Ich zog meine Hand schnell zurück. "M-Manuel?" Es dauerte eine Sekunde bis ich antwortete. "Ja, das bin ich. In niedrigen Kreisen nennt man mich auch 'eure Hoheit'", fügte ich spöttisch hinzu. Was bildete sich dieses Dienstmädchen mit den heruntergekommenen Kleidern ein?
Sie neigte nur, wie es sich gehörte, gehorsam den Kopf. "Verzeiht, Eure Hoheit. Ich weiß nicht, was über mich kam." Der Hügel an Michaels Seite bewegte sich und der Kopf eines jungen Mannes mit verwuschelten, vorne gekürztes, blonden Haaren kam zum Vorschein.
"Melody, warum lässt du dir das gefallen? Der Typ soll sich nicht einbilden, dass er etwas besseres wäre!" Empörung erfüllte mich. Respektlosigkeit war eine Sache, aber dieser persönliche Angriff eine andere, viel schlimmere."Ähm, Verzeihung? Wer hat dir erlaubt so mit mir zu reden?" "Ich mir selbst", gab er frech zurück. Ich baute mich vor ihm auf. "Was. Fällt. Dir. Ein. Ich bin von königlichen Blut, du hast keinerlei Recht so mit mir zu reden."
"Es war klar für einen verzogenen Königssohn aus dem Winter. Nur auf sich selbst bedacht, schert sich kein Stück für die Gefühle und Sorgen anderer. Und aus dir soll ein König werden?"Gerade wollte ich den Mund aufmachen, da zitterten Michaels Augenlider. Sofort war ich Luft für die beiden. "Dado, er wird wach. Warte hier, ich hole ihm seinen Tee" mit diesen Worten stürmte sie aus dem Zimmer.
Ich starrte Micha an. Was hatte er? Würde man ihn irgendwie heilen können? Wer waren diese frechen, respektlosen Personen in seinem Zimmer? Warum hat er mir nichts von ihnen erzählt?
Ich fühlte mich verraten und verspottet durch die Ironie der Situation. Michael war mein Freund. Mein fester Freund.Eben dieser stöhnte unter Schmerzen, der fremde Junge kuschelte sich an ihn heran. Wut zürnte in mir und ich war kurz davor den langen Arm des Unbekannten wegzureißen und Micha selbst in den Arm zu nehmen.
Michael öffnete seine Augen ein winziges Stück. "Maurice?", murmelte er benommen fast unverständlich und ein schwaches Lächeln hob seine Mundwinkel. Ich könnte schreien, tat es aber nicht. Was zur Hölle war mir diesem Maurice los? Ich konnte starke Gefühle in dem Jungen spüren, die tief saßen und jetzt wie Milch in einem heißen Kessel heraufkamen und in großen Wogen in seinem ganzen Körper pulsierten. Ich hatte noch nie so starke Gefühlte beobachtet. Was war das?
Wobei ich es meistens mied, in die Köpfe anderer zu sehen. Es war immer noch etwas, was mir Unbehagen bereitete, da ich es anscheinend besser konnte als die meisten in meiner Familie und nicht nur schemenhaft und flüchtige Einblicke bekam, sondern nahezu sehen konnte, was die Person fühlte. In allen Farben und Intensitäten. Es wäre wohl unmöglich jemanden zu erklären, der es noch nie erlebt hatte.
In dieser Sekunde öffnete sich die Türe und die junge Frau kam hereingestürmt, in ihrer Hand ein hohes, kleines Gefäß, aus dem es dampfte. "Es sind kaum noch Kräuter übrig, Dado", verkündete Melody oder wie auch immer sie hieß besorgt. Ihre Besorgnis umschattete große Bewunderung für jemanden. Es sah ein bisschen aus wie die Gefühle von dem Jungen, es hatte aber nichts tiefes oder verbindendes, sondern nur Leidenschaft an sich. Ich fühlte mich kein Stück schuldig dafür, dass ich in ihre Gehirne eindrang. Sollten sie mir doch endlich erklären, was hier los war.
Ihre Griffe sahen geübt aus. Wie lange taten sie das schon? Waren sie Ärzte? Warum sah der Junge aus, als litte er unter großen Schmerzen? Sein Kopf verriet mir, dass der Schmerz von seinem Bein kam. Aber was hatte er? War Michas Zimmer in ein Hospital verwandelt worden?
Micha hatte Schwierigkeiten mit dem Schlucken und das sah man ihm deutlich an. Ich überwand schnell meine Zweifel, dann sah ich in Michael hinein. Seine ganze momentane Existenz bestand nur aus Schmerz und Leid. Ich erschrak, wie sehr ihm alles wehtat. Es war fast, als könne ich den Schmerz selbst spüren und er verschlug mir den Atem.
Gerade, als ich aus seinem Kopf ging, brach Micha das ganze eben getrunkene auf den Boden. "In Ordnung, das war zu erwarten, er hat nichts bei sich behalten. Vielleicht hilft..", der Rest war so leise, dass ich es nicht verstand, doch Melody ging zu einem kleinen Schränkchen und holte einige Blätter heraus. Sie sah mich an. "Könnt Ihr mir helfen, Eure Hoheit?", fragte sie mich unterwürfig. Maurice schnaubte und ich hätte ihn am liebsten geschlagen.
Ich nickte knapp und sie bat mich, ihr Wasser von draußen zu besorgen. Ich lehnte mich weit aus Michas Fenster und entdeckte einige Meter entfernt den heruntergekommenen Brunnen. Ich konzentrierte mich und stellte mir genau das vor, was ich haben wollte. Keine zwei Herzschläge später, schwebte eine Wasserblase zu uns, die ich gekonnt in das Gefäß entleerte. Den Rest warf ich wieder nach draußen. Alle schienen milde überrascht.
Ich schnippte einmal und das Wasser fing an zu kochen. Melody legte vorsichtig die Kräuter hinein und gab es kurze Zeit später zu Micha, der es bei sich behielt. Die Freude war groß und sogar ich war unendlich erleichtert, dass mein Freund wieder etwas im Magen hatte, was ihm hoffentlich auch half. Er war ganz abgemagert.
Ich wollte endlich wissen, was los war. Genau diesen Wunsch äußerte ich fordernd und Melody bat mich, mich auf das Bett zu setzten. Während Micha wieder einschlief, erzählten mir die beiden alles.
Draußen war es inzwischen stockfinster und sie waren immer noch nicht fertig. Ich tat mir einfach schwer zu glauben, dass Michael wirklich zwei Anhänger vom Frühling und noch dazu welche von königlichem Blut, bei sich hat leben lassen.
Dennoch war ich ihnen irgendwo dankbar, dass sie ihn gesund pflegten.
Sie erzählten weiter und weiter bis die Wiese vor seinem Fenster sich im Morgengrauen blass lila färbte.
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Der Anfang (Grenzen I) [Freedomsquad]
FanfictionStellt euch ein fernes Land vor, in dem es Zauberkräfte gibt und verschiedene Landesteile unterschiedliches Klima haben. Es gibt dort nur Extreme. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Nichts dazwischen, außer unüberwindbaren Grenzen, die keiner zu ü...