15. Kapitel

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H O P E

Die ganze Stadt war weihnachtlich geschmückt. In dieser wunderschönen Schneelandschaft funkelte und glitzerte es an den vielen Reihenhäusern. Aufblasbare Weihnachtsmänner standen in den Vorgärten und ganze Rentierschlitten hatten ihren Platz auf den Dächern gefunden. Es war ein einzigartiges Lichterspektakel, dem wir auf dem Weg zur Kirche begegneten.

Der Schnee knirschte unter meinen Füßen. Einzelne Schneeflocken rieselten vom Himmel herab und verfingen sich in meinen Haaren. Ein fröstelnder Wind strich durch die Straßen. Ich zog augenblicklich meine Jacke fester um meinen Körper und hakte mich bei meiner Mum unter. Diese schwärmte über die Weihnachtsdekoration dieses Jahr und staunte über die vielen verschiedenen Farben der Lichter, die die Nacht fast zum Tag werden ließ, so hell waren sie.

Auf dem Rathausplatz erstreckte sich ein riesengroßer Weihnachtsbaum. Große Kugeln hingen an den grünen Tannen. Lichterketten baumelten um den Baum herum und ich erkannte den Stern, der als Spitze fungierte. Es roch nach frischen Tannen. Aus vielen Häusern duftete es nach Weihnachtsbraten und leckeren Plätzchen. Ich schloss genüsslich die Augen.

Mitten auf dem Weg mischte sich Damian mit seiner Familie unter uns. Er zog mich in eine feste Umarmung, sodass ich glaubte, er würde mich erdrücken. Danach verfiel er sofort in ein Gespräch mit Mum.

»Wie geht es dir? Was macht die Arbeit? Ach, es ist so komisch, dich nicht mehr jeden Tag bei uns zuhause zu sehen« meinte Mum, fast theatralisch. »Und Hope erzählt fast nichts« Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Damian lachte.

In unser Sichtfeld erschien die Kirche. Bereits von weitem erkannte ich Derek. Er stand in einem maßgeschneidertem schwarzen Anzug auf einer der Treppenstufen und schüttelte einem etwas älterem Mann mit grauem Haar die Hand, bevor er den Rücken zukehrte und in das Innere des Gebäudes eintrat. Mein Herz machte einen Salto. Allein aus dieser Entfernung und ohne mit ihm auch nur ein einziges Wort zu sprechen spielte mein Körper bei diesem Anblick verrückt. Ich war wirklich verknallt. Wie ein verrückt gewordener Teenager.

Mum begrüßte ein paar Leuten, bevor wir den anderen in die Kirche folgten. In den ersten Jahren nach meiner Trennung mit Adam hatte es sich komisch angefühlt, hierherzukommen. Ich hatte Angst gehabt, ihm unmittelbar gegenüber zu stehen und nicht zu wissen, wie ich reagieren sollte. Doch mittlerweile wusste ich, er würde nicht kommen. Er war schon so viele Weihnachten nicht mehr in seiner Heimat gewesen, wieso sollte er also dieses Mal hier sein?

Kerzenlicht erhellte die Kirche. An den Bänken hing weihnachtlicher Schmuck. Auch der Altar wurde entsprechend dem Anlass dekoriert. Ein kleiner Weihnachtsbaum stand an der Seite, über dessen Tannen Kugeln, Lametta und Lichter hingen.

Wir setzten uns in eine der vorderen Reihen und warteten darauf, dass der Pfarrer mit dem Gottesdienst anfangen würde. Während Mum und Damian weiterhin über alle möglichen Dinge in ihrem Leben sprachen, wagte ich einen Blick über meine Schulter. Auf der anderen Seite und in einer der hinteren Reihen saß Derek. Er war ganz allein, starrte stumm geradeaus. Das schwarze Jackett hatte er zugeknöpft, sodass man nur einen Teil seines weißen Hemdes hervorblitzen sehen konnte. Mit seiner Hand, um die er die silberne Armbanduhr trug, fuhr er sich durch das kurze Haar. Meine Augen wanderten über sein ebenmäßiges Gesicht, seine hohen Wangenknochen und seine vollen, zum Küssen einladenden Lippen. Einen Moment lang starrte ich seine Kieferpartie an. Ich hatte eine Schwäche dafür.

Bevor es allerdings zu auffällig wurde, drehte ich mich schnell weg. Ich spürte eine Hitze meinen Körper durchströmen und pustete mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Jede Faser meines Körper sehnte sich nach einer Berührung, doch wir mussten unsere Masken aufrechterhalten. Schließlich durfte niemand von uns erfahren. Ich hasste das Versteckspiel.

Adam & HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt