spiegelschön

9; Natia

Ich werfe mir den blauen Schal erneut über die Schulter. Der dumme Wind hebt ihn immer wieder an oder verrückt ihn.
,,Kommst du?", Milan ist hinter mir aus dem Bus in Richtung Schule gestolpert, doch nun steht er wie versteinert an Ort und Stelle. Seine Augen starren trüb geradeaus und wirken nicht mehr so aufmerksam und fokussiert. Seine Locken gleichen einem Vogelnest und selbst die Sommersprossen auf seinem nun blassen Nasenrücken und Wangen zeugen von seinem Zustand. Doch eine Sache fällt mir nun wieder auf, selbst die fast blauen Augenringe lassen ihn noch immer unbeschreiblich attraktiv aussehen.
Seine vollen Lippen und die unendlich langen Wimpern kombiniert mit den definierten Gesichtszügen, den leichten Wangenknochen und diesen unwiederstehlichen Locken sind beneidenswert. Wahnsinnig macht allerdings besonders sein Lächeln oder wenn er sein Lippenpiercing trägt.
Zu meinem Überraschen weiß er allerdings jede noch so kleine Himmellei sofort im Keim zu ersticken, durch seine manchmal so feindselige Art mit anderen zu reden. Ob er das bewusst tut oder aus Spaß, wird wohl nie jemand erfahren.
Milan blinzelt, schließt den Reißverschluss seiner blauen gefütterten Jeansjacke fast schon gewaltsam und stapft an mir vorbei ins Gebäude hinein.
Auch meine Schultern straffen sich und ich rede mir ein, dass es nicht viele Leute wissen werden.
Vermutlich wird nicht mal eine handvoll Leute davon gehört haben. Sie werden mich nicht beachten und die 20 Gramm mehr wird auch keiner sehen. Sicher wird das ein normaler Schultag.
Und als ich die Schwingtür passiere, wird mir augenblicklich schlecht.
,,Sie war auch dabei, als es passiert ist!"