, ihn zu treffen. Heftig schlug der Ball am Boden auf.
  »6:4! Sieg für Light Yagami!«, brüllte der Schiedsrichter. L starrte auf die Stelle, auf die der Ball am Boden aufgeschlagen hatte. Light hatte ihn doch tatsächlich besiegt. Er hatte den kurzen Moment der Unachtsamkeit schamlos ausgenützt, um L zu schlagen. Mehr noch: Er hatte alles daran gesetzt, ihn zu besiegen. Wenn das nun mal nicht typisch für Kira war… L schüttelte leicht den Kopf, um den Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Nein, er wollte nicht, dass Light Kira war. Und dennoch… Dennoch konnte er nicht anders, als Light zu verdächtigen. Einen achtzehn- jährigen Musterschüler mit perfektem Aussehen, perfekten Noten und perfekter Familienbande. Ls Blick fiel wieder auf Light, der sich auf ihn zubewegte. Langsam senkte er den Tennisschläger, wischte sich mit der Hand über die verschwitzte Stirn und ging zu Light.
»Alle Achtung, Light«, sagte er anerkennend.
»Du hast mich geschlagen.«
Er streckte ihm seine verschwitzte Hand entgegen. Dieser ergriff sie widerwillig und schüttelte sie kurz.
»Ich musste mich dafür aber ganz schön anstrengen«, erwiderte Light, immer noch etwas außer Atem. L blickte in seine schokoladenbraunen Augen, die eine gewisse Art von Vorsicht und Distanz ausstrahlten. Sollte er es ihm nun sagen oder nicht? Um Lights Vertrauen zu gewinnen, musste er es wohl oder übel tun. Sein Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich, und L war sich gar nicht sicher, ob das daher kam, dass er in Lights Augen schaute oder ganz einfach daher, dass er ihn nun über den Ermittlungsstand des Kira-Falles informieren würde. L holte tief Luft.
»Was den Kira-Fall angeht, nun… Ich glaube, dass du Kira sein könntest.«
So, nun war es raus. L beobachtete seinen Gegenüber aufmerksam. Light schien sich für einen Moment anzuspannen, aber seine Miene blieb ausdruckslos und verriet nichts. Er kniff seine Augen leicht zusammen.
»Ach, tatsächlich?«, fragte er ungerührt.
»Und was lässt dich das glauben?«
L überlegte. Wenn er jetzt zu viel von den Ermittlungen preisgab, würde er nie Lights Vertrauen gewinnen und ihn dazu überreden können, sich dem Ermittlungsteam anzuschließen. Nein, auf keinen Fall würde er die Überwachungskameras oder die FBI-Agenten erwähnen. Schließlich antwortete L:
»Naja, ich verdächtige dich auch nur zu etwa einem Prozent. In erster Linie glaube ich nicht, dass du Kira bist, sondern, dass du lediglich eine hervorragende Kombinationsgabe besitzt.«
Light musterte ihn misstrauisch.
»Daher«, fuhr L unbeirrt fort, »wollte ich dir anbieten, dich dem Ermittlungsteam im Falle Kira anzuschließen.«
Nun sah Light sah überrascht aus, doch auch nur für einen Moment. In seinem Inneren schien es zu rattern. L sah ihn an und bat im Stillen, Light möge seinem Angebot zustimmen. Denn sollte dieser nicht Kira sein - was ja auch gar nicht so unwahrscheinlich war - würden sie seine herausragende Kombinationsgabe bei diesem schwierigen und riskanten Fall gut gebrauchen können. Da fiel L plötzlich noch etwas ein;
»Bevor du mir zustimmst, würde ich gerne zuerst deine Kombinationsgabe testen.«
Light starrte ihn an.
»Einverstanden«, erwiderte er schließlich. Er hörte sich nicht gerade begeistert an und wirkte immer noch genauso abweisend und kühl wie zuvor, doch das störte L nicht. Die Hauptsache war doch, dass Light ihm zugesagt hatte und er ihn nun genauer unter die Lupe nehmen konnte. Wer weiß, vielleicht würde sich dieser Light als gar kein so übler Kerl herausstellen. Davon musste sich L allerdings noch selbst überzeugen.
»Was ist?«, fragte Light plötzlich. L schrak auf und musste erschrocken feststellen, dass er Light die ganze Zeit gedankenverloren angestarrt hatte.
»Ähm, nichts«, erwiderte L verlegen. Schnell sah er weg und räusperte sich kurz. Wie hatte ihm das bloß passieren können? Jetzt hatte er sicher Lights Misstrauen wieder geweckt. L ärgerte sich. Bisher war doch alles ganz gut gelaufen. Was hatte ihn nur dazu veranlasst, Light unverhohlen anzustarren? Obwohl ihm voll und ganz bewusst war, dass sich das nicht gehörte, hatte er es dennoch getan. L schloss kurz die Augen. Er hatte einfach seinen Blick vor Lights verschwitztem Körper nicht abwenden können. Plötzlich kamen ihm wieder Bilder in den Kopf - Bilder, die er schon lange versucht hatte zu verdrängen: Lights nackter Körper unter der Dusche… Das Wasser, das vom Duschkopf auf ihn herabspritzte und ihm den Rücken runterlief… Nein! Ls Gedanken rasten und er schüttelte schnell und bestimmt den Kopf, um die Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben.
»Also dann«, brachte er mühsam hervor.
»Wollen wir in ein Café gehen, damit ich deine Kombinationsgabe ausgiebig herausfordern kann?«
Light zog seine Augenbrauen hoch und zuckte dann mit den Schultern.
»Meinetwegen.«
L atmete erleichtert aus. Light schien seine Aufregung nicht bemerkt zu haben. Und wenn, dann erwähnte er sie zumindest nicht.
»Gut«, erwiderte L, diesmal wieder ruhig und gelassen.
»Dann lass uns endlich gehen.«
Light nickte ihm zu und folgte ihm. Die Zuschauermenge hatte sich mittlerweile aufgelöst und ihre Schritte hallten über den verlassenen Tennisplatz. Ls Herz aber hatte sich ganz und gar nicht beruhigt. Mit jedem seiner Schritte drohte es, unter seiner hageren Brust zu zerspringen. L hielt kurz inne und warf einen Blick auf die Kirschbäume außerhalb des Tennisplatzes, die teilweise bereits aufgeblüht waren. Ein wunderschönes Meer aus rosanen Blättern.
»Der Frühling kommt«, murmelte er leise.
»Hast du etwas gesagt?«, fragte Light laut. Doch L schüttelte den Kopf.
»Lass uns aufbrechen.«

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So, nach langer Pause geht es jetzt endlich weiter. :)

Um es kurz  nochmal für alle zu erklärendies ist eine Partner-FF, die ich mit - qhanqibe2 - mit meiner Freundin Elli zusammen schreibe.

Dabei übernehme ich die Kapitel über Light und sie die über L.

Nur hat sie dieses Jahr ihren Abschluss gemacht und so war es etwas stressig mit dem Schreiben einer zusätzlichen Geschichte.

Blöd eben nur, dass gerade sie dran war, das nächste Kapitel zu schreiben und ja, so ist es nun gelaufen. xD

Inzwischen ist aber alles überstanden und es werden mit Sicherheit wieder öfter Updates kommen.

In diesem Sinne hoffen wir, ihr bleibt der Geschichte treu!

Eine Liebe wie KirschblütenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt