Paluten
Als ich von einem Diener aus dem Kaminzimmer herausgerufen wurde, schwirrte mir der Kopf vor lauter Schachzügen. Wenn ich blinzelte, sah ich das karierte Brett vor mir mit den Spielfiguren. Da es im Atrium beinahe dunkel war, konnte ich nur vermuten, wie lange wir da drinnen waren. Sicher acht Stunden. Mir war die Zeit irgendwann nicht mehr aufgefallen. Es war, als gab es auf der ganzen Welt nur mich und Manuel. Es war wunderbar. Er war nicht gemein zu mir und sogar relativ geduldig, wenn man bedachte, wie schlecht ich mich am Anfang angestellt hatte.
Meine Eltern warteten und ich ahnte schlimmes. Ich wollte noch nicht gehen! Hier draußen war es zwar wieder kalt, aber ich konnte einfach in diesem Raum schlafen und jeden einzelnen Tag meines Lebens mit Manuel verbringen. Seine wunderschöne Stimme hören und seinen Körper spüren, ihm ganz nahe sein und ihn lieben. Alleine der Gedanke daran ließ mein Herz höher schlagen und ich wäre am liebsten in den Raum zurück gerannt, um wieder bei ihm zu sein. Sehnsuchtsvoll drehte ich mich um, als ich angekommen war und ich sah zu meiner großen Freude, dass er mir gefolgt war. Er sah mich durchdringend an. Im Laufe des Nachmittags waren unsere Gespräche offener und lockerer geworden und ich konnte ihm sogar einmal ein kleines Lächeln entlocken. Das war das schönste, was ich jemals gesehen hatte. Er bekam kleine Hamsterbäckchen und seine Augen strahlten warm. Dieses Funkeln weckte in mir den Wunsch, ihm um den Hals zu fallen und ihn nie wieder los zu lassen.
Ich wusste: es hätte eigentlich nicht schlimmer kommen können mit meiner Wahl, aber ich hatte keine freie Entscheidung. Jetzt war ich dazu verdammt für immer und ewig in einen Jungen verliebt zu sein, den ich nie wieder sehen würde. Mir stiegen Tränen in die Augen und meine Kahle schnürte sich zu. Nein, ich würde jetzt nicht weinen. Nicht jetzt, nicht hier. Tapfer lächelte ich dagegen und spürte bald, dass ich wieder normal atmen konnte.
"Patrick, wir fahren" Ich hatte Fragen, doch ich verschob sie auf die Kutschfahrt. "Aber.." ich wollte widersprechen, doch der Blick meiner Mutter stoppte mich.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich. Die große Türe wurde geöffnet und ein Dutzend Soldaten kam herein. Sie würden unser Begleitschutz werden, verkündete ihr Führer. Dann war es Zeit zu gehen. Hilflos drehte ich mich zu Manuel um. Doch bevor ich mich richtig verabschieden konnte, wurde ich von meiner Mutter an der Hand genommen und die ersten Meter gezogen, bis sie mich losließ. "Lächeln", raunte sie mir zu. Und ich versuchte es. Ich versuchte wirklich nicht zurück zu sehen, doch als wir in der Kutsche saßen, konnte ich es mir nicht verkneifen einen Blick auf das Tor zu werfen. Sie war wieder am schließen, Manuel war weg. Ich unterdrückte ein tiefes Seufzen und wendete meinen Blick ab. Stattdessen starrte ich auf meine Fußspitzen.
"Können sie etwas für uns tun?", fragte ich in die Stille hinein. Meine Mutter schlief wieder. Mein Vater sah mich an "Sie wissen es nicht. Der König konnte mit seinen Kräften nichts ausrichten. Ich bezweifle, dass es jemand anderes kann" Ich sagte nichts. Es war ernüchternd. Waren wir wirklich verloren?
Mein Herz fühlte sich an, als ob es in tausende Teile gebrochen wäre. Ich konnte mich kaum rühren. In meinem Zimmer war es unerträglich heiß, mir war so unerträglich heiß, heißer als es jemals in meinem Leben war. Doch innerlich war ich eingefroren, ich spurte nichts außer Schmerz, nichts außer dieses brennenden, alles vernichtenden Schmerzes. Ich konnte nichts tun außer in meinem Bett liegen und weinen. Und wenn die Tränen versiegt waren, starrte ich an die Decke und widerstand der Versuchung aus meinem Fenster zu springen. Wenn ich überleben würde, würde ich sofort zu Manuel laufen.
In meinen Träumen freute er sich, dass ich kam, küsste mich zur Begrüßung und er ging mit mir ins Bett weil ich so müde war. Er lächelte die ganze Zeit.
Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, grinste ich wie noch nie in meinem Leben, nur um dann umso lauter zu weinen, weil das niemals wahr werden würde. Ich werde ihn niemals wiedersehen.
Es wurde noch heißer. Die Sonne brannte. Ich hörte immer wieder von draußen, dass das das heißeste Wetter aller Zeiten war. Es war fast fünfundfünfzig Grad warm. Man konnte sich kaum rühren ohne zu schwitzen, es gab kaum Wasser, alles vertrocknete. Bald hätten wir kein Wasser mehr. Der König musste etwas unternehmen. Sonst würden wir alle sterben.
Ich aß eine ganze Woche nichts außer einigen verschrumpelten Erdbeeren, die ich aber nicht ansehen konnte, weil ich mir dachte, wie Manuel wohl aussehen würde, wenn er sie aß. Würden sie ihm schmecken? Würde er sie eklig und zu süß finden? Sie waren wirklich süß. Und unfassbar heiß. So wie alles. Überall.
Ich schluchzte unkontrollierbar. Meine Kehle war heiser vor dem ganzen Weinen und das gedämpfte Schreien in mein Kissen. Der Schmerz lenkte mich von dem in meinem Herzen ab, doch ich spürte diesen wie noch nie in meinem Leben zuvor. Wie sollte ich das überleben?
[843 Wörter]
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Der Anfang (Grenzen I) [Freedomsquad]
FanfictionStellt euch ein fernes Land vor, in dem es Zauberkräfte gibt und verschiedene Landesteile unterschiedliches Klima haben. Es gibt dort nur Extreme. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Nichts dazwischen, außer unüberwindbaren Grenzen, die keiner zu ü...