0. Prolog

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Samstag, 16.05.1998 21:52 Uhr
2 Wochen nach der Schlacht

Eine starke Windböe brauste zwischen den vielen Häusern in der Londoner Innenstadt hindurch. Es regnete mal wieder in Strömen, wodurch die bunten Lichter der Autos und der Reklametafeln mehr wie eine große, robuste Mauer wirkten, durch die sich niemand trauen würde, durchzudringen.
Die Reifen der Autos rutschten über den Asphalt, das Wasser auf der Straße spritzte gebündelt in die Luft und ergoss sich über das gesamte Trottoir.
Inmitten dieses Wirrwarrs stapfte ein junges Mädchen durch eine alte, dunkle Gasse, die hauptsächlich von Containern besiedelt war.
Es war bitterkalt, obwohl es nun langsam auf die Sommermonate zuging, so dass das Mädchen den dicken Mantel mit ihren zarten Händen immer fester packte und um sich schlang.
Für jeden wäre es ungewöhnlich, ein junges Mädchen von gerade mal 18 Jahren allein durch die schwarze Nacht gehen zu sehen, vor allem in London, wo die Kriminalitätsrate nicht gerade niedrig war, doch die hübsche Brünette war keinesfalls gewöhnlich.
Sie war eine Hexe, noch dazu wohl die Klügste ihres Alters.
Sie bog um eine Ecke in die nächste Sackgasse, doch anstatt umzukehren und einen anderen Weg zu suchen, eilte sie auf das letzte Haus in der Reihe zu. Aus ihrer Manteltasche zog sie einen langen Holzstab hervor, ihren Zauberstab aus wundervollem Weinrebenholz, mit dem sie auf drei bestimmte Backsteine klopfte.
Der Verhüllungszauber war gebrochen und eine alte Tür erschien, wo eben noch nur die Ziegel gewesen waren.
Sie klopfte dreimal.

"Passwort?" Eine schneidige Stimme ertönte.

Die junge Hexe strich ihre Kleider und ihr Haar zurück. Sie wagte einen letzten Blick über die Schulter, um sicherzustellen, dass ihr niemand gefolgt war.

"Unheil angerichtet."

Die Tür schwang auf und der Blick auf ein großes Restaurant im Stil der 20er Jahre, ihr Lieblingsjahrzent, wurde freigegeben.
Riesige Kronleuchter aus Kristall hingen von der Decke herab und funkelten im Licht der vielen Kerzen in allen Regenbogenfarben. Mehrere Runde Tische standen um eine große Tanzfläche herum, gegenüber des Eingangs ragte eine kleine Bühne empor, auf der Frauen in kurzen Kleidern tanzten und eine Band aus Skeletten Jazz-Musik spielte. Ein besonders kleines Skelett hielt einen Kontrabass in den Knochen, der doppelt so groß war wie es selbst.
Zu ihrer Linken führte eine große Treppe mit einem Geländer aus weißem Marmor in den 1. Stock, aus dem Dampf quoll und ein herrlicher Geruch die Luft betörte.

"Und ich dachte schon, du kommst nicht mehr."

Ein schlaksiger Junge mit fuchsrotem Haar, strahlend blauen Augen und hunderten Sommersprossen trat der jungen Hexe entgegen und lächelte sie belustigt und leicht schüchtern an.
Ihre Lippen formten ein großes Lächeln, ehe sie ihn kurz küsste und dann in die Arme nahm. Sie drückte ihn an sich und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter, die Nähe zu ihm gab ihr ein Gefühl von Sicherheit und Zuversicht, ein Gefühl von Beständigkeit.
Der ganze Stress und die Anspannung der letzten Wochen schien einfach von ihr abzufallen.

"Ich hab dich vermisst", schluchzte sie, an seine Brust gedrückt.
"Zwei Wochen sind viel zu lange, um dich nicht zu sehen."

Seine Brust vibrierte vor Lachen, er strich ihr über das Haar und für eine kurze Weile standen sie bloß so da. Um sie herum eilten Kellner im Anzug zu den Tischen, nahmen die Bestellungen auf, balancierten Teller voll Essen auf ihren Armen. Doch die junge Hexe und ihr Liebster genossen die traute Zweisamkeit, während all die Last der letzten Wochen von ihren Schultern fiel.

"Also, was ist das hier?"

Das Mädchen hob die Arme und versuchte den Raum auf sich wirken zu lassen.
Der rothaarige Junge schmunzelte leicht.

"Ich habe dich die letzten Wochen auf Abstand gehalten, nun mache ich das wieder gut."

Einer der Kellner trat an das Paar heran und bot der Hexe seinen Arm an.

"Miss, ich bringe Sie zu ihrem Tisch."

Sein leichter Akzent brachte die Hexe zum schmunzeln, ehe sie seinen Arm nahm und ihm folgte.
Überall an den vielen Tischen saßen junge, alte, fremde und bekannte Gesichter von Hexen und Zauberern, die sie seit der großen Schlacht nicht mehr gesehen hatte.
Der Kellner führte das Paar an einen großen Tisch, wo schon ein Mädchen mit genauso feuerrotem Haar und ein Junge mit blitzenden grünen Augen und schwarzen, zerzausten Haaren saßen.

"Da bist du ja!", lachte die rothaarige Hexe erfreut, ehe sie sich erhob und ihre Freundin umarmte.

"Wir dachten schon, du hättest dich verlaufen", grinste ihre Begleitung.

Seine Haare fielen ihm ins Gesicht, was seiner Freundin die Möglichkeit gab, ihm die schwarzen Strähnen nach oben zu streichen und einen sanften Kuss auf seiner Wange zu platzieren.

"Leute", meckerte der rothaarige Zauberer, "sucht euch ein Zimmer. Ich will meine Schwester nicht knutschen sehen!"

Sie alle vier brachen in Gelächter aus, das beklemmende Gefühl in der Brust der Brünetten ebbte ab, während sie zusammen mit ihren besten Freunden an dem Tisch saß und sie sich gegenseitig erzählten, was die letzten zwei Wochen passiert war.
Sie aßen und tranken, lachten und weinten, bedauerten ihre Verluste und bejubelten das Leben, das vor ihnen lag.
Die Nacht schritt immer weiter voran, die Jazzband spielte munter und hier und da tanzten schon ein paar der Gäste.

"Darf ich bitten?", fragte der schwarzhaarige Junge seine Freundin und grinste sie belustigt an.

"Ich wäre verletzt, wenn du es nicht tätest."

Die beiden sprangen auf und eilten auf die Tanzfläche. Das alles hatte etwas Magisches an sich. Die Musik, der Trubel - es war als hätte sich ein Schleier gehoben. All die Trauer verblasste im lauten Klang der Melodie und wurde weit weit weg gespült, so weit, dass es einer entfernten Erinnerung gleichkam. War es überhaupt geschehen? Konnte so ein Unheil überhaupt existiert haben?
Doch tief in ihrem Inneren kannte die junge Hexe die Antwort. Die Dunkelheit würde immer existieren, denn ansonsten gäbe es kein Licht. Dieser Krieg lag nun hinter ihnen, doch die Narben würden zurückbleiben, auf ewig. Nie würden sie diese Zeit vergessen können, nie darüber hinwegkommen.

"Möchtest du... also- möchtest du auch tanzen?"

Zögerlich streckte der rothaarige Junge seine warme Hand nach ihrer aus und sah unsicher zu ihr auf.
Sie wischte die schlechten Gedanken beiseite und setzte ein Lächeln auf.

"Sehr gerne."

Er führte sie direkt vor die Bühne und ungeschickt versuchten sie im Takt der Musik mitzuhalten.

"Du bist ein furchtbarer Tänzer", lachte das Mädchen und küsste ihn.

"Ich bin klasse, du lässt dich bloß nicht führen!", scherzte er zurück.

Und so tanzten sie die ganze Nacht durch, Arm in Arm, einfach glücklich, zusammen zu sein.

"Ich liebe dich, Hermine."

"Ich liebe dich auch, Ron."

Alles war perfekt.
Wäre es doch perfekt geblieben...

𝐄𝐢𝐧 𝐳𝐚𝐫𝐭𝐞𝐫 𝐇𝐚𝐮𝐜𝐡 - HarmioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt