Wehrlos

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Dank der weiteren Dosis konnte sie sich nicht mehr wehren. Am Rande bekam sie mit, wie kalte Hände sie umzogen und an ihr zerrten, doch es war alles wie durch einen Schleier verhüllt. Als würde es nicht sie betreffen.

Irgendwann merkte sie, dass sie wieder auf dem Boden saß. Jemand hielt sie an dieser dämlichen Leine fest, so fiel sie zwar nicht um, bekam aber schlecht Luft und das Gefühl zu ersticken wurde immer realer.

Bevor sie jedoch richtige Panik bekam, traten schwarze Schuhe in ihr Sichtfeld. Schwach sah sie hoch und erkannte ihren Käufer. Am liebsten würde sie ihm ebenfalls den Fuß eintreten und noch viel mehr, aber sie konnte nicht mal die Augen auflassen.

„Was haben sie ihr gegeben?", fragte er. Diese Stimme hatte auf eine seltsame Weise eine beruhigende Wirkung. Der wütende Unterton fiel ihr allerdings nicht mehr auf.

„Nur etwas zur Beruhigung. Es ist morgen wieder komplett aus ihrem Kreislauf", erklärte jemand.

Er nickte einmal kurz, dann nahm er die Leine entgegen und der dolle Druck verschwand. Sie wäre umgekippt, hätte er sie nicht gestützt.

Der Mann war in die Hocke gegangen und sah ihr in die Augen. Sie erwiderte den Blick so gut es ging und versuchte ihre ganze Abscheu hineinzulegen.

Wieder lag dieses kleine Lächeln auf seinen Lippen. Behutsam strich er ihr einige Strähnen aus dem Gesicht, streichelte ihre Wange. Irgendwie schaffte sie es noch ihren Kopf wegzudrehen, doch dadurch verlor sie das Gleichgewicht. Somit landete sie direkt in seinen Armen und er drückte sie an sich.

„Arschloch", bekam sie schwach über die Lippen.

Leise hörte Lovis ihn lachen.

„Lass uns hier verschwinden", flüsterte er ihr ins Ohr und stand mit ihr in den Armen auf.

Der Wärter gab ihm noch etwas in die Hand, er nahm es schweigend entgegen und lief los. Sie spürte, dass er einige Treppen hinaufstieg, aber ihre Augen fielen immer wieder zu. Es war so anstrengend wach zu bleiben. Ihr Körper wurde von ihm gewärmt. Eine Hitze ging von ihm aus, die ihr gerade sehr gelegen kam, denn sie hatte das Gefühl zu erfrieren.

Nein, was redete sie da? Doch gegen ihre Gedanken tun konnte sie nichts. Sein Geruch stieg ihr in die Nase. Es gefiel ihr, wie er roch, irgendwie erdig. Nein. Nein. Was machten diese Drogen nur mit ihr?

Ab und zu brachte sie etwas Kraft auf und versuchte sich aus seinem Griff zu winden, aber sie war nicht mal sicher, ob er das als solche Versuche deutete. Lovis hatte kaum Kraft.

Ihr Kopf lag einfach auf seiner Brust und seine Arme hielten sie sicher fest.

Plötzlich wurde es wieder kalt und sie sog scharf die Luft ein. Sie erkannte, dass sie draußen waren, aber größtenteils war alles dunkel. Sofort drückte er sie enger an sich. „Wir sind da", sagte er.

Sie spürte, dass er ihr Gewicht auf einen Arm verlagerte ohne sie runterzulassen, hörte ein Geräusch. Eine Sekunde später saß sie in einem Auto. Kaltes Leder berührte ihre Haut, aber seine warmen Hände waren noch immer da.

Für eine kurze Zeit konnte sie wieder ihre Augen öffnen. Er war über sie gebeugt und nach einem leisen Klicken war der Druck von ihrem Hals weg. Das Halsband und die Leine flogen über seine Schulter einfach in die Dunkelheit. Er entfernte auch die Fesseln an ihren Händen und Füßen. In diesem Zustand war sie keine Gefahr für irgendjemanden. Dann legte er seine Jacke über sie, strich ihr erneut die Haare aus dem Gesicht und küsste sacht ihre Stirn. Wieder tauschten sie einen langen Blick aus, soweit Lovis noch dazu in der Lage war.

"Wer bist du?", flüsterte sie.

"Mein Name ist Valerio", antwortete er leise.

Er sah nicht aus wie ein Valerio. Der Name klang zwar schön und das war er auf jeden Fall, aber auch rein und unschuldig. Mit seiner Kaufaktion hatte er das Gegenteil bewiesen.

Valerio schnallte sie noch an und lief dann um das Auto herum. Sie versuchte schwach den Gurt wieder zu lösen, aber sie konnte den Druck nicht aufbringen.

Lovis ließ ihren Kopf zurückfallen und schloss die Augen. Was sollte sie nun machen? Sie war zu schwach für jede Aktion.

Er stieg hinters Steuer und fuhr los. Nach nur einer Minute war es kuschelig warm im Auto, der Sitz gab Wärme ab und sie fühlte sich nicht mehr wie ein Eisblock.

Doch sie versuchte krampfhaft wach zu bleiben. Vielleicht konnte sie irgendwas erkennen, dass ihr helfen konnte, aber nein. Es war einfach zu dunkel, die Umgebung undefinierbar.

„Streng dich nicht an, Liebste. Schlaf einfach und sammle deine Kräfte wieder ein." Seine Hand legte sich über ihr Knie und sein Daumen streichelte ihre Haut da.

Das war wie eine Erlaubnis und ihr Körper gab auf. Ihre Augen fielen zu und sie glitt in einen unruhigen Schlaf.

Bis du verstehst, wem du gehörst...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt