1.The Power Of Love - Gabrielle Aplin

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Meine beste Freundin wird sterben. Tot sein. Verschwinden. Für immer und ewig. Begraben unter einem Haufen Erde.

Wie auch immer man diese Tragödie beschreiben möchte. Im Endeffekt kommt es immer auf das gleiche hinaus:

Sie wird sterben. Sie wird nie wieder Lachen. Nie wieder mit mir rumalbern können. Sie wird niemals Heiraten. Oder Kinder bekommen. Alt werden.

Diese Gedanken schwirrten mir im Kopf herum seit diese schreckliche Diagnose gestellt wurde. Ich nahm nichts mehr um mich herum wahr. Nichts, außer diesen scheußlichen dumpfen Schmerz in meinem Magen. Der schwere Stein, auf meiner Brust, der mir den Atem nahm. Ich fühlte mich unglaublich schlecht, da ich nichts an dieser Situation ändern konnte. Ich konnte nicht einfach einen guten Rat geben und das Problem wäre gelöst. Nein, dieses Problem konnte nicht so einfach gelöst werden. Ein Wunder wäre ganz gut, aber unter diesen Umständen, war es unmöglich auf sowas zu hoffen. Denn Krebs konnte nicht einfach so verschwinden und geheilt werden, vor allem nicht wenn er so im Körper verteilt war, wie bei Mia.

Sie wird sterben. Diese Tatsache ist Unaufhaltsam.

Die Hoffnungen, die wir in den letzten Monaten, Wochen und Tagen gehegt hatten, waren in einem Schlag weggewischt, zerschlagen worden. Niemand konnte mehr an dieser Situation rütteln. Niemand konnte noch irgendetwas an dieser grauenvollen Situation ändern.

Sie. Wird. Sterben.

Der Druck ihrer kleinen schwachen Hand holte mich aus meinen Gedanken raus und wieder rein in die Realität. Sie klammerte sich so fest an mich, als würde sie ertrinken und langsam untergehen, meine Hand ihr letzter Anhaltspunkt. Stille herrschte im ganzen Raum, keiner traute sich auch nur ein Mucks zu machen, einzig und allein die Geräusche der Luftpumpe und das regelmäßige Piepen vom EKG waren zu hören. Die schockierende Nachricht schwebte noch quälend im Raum. Respektvoll zog sich der Arzt und die Arzthelferin zurück, nachdem sie sich nochmal bei uns mit qualvollen Gesichtern entschuldigt hatten. Leise schloss sich die Tür und damit fielen alle Dämme.

Miss Feltmann, Mias Mama, klammerte sich in das Hemd ihres Mannes und fing herzzerreißend an zu schluchzen. Die Gesichter der anderen zeigten auch tiefe Bestürztheit. Bei einem ihrer Brüder, dort liefen unaufhaltsame Tränen über die Wangen, bei dem anderen sah man nur wie sich eine kalte Wand aufbaute, die versuchte den Schmerz an sich abprallen zu lassen, sie versuchten für sie stark zu sein, aber klappen tat es bei niemanden. Nur ich beobachte einfach nur meine beste Freundin und ignorierte das stumpfe Gefühl in meinem Magen. Denn bei der Hauptperson in diesem Zimmer erschien ein gequältes Lächeln auf dem Gesicht. Der Person die es am schwersten getroffen hatte. Wie immer dachte sie nicht an sich selbst und versuchte uns andere zu beruhigen. Wofür hatte sie das hier verdient?!

"Tja, ich würde sagen bald habe ich es geschafft", scherzte sie mit einer krächzenden Stimme und spielte ihr Schauspiel tapfer weiter. Wieder schluchzte die Frau auf und stürmte aus dem Zimmer, dicht gefolgt von ihrem Mann. Diesmal krachte die Tür laut zu. Mia sah ihr mit einem traurigen Blick hinter her und atmete zittrig aus.

Sie wird sterben.

Und dieser Satz von ihr machte mich wütend. Von vorne herein hat sie nicht für sich gekämpft. Sie hatte von Anfang an aufgegeben. Fest drückte ich ihre Hand und symbolisierte somit meinen Ärger. Ihre Augen huschten zu mir und eine Falte bildete sich zwischen ihren Augen. Meine Wut verflog augenblicklich, als ich ihren verletzlichen und müden Blick sah.

"Bitte hör auf deine Show zu spielen", murmelte ich und musterte sie weiterhin besorgt.

Langsam schloss sie ihre Augen, sie drückte die Atemmaske enger an ihr Gesicht und flüstere qualvoll :"Ich kann nicht. Ich kann einfach nicht, wenn ich jetzt nicht lächle und sage, dass alles gut wird, breche ich zusammen.... dann breche ich zusammen, Amber. Und das kann ich Mama, Papa, allen anderen und besonders dir nicht antun. Es ist besser ich verstecke mich hinter meinem Lächeln, als dass ich anfange zu weinen. Denn dann kann ich nicht mehr aufhören. Du hast den Arzt ja gehört, es wird nicht mehr für lange sein."

GerettetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt