Hast du Angst?

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Sonnenstrahlen weckten mich auf. Ich ließ meine Augen geschlossen und streckte mich. Jemand lag neben mir. Tate. Meine Hand lag auf seiner Brust. Umständlich drehte ich mich auf die Seite und schaute ihn an. Er schlief noch. Seinen Arm hatte er so gelegt, dass mein Kopf darauf lag. Wie schön er aussah fiel mir erst auf, als ich ihm so unglaublich nahe war.
„Wie lange hast du noch vor mich an zu starren?“ fragte er mit immer noch geschlossenen Augen. Peinlich berührt drehte ich mich wieder auf den Rücken und nahm auch meine Hand von seiner Brust.
„Entschuldigung.“ murmelte ich und richtete mich auf. Ich rieb mir das Gesicht und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
„Ich sollte mich mal umziehen gehen.“ sagte ich und kletterte über Tate hinweg aus meinem Bett. Ich konnte seine Blicke auf mir spüren. Schnell schnappte ich mir die Sachen welche ich tragen wollte und rannte zum Bad.
Mit meinen Fingern kam ich gerade so bis zum Reißverschluss meines Kleides und zog ihn runter. Langsam striff ich es ab und schaute in den Spiegel der an der Wand hing. In Unterwäsche stand ich da, in dem Badezimmer in einem immens großen Haus. Die Tür war geschlossen, vor dem Fenster hingen die Jalousien und dennoch fühlte ich mich beobachtet. Mein Blick fiel zum Fenster, dann wieder in den Spiegel. Neben meinem Spiegelbild tauchte Tate auf, der hinter mir stand. Hektisch drehte ich mich um, aber Tate war weg, als wäre er überhaupt nicht da gewesen. Hastig zog ich mir was neues an und rannte den Flur entlang in mein Zimmer. Tate war nicht mehr in meinem Zimmer.

„Tate?“ rief ich laut und fragte mich, weshalb er im Bad auftauchte. Er lehnte schief hinter mir und ich erschrak als ich mich umdrehte. Seine Mundwinkel zuckten leicht auf.
„Wo warst du?“ fragte ich ihn ohne direkt zu fragen, was er im Bad gemacht hat.
„Du warst Ewigkeiten weg, also habe ich geduscht und mich umgezogen.“ sagte er so selbstverständlich, wie ein Mathelehrer der dir den Rechenweg zum tausendsten Mal so erklärt, dass du ihn nicht verstehst und er für dich unlogisch ist.
„Das kann nicht sein. Du standest hinter mir im Bad als ich mich ausgezogen habe.“ warf ich ihm vor. Mit der Zeit fing ich an es selbst nicht mehr richtig zu glauben.
„Schön wär's. Nur bin ich leider kein Spanner.“ meinte er und stellte sich gerade vor mich. Ich musste zu ihm hoch schauen, schließlich ist er einem halben Kopf größer als ich.
„Aber ich habe dich gesehen.“ stammelte ich. Er schüttelte nur seinen Kopf und sah mich an. Er log mich wieder an. Ich würde das beobachten, aber wenn ich neue Anhaltspunkte hätte, würde ich dem auf den Grund gehen. Vielleicht machte ihn ein Geheimnis nur attraktiver, aber es störte mich nicht alles zu wissen.
Nachdenklich sah er mich an. Als warte er auf eine weitere Frage. Er fing an mich zu mustern, schaute an mir runter. „Was läuft hier Tate?“ fragte ich ihn mit wackliger Stimme. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber ich war schwach, ich konnte nicht mehr mutig sein. Ich hatte angst. Und er bemerkte es. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. „Hast du Angst?“ fragte er mich ohne zu zögern. Ich wollte nicht ja sagen, konnte aber auch nicht lügen. Ich spürte wie ich immer schwächer wurde bis eine innere Barriere zu brechen begann. Es war nicht so, dass ich eine Heulboje war. Es war einfach schwer für mich. „Du darfst nicht weinen. Komm her.“ flüsterte er und zog mich zu sich. Schützend umarmte er mich. „Ich will nicht weinen.“ sagte ich und bemerkte, dass ich gegen seine Brust sprach. Seine Hand fuhr meinen Rücken auf und ab. Tate versuchte mich zu beruhigen so gut es ging, schätze ich. Zu sagen, dass ich ihn liebte wäre verfrüht, aber er war der einzige Mensch, dem ich vertraute, neben meinen Großeltern.
„Du darfst keine Angst haben Violet.“ sagte er immer wieder. „ Warum?“ fragte ich. „Die Angst frisst dich auf. Du wirst daran zu Grunde gehen.“ erklärte er.

Wie am ersten TagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt