(oder wie die coolen Leute sagen: Pov):
Ich sitze an einem ganz gewöhnlichen Schultag im Unterricht und versuche, die Zeit bis zur nächsten Pause so schnell wie möglich herumzubringen. Schließlich haben wir gerade mal wieder mein absolutes Hass-Fach, was ich überhaupt nicht leiden kann: Erdkunde. Ich meine; was gibt es denn langweiligeres und uninteressanteres als die Welt außerhalb von Amerika!? Alles was ich über die Welt außerhalb der USA wissen muss, ist dass außenrum Wasser ist, außer im Süden und im Norden. Im Süden ist ein großes Land wo die ganzen Kindermädchen, Putzfrauen und Gärtner herkommen, und im Norden gibt es nur viel Wald, Kälte und ein paar Langweiler dazwischen.
Allgemein hasse ich die Schule total, auf die ich gehe. Ich besuche die Tschunior Mile High in Los Angeles, die von einem fragwürdigen Direktor geleitet wird (denn aus welchen Gründen auch immer geht es immer so aus, dass wir nur Weiße an unserer Schule haben). Und auch sonst habe ich in der Schule keinen besonders guten Ruf. Ich gelte dort nämlich als die Schulmatratze. Dabei, so schlimm bin ich gar nicht, da gibt es schlimmere! Ich habe eben gerne meinen Spaß und genieße meine Jugend.
Doch, wie es dazu gekommen ist, da muss ich erst ein wenig ausholen:
Aufgewachsen bin ich in einem preisgünstigen Vorort von LA in einer Familie der unteren Mittelklasse (also, untere Mittelklasse nach LA-Verhältnissen. Für eure Verhältnisse sind wir immer noch stinkreich). Natürlich bin ich ein Einzelkind. Würde zum Storyverlauf ja nichts beitragen, wenn ich Geschwister oder ein Haustier hätte. Meine Eltern arbeiten beide bei "Warmer Brothers Picsar", einem Animationsunternehmen. Mein Vater ist Abteilungsleiter im Gebäudemanagement, und meine Mutter arbeitet im Rechnungswesen. Ziemlich langweilige Berufe, wenn ihr mich fragt. Sie arbeiteten in meiner Kindheit sehr viel und haben ihre Liebe mit materiellen Geschenken an mich aufgewogen.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es tatsächlich Menschen in meinem Alter gibt, die noch nie Sex hatten! Wie alt ich bei meinem ersten Mal war... das verrate ich mal lieber nicht, das gibt sonst noch Probleme mit der Jugend-Aufsichtsbehörde. Allerdings hat es mir damals überhaupt nicht gefallen und ich hatte für lange Zeit das Interesse daran verloren (was ich mir heute auch nicht mehr vorstellen kann).
Weil meine Eltern für mich oft keine Zeit hatten, verbrachte ich als Kind viele Nachmittage bei den Nachbarn, wo wir zusammen Hausaufgaben machten und dann mit der ganzen Nachbarschaft auf der Straße spielten. In unserer Nachbarschaft gab es viele Familien mit Kindern. Darunter gab es eine ganz seltsame Familie, von der ich nun mehr erzählen möchte. Die Familie wurde von allen gemieden und kritisch beäugt, da öfters Geschrei aus dem Haus zu hören war. Der Vater der Familie hatte fast täglich Wutausbrüche, oft flogen einfach Gegenstände aus dem Haus durch die Fenster. Fast wöchentlich kam der Glaser vorbei.
Über die Mutter weiß ich nicht sehr viel. Ich sehe sie manchmal monatelang nicht. Wenn überhaupt, dann nur wenn sie kurz zu den Mülltonnen oder zum Briefkasten geht. Manchmal steht sie auch mit einem grenzdebilen Grinsen tatenlos in der Einfahrt und winkt jedem Passanten mit einem fast schon nervtötend-gutgelaunten "Hallooooo!!!" zu.
Den Sohn kenne ich dagegen viel besser. Sein Name ist Stanley und er war ein sehr ängstliches und verschlossenes Kind. Von sich aus redete er eigentlich mit niemandem, und hatte gelegentlich nervöse Zuckungen. Wenn wir nachmittags auf der Straße spielten, saß er meistens nur am Rand dabei. Obwohl er vier Jahre älter ist als ich, ärgerte ich ihn damals sehr gerne und er ließ es sich einfach gefallen. Egal wo, ob auf dem Schulhof oder zu Hause, aber meistens in der Schule. Und zwar das volle Programm: Pausenbrot wegessen, Kakao in den Ranzen schütten, Uhu in die Haare schmieren. Ich konnte ihn damals absolut nicht leiden und machte mir einen Spaß daraus, endlich eine verärgerte Reaktion von ihm zu provozieren und ihn fertigzumachen. Verdient hatte er's.
Als ich sieben Jahre alt war und wir gerade Sommerferien hatten, traf ich ihn zufällig im Schwimmbad. In einem günstigen Moment wo er nicht hinsah, piekste ich ein Loch in seine Schwimmflügel, damit die Luft darin unbemerkt immer weniger wird, während er schon im Wasser ist. So kam es dann auch, und Stanley ging irgendwann unter da er nicht schwimmen konnte. Er musste sogar vom Bademeister gerettet werden und bekam Mund-zu-Mund-Beatmung. Ich lachte mich darüber kaputt. Als Stanley wieder zu sich kam und erfuhr dass ich das war, stand er auf, stampfte mit dem Fuß auf den Boden und rief: "So, jetzt bist Du endgültig zu weit gegangen!", und verließ das Schwimmbad.
Seit dem Vorfall sah ich ihn so gut wie gar nicht mehr. Was auch daran liegt, dass er nach den Sommerferien auf die Highschool wechselte. Ich sah ihn nur noch von Weitem, da er scheinbar mit Joggen angefangen hat, und am Nachmittag fuhr er auf seinem Mountainbike mit einer Sporttasche hinten drauf.
Ein Tag ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ich war nachmittags alleine zu Hause und spielte gerade mit meiner Barbie-Luxusvilla, da hörte ich draußen auf einmal Geschrei. Es war Stanleys Vater. An sich nichts Besonderes, da er ja immer wieder schreit, aber diesmal war irgendwas anders. Es war kein wütendes, sondern ein ängstliches Geschrei, was er von sich gab. Ich ging zum Fenster und sah es mir an. Da sah ich Stanleys Vater an unserem Haus schreiend vorbei rennen. Hinterher rannte Stanley mit einem in der Mitte entzwei gegangenen Skateboard in der Hand. "Ja, hau nur ab!", rief Stanley. "Ich hoffe, es hat ordentlich wehgetan! Jetzt siehst Du mal, wie das ist, wenn ich mich wehre!". Drohend winkte er ihm mit dem Skateboard hinterher, doch der Vater war schon über alle Berge.
Seitdem gab es kein Geschrei mehr aus dem Haus, ich habe Stanleys Vater auch nie wieder gesehen.
YOU ARE READING
Catilynn und der Bädboi - Bonusmaterial
HumorHinweis: Dies ist keine in sich eigenständige Geschichte, sondern bezieht sich auf "Die tragische Tragödie von Catilynn und dem Badboy". Eigentlich hatte ich dieses absolut schwachsinnige und total von Logik befreite "Werk" nur geschrieben, weil mir...