Yoongi führte mich nicht zu seinem Zimmer.
Er führte mich nicht einmal zu irgendeinem Zimmer.
Die Tür, die er aufstieß, gab den Weg ins Schwarze Nichts frei.„Wenn du das gerade nicht als Scherz gemeint hast und dadrin jetzt fünf Schlägertypen warten, die mir das Genick brechen werden, werde ich dich umbringen. Ich weiß zwar nicht wie und wann... aber es wird passieren."
„Sei kein Schisser. Ich bin ein ehrlicher Mann."Ich lachte nur, um zu vertuschen, wie ernst ich meine Worte gemeint hatte und folgte Yoongi in den dunklen Raum.
„Gibt's hier keinen Lichtschalter?", fragte ich, als ich mit dem Fuß gegen etwas sehr Schweres stieß, was sich sehr kistig anfühlte, und beinahe gestolpert wäre.
„Licht ist was für Weicheier", kam die Antwort ein paar Meter vor mir, gefolgt von dem schabenden Geräusch der Rollen Yoongis Rollstuhls auf dem glatten Boden. „Und außerdem würde es dir doch auch nur halb so viel bringen." Er lachte leise über seinen eigenen Witz.
Hatte er das gerade ernsthaft gesagt?
Ich zog meine Augenbraue solange hoch, bis mit auffiel, dass Yoongi mich gar nicht sehen konnte.„Das ist der Part in unserer Konversation, in der du einen Rollstuhlwitz bringen musst, Kumpel. Ah, ich hab ihn!" Auf Yoongis Stimme folgte ein Krachen, als wäre etwas heruntergefallen und kurz darauf, das Rascheln eines Reißverschlusses. „Ich hatte schon Angst dir wäre was passiert, Carlos. Nein? Dann ist gut."
Ich ignorierte seine ersten Worte und tastete mich vorsichtig immer weiter nach vorne. Mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass wir uns hier in einem Lagerraum befanden. Jedenfalls, wenn man nach den vielen Kisten ging, gegen die ich bei jedem zweiten Schritt stieß. „Du hast deinem Rucksack nicht ernsthaft einen Namen gegeben..."
„Carlos trägt den ganzen Krempel, damit ich ihn nicht tragen muss."
„Und du trägst Carlos."
„Nur herzlose Menschen geben ihren Rucksäcken keine Namen."Darauf sagte ich nichts. Für mich war mein Rucksack immer 'schwarzer Rucksack mit dem ich einmal auf einem Klassenausflug in das Becken für die Pinguine gefallen war'. Kein schöner Tag.
„So... jetzt können wir abhauen."
Im Halbdunkel sah ich Yoongis Silhouette, wie er sich umdrehte, allerdings mitten in seiner Bewegung innehielt. Durch die dunklen Schatten um mich herum hatte ich keine Ahnung, ob er mich anstarrte oder etwas, das hinter mir...„Nicht so voreilig."
Auf die tiefe Stimme folgte ein Krachen und das letzte, fahle Licht, was vom Gang in den Raum hereinfiel wurde abgeschnitten. Stattdessen allerdings senkte sich die Flut der kalten Deckenbeleuchtung über den Raum. Es war tatsächlich ein Lagerraum und um einiges größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Die Kisten waren so gestapelt, dass sie einen Gang schafften, der zu einer geschlossenen Luke am Ende des Raumes führten.
An der Tür, durch die wir zu Anfang hereingekommen waren, lehnte ein schlanker, junger Mann, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Seine Haare wurden von einem Bandana zurückgehalten und er war komplett in schwarz gekleidet, sodass die glänzenden, an seinem Bein befestigten Klingen umso unwirklicher glänzten.
Der aufgesetzte Blick war so kalt, dass ich augenblicklich spürte, wie meine Knie weich wurden und mein Herz auf ungefähr die selbe Höhe hinunter sackte.„Ha! Weichei..."
Yoongis amüsierte Stimme drang so unbekümmert durch den Raum, dass mir die Luft wegblieb und ich mich langsam zu ihm umdrehte. Mein Herzschlag war schon wieder angestiegen und ich glaubte langsam in einem falschen Film gefangen zu sein. Vielleicht schlief ich ja noch und das ganze war einfach nur der heftigste Traum, den ich je in meinem Leben gehabt hatte.
„Wie war das?"
Die Stimme des Typen war nicht aufgezogen drohend, aber trotzdem konnte ich genau heraushören, dass es in diesem Moment genau das sein sollte.
Eine Drohung. Im schlimmsten Fall für den Tod.Das hier war schlimmer, als der Koffer-Typ mit der Waffe. Um einiges schlimmer.
„Rein hypothetische Frage; Gibst du deinen Rucksäcken Namen?", fing Yoongi ungeniert an, seine Argumentation zu belegen. Dafür, dass ich näher an diesem Typen dran stand, als er, riss der Schwarzhaarige seine Klappe viel zu weit auf.
Meine Hand verkrampfte sich, um den Griff des Koffers, als der Typ sich von der Tür abgestoßen hatte und mit federnden Schritten auf uns zu kam. Allein anhand dieser Bewegung konnte ich seine Muskeln unter den Klamotten spielen sehen. Auch wenn es nicht viele waren... um Yoongi und mich kalt zu machen, reichte es.
„Also... es muss jetzt nicht unbedingt ein Rucksack sein. Wenn du eher auf Handtaschen stehst, ist das auch okay. Diskriminierung war 2020."
„Yoongi... halt... einfach deine Klappe!", unterbrach ich ihn zischend mit dem letzten Bisschen überschüssige Luft, was ich bekommen konnte. Dass wir das Jahr 2019 hatten, musste ich gar nicht erst erwähnen.Ich rechnete zwar nicht mit einer Waffe, aber trotzdem reichte das Funkeln in den Augen des Kerls aus, um mir klar zu machen, dass das hier kein Traum war. Das leichtes Lächeln, was sich auf seine Lippen geschlichen hatte, unterstrich diese These nur noch.
„Das ist Taktik, Jimin. Ich rede solange, bis das Miezekätzchen verwirrt ist und du ihn verprügeln kannst..."
Der Typ machte einen schnellen Schritt auf uns zu, woraufhin ich sofort nach hinten stolperte, über meine eigenen Füße fiel und unbeholfen neben Yoongi auf dem Boden landete.
„Und wenn das nicht funktioniert?", fragte ich nach und versuchte den weinerlichen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken. Das wäre jetzt die Kirsche auf dem Cupcake.
„Plan B. Dann verprügelst du ihn so."
„Du bist ein mieser Bro. Ich hoffe dir ist das klar", zischte ich und zog mich schwerfällig zurück auf die Beine. Ich konnte es mit diesem Typen niemals aufnehmen, falls er uns überhaupt irgendetwas antun wollte. Weiterer Fall eines Alphatieres.„Ich bin kein mieser Bro. Ich vertraue dir soweit, dass ich denke, du könntest es schaffen", erklärte Yoongi sich und stützte sich etwas hoch, um den roten Koffer an sich zu nehmen, der mir aus der Hand gerutscht war.
Irgendwo sah ich zwar ein, dass Yoongi es schlimmer getroffen hatte, als mich, aber trotzdem hieß das noch lange nicht, dass ich die Drecksarbeit für ihn übernehmen musste. Vor allem nicht, weil er mich erst in diese Situation gebracht hatte. Hätte er mich einfach sterben gelassen, hätten wir jetzt nicht irgendwelche Kriminellen am Hals, die es auf rote Koffer abgesehen hatten.
Ich will nach Hause.
„Ihr wisst nicht, wer ich bin, oder?"
Der Mann lachte leise und sorgte dafür, dass mir vor Panik langsam doch die Tränen hochstiegen. Ich wollte hier weg. Ich wollte mich nicht prügeln. Damit hatte ich nie gute Erfahrungen gemacht. Vielleicht sollte ich den Koffer einfach zurückgeben und mich hinter Yoongi verstecken.„Woher denn?"
Am liebsten würde ich Yoongi eine scheuern für diesen provokanten Unterton in der Stimme, anderseits war er im Moment die einzige Hilfe, die ich noch hatte. Auch wenn er am Ende unter Garantie mit diesem Typen unter einer Decke stecken wird.
Bei meinem Glück.„Mein Name ist Jung Hoseok und du hast etwas, das mir gehört."
In dem Lagerraum war es so still geworden, dass ich meine Herzschlag hören könnte. Irgendwo von außerhalb hörte ich das Gluckern von Wasser und das Geräusch prasselnder Regentropfen. Sogar Yoongi hatte kurz inne gehalten und starrte einfach nur zwischen mir und dem echten Hoseok hin und her.
„Carlos? Für den Fall, dass wir das nicht überleben..."
Weiter kam Yoongi nicht, da war Jung Hoseok schon bei uns und behandschuhte Finger schlossen sich um mein Handgelenk.Ich schämte mich kein bisschen dafür, dass ich ungesund laut aufschrie, als der Mann mich mit einem Ruck von Yoongi wegzog und mich in den Schwitzkasten nahm. Ich kannte das Prozedere schon aus der Schule, allerdings war hier kein Lehrer, der mir im Notfall helfen konnte, und Hoseoks Griff noch tausend Mal fester und schmerzhafter, als der von Chanyeol.
„Gib mir den Koffer!"
♡
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El Dorado ⇢ Yoonmin [pausiert]
FanficZwei Fremde auf der Flucht vor dem Tod. Im Handgepäck Katzenfutter, Brennspiritus und fünf Millionen US-Dollar. Freunde und Feinde dicht auf den Fersen. Ziel: Das Ende der Welt. - „Even if nothing can be promised Find the El Dorado I gotta leave...