Zufälle gibt es nicht

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Er drehte sich um und lief voraus in das Badezimmer. Unsicher blieb Lovis stehen und biss ein weiteres Stück der Schokolade ab. Die war echt lecker. Wie viel er wohl nur für diese eine Tafel ausgegeben hatte? Zum Bestechen reichte der Geschmack allerdings nicht aus.

"Denk an die Optionen, Liebste", kam seine tiefe Stimme aus dem Bad. Sie hörte, wie das Wasser begann in die riesige Wanne zu laufen. In der hatten auf jeden Fall zwei Leute Platz. Das hieß nicht, dass sie einer davon sein wollte.

Langsam folgte sie ihm und lehnte sich an das Waschbecken.

Valerio trank noch immer den Kaffee, sie aß noch immer die Schokolade. Ihre Blicke kreuzten sich. Lovis konnte keine schlechten Absichten darin erkennen. Anzeichen für eine gewalttätige Person hatte er bisher nicht gezeigt. Die Nacht über hatte er sich um sie gekümmert. Er hatte sich sogar eine eingefangen.

"Ich habe dir also wirklich eine Ohrfeige verpasst", sagte sie schließlich.

"Allerdings. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du in deinem Zustand so eine Kraft aufbringen kannst. Es hat ganz schön weh getan." Sein Gesicht sah eher nach Freude aus.

"Gut."

Er lachte. Dieses Lachen. Es hatte etwas Warmes an sich, was sein Äußeres überhaupt nicht widerspiegelte. Nur seine Augen vielleicht. Die Farbe glich wirklich dem Fell eines unschuldigem Rehs. Davon durfte sie sich nicht täuschen lassen.

Das Wasser prasselte laut in die Wanne hinein.

"Ich geh duschen", sagte sie bestimmt.

"Nein." Seine tiefe Stimme ließ keinerlei Widerworte zu. Die Dominanz, die sein Aussehen vermittelte, hatte nun auch seine Stimme erreicht. Da kam er seinem wahren Ich also näher.

Sie seufzte innerlich. Er hatte sie schon nackt gesehen und an sich hatte sie kein Problem mit nackter Haut. Er war heiß. In einer anderen Situation wären sie schon längst im Bett gelandet. Vielleicht musste sie ihm genau das geben, um hier rauszukommen. Sie brauchte Vertrauen und Unvorsicht. Sex an sich hatte nichts mit Aufgeben oder Schwäche zu tun. Es war eher ihre Stärke. Aber was würde folgen? Was konnte dieser Mann ihr sonst alles antun?

Sie wusste, dass es eine Menge gab, was man sich einander antun konnte. 

Er setzte sich auf den Badewannenrand. "Zieh dich aus."

Auf seinem Gesicht lag nur Ruhe. Seine Selbstbeherrschung war unglaublich. Es wirkte fast so als wäre es ihm egal, was hier passierte. Aber seine freie Hand krallte sich gerade zu an der Keramik fest. Seine Knöchel wurden langsam rot.

Das hier war ein Spiel. Er wollte mit ihr spielen und sie musste nur noch die Regeln herausfinden. Gab es überhaupt welche? Er hatte sie nicht bestraft für die Ohrfeige. Er sah sich als Meister, aber nicht als Dompteur. Valerio wollte mit ihr spielen und das hieß auch, dass sie mitspielen sollte.

Lovis zog sich auf den Schrank und überschlug ihre Beine, biss knackend ein Stück Schokolade ab. "Du zuerst."

Ein zufriedenes Lächeln breitete sich über seinem hübschen Gesicht aus. Sie hatte ihn wohl nicht enttäuscht.

Er stand auf und kam zu ihr rüber, reichte ihr die Kaffeetasse, die sie ihm abnahm und nach einem kleinen Schluck abstellte.

Langsam begann er die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Ein perfekter Oberkörper kam zum Vorschein, Muskeln, die so einiges stemmen konnten. 

Ihre Hand fuhr zu ihrer Seite, wo sie ein Schlangentattoo hatte. Ein Ouroboros, der Selbstverzehrer. Die Schlange, die sich in den eigenen Schwanz biss. Ihre hatte graue Schuppen in denen ein paar Blumen versteckt waren und das Auge war gefärbt in einem dunklen rot. 

Auch er hatte so ein Tattoo. Seine Schlange glich aber eher einem Drachen mit schwarzen Augen und großem Kopf. Er war über seinem Herzen tätowiert und besaß absolut keinen Schnickschnack. 

Ihr Blick wanderte zu seinen Augen, die auf ihrem Tattoo lagen.

"Was für ein Zufall", murmelte sie. Wie wahrscheinlich war es, dass sie mit ihrem Käufer das selbe Tattoomotiv teilte?

"Zufälle gibt es nicht", erwiderte er überzeugt. "Es ist Schicksal."

"Wenn man ein Träumer ist, kann man so denken, ja", neckte sie ihn. Schicksal. Sie glaubte nicht daran, dass alles vorherbestimmt war. Lovis glaubte nur an sich selbst und ihre Fähigkeiten. 

Er ging aber nicht drauf ein, stattdessen zog er sich das Hemd komplett aus und warf es ihr entgegen. Sie fing es auf. Ihre Reflexe funktionierten wieder einwandfrei. Lovis hielt es sich vor den Körper und sog seinen Duft ein.

Seine Hände wanderten zu seiner Hose. Er öffnete den Gürtel und zog ihn ganz heraus.

"Das machst du wohl nicht zum ersten Mal."

"Sonst fallen die Klamotten schneller", sagte er ruhig.

Das konnte sie sich denken. Geduld würde sie eigentlich nicht zu seinen Eigenschaften zählen und doch wies er gerade sehr viel davon auf.

Die Hose fiel zu Boden, nur die Boxershorts verdeckte noch sein gutes Stück.

Und schon fiel auch diese.

Oh lala. Das war wirklich ein gutes Stück. Sie unterdrückte den Impuls sich auf die Lippe zu beißen. War ja klar, dass er komplett perfekt aussah. Sein Ego konnte sie auf kein kleines Ding schieben und beleidigen konnte sie es auch nicht.

"Gefällst dir?"

"Ist okay", meinte sie schmunzelnd.

Er lachte leise auf.

"Dann löse mal deine Schulden ein."

Sie ließ sich ein Stück Schokolade auf der Zunge zergehen und stand auf. Sie warf ihm das Hemd wieder entgegen, welches er locker auffing und in eine Ecke schmiss.

Sie führten hier einen Machtkampf aus. Es war offensichtlich, dass er die körperliche Macht besaß. Er war hier auch zu Hause, besaß die Codes, Geld und sie. Ihr Verhältnis war klar. Nur würde sie sich nie unterwerfen. Doch ihr Körper war auch Teil ihrer Macht. Sie sah sehr gut aus und sie wusste sich einzusetzen. 

Würde er ihr wehtun wollen, hätte er es schon getan. Würde er jetzt schon Sex wollen, hätte er ihn sich genommen. Dieses verständnisvolle war nicht seine Art, Geduld nicht seine Stärke und doch zeigte er ihr diese Eigenschaften. Er wollte ihr Sicherheit geben und gleichzeitig doch beweisen, dass er der Chef hier war. Er wollte sie, aber nicht nur ihren Körper. Er wollte alles.

Sie begann ebenfalls damit das Hemd aufzuknöpfen. Da sie nur dieses trug hatte er direkt gute Sicht auf ihre Brüste, als sie es sich über die Schultern zog. Nicht, dass er die nicht schon gesehen hatte. Seine Augen klebten an ihnen, aber trotzdem fühlte sie sich nicht unwohl. Sie schmiss es in die selbe Ecke und zog dann langsam die Boxershorts runter.

Komplett nackt stand sie so vor ihm und erwiderte seinen Blick, der nun wieder auf ihre Augen gerichtet war.

Ohne diesen abzuwenden, drehte er den Wasserhahn zu.

"Ladys First."

Wie absurd diese Situation war. Sie nahm wieder den Kaffee und ging zur Wanne. Lovis war sich nicht so sicher, ob sie das heiße Getränk als Schutzmaßnahme ansah, aber sie fühlte sich besser mit der Tasse in der Hand.

Sein Blick lag auf ihr und sie stieg vorsichtig ins warme Wasser. 

Bis du verstehst, wem du gehörst...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt