29 | alioth

220 41 46
                                    

_________________

| 29 |

a l i o t h

oktober 2036

_________________

Das Mädchen mit den Sternenaugen schob sich die Hutkrempe aus dem Sichtfeld, eigentlich ein vergeblicher Versuch, weil sie einen Augenblick später schon wieder nach unten fiel. Ein wenig wie der stetige Kampf gegen das Leben, das einem das Glück klauen wollte.

Seufzend nahm sie den Hexenhut ab und legte ihn auf die Kommode im Flur, wo er für alle Zeiten vergessen sein würde. Zumindest bis sie sich in einigen Wochen dazu bequemen würde, ihn wieder wegzusperren. So blieben ihm immerhin einige Tage in der Freiheit und manchmal waren bereits weitere vierundzwanzig Stunden genug.

Charlotte warf sich einen schwarzen Mantel über ihr Hexenkostüm, denn auch wenn das der Authentizität schadete, legte sie es doch nicht darauf an, sich eine Erkältung einzufangen. Dafür war sie zu erwachsen geworden, nicht mehr die Fünfzehnjährige, die auch im Winter ohne Jacke unterwegs war, um cooler auszusehen. Irgendwann hatte sie damals ohnehin stets Harrys Mantel über die Schulter gelegt bekommen, während er ihr mit klappernden Zähnen versichert hatte, dass er ohnehin nicht frieren würde.

Bei dem Gedanken legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und ihre Finger strichen langsam über das Holz der Haustür, in dem Versuch, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vereinen. Sie atmete einmal tief ein, dann war sie bereit für ihre Zukunft und verließ das Haus.

Während sie mit großen Schritten auf den schwarzen Mercedes in ihrer Einfahrt zulief, schloss sich die Haustür knallend und die Explosion beförderte sie in Jetzt. Als hätte sie diese letzte Ermutigung gebraucht, wieder nach vorne zu sehen.

„Hey", meinte Charlotte, während sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ.

Adam zuckte zusammen, ließ sein Handy in den Schoss fallen und sah verschreckt in ihre Richtung. „Ich habe gar nicht mitgekriegt, dass du auf dem Weg zum Auto bist."

„Nun, jetzt bin ich hier", grinste das Mädchen mit den Sternenaugen.

„Ich hatte dir eigentlich die Autotür öffnen wollen. Schließlich ist das hier ein Date." Unsicher sah er in ihre Richtung. „Du hast geschrieben, dass wir unser erstes Treffen noch einmal wiederholen sollten. Damit meintest du ein Date, oder nicht?"
Ein Lächeln legte sich auf Charlottes Lippen. „Ja, genau das meinte ich damit."

Denn so sehr sie es Noah gegenüber auch abgestritten hatte, das hier war ihr Versuch, wieder ins Leben zurückzukommen. Nicht nur ihrem Sohn zuliebe, sondern auch ihr selbst wegen. Während der vergangenen Tage hatte sie oft darüber nachgedacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass sie es wollte. So wie ihr Sternenjunge es ihr auch wünschen würde, da war sie sich sicher. Denn sie kannte ihn besser als sich selbst.

Also machte sie einen Schritt zurück in die Farbenwelt und ließ sich von der Schönheit des Lebens verzaubern.

„Das ist schön", lächelte Adam und startete den Motor. „Darauf habe ich nämlich gehofft."

Sanft und leise glitt der Mercedes über die Straßen ihrer Kleinstadt, immer auf dem Weg nach vorne, ohne bahnbrechende Veränderung. Von Sekunde zu Sekunde änderte sich nichts, aber wenn man zurückschaute, befand man sich an einem völlig anderen Punkt. Veränderungen kamen schleichend und sie explodierten in Gedanken an die Vergangenheit.

„Wie geht es Noah?"

Adam sah in die Richtung seiner Begleitung und grinste, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

boy in the stars || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt