Es taut

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Quirin überlegt, wie er die Situation retten kann. Er schaut in Jaron's treue Augen und sagt: "Ja das würde ich gerne. Aber du musst erst zu deinen Eltern. Sie machen sich bestimmt Sorgen."

"Ich dachte.... Willst du mich doch loswerden?"

"Nein, Jaron, aber ich hätte ein besseres Gefühl, wenn deine Eltern wissen, dass es dir gut geht."

"Was ist eigentlich mit deinem Eltern?"

Quirin schweigt. Es tut ihm zu weh darüber zu sprechen, dass er allein ist. Dass sie ihn verlassen mussten, als er fünf war. Betroffen sagt Jaron: "Sorry, ich wollte dir nicht zu Nahe treten. Ich werde dann jetzt besser gehen. Sehen wir uns wieder?"

Quirin nickt. Statt zu antworten küsst er Jaron ganz sanft. "Wenn du mich nicht findest, schau in den Himmel. Dann bin ich für dich da."

Total irritiert nickt Jaron und nimmt Quirin in den Arm. Quirin ist froh, dass Jaron seine Eistränen nicht sehen kann. "Ich komme zu dir zurück, versprochen", flüstert Jaron ihm zu.

Dann dreht er sich um und geht im Sonnenschein über die Zugbrücke. Blickt mit einem liebevollen Lächeln zurück, ehe er den Pfad verlässt.

Uhuja setzt sich auf die Schultern ihres traurig wirkenden Herrchens. "Die Sonne", sagt er sorgenvoll. "Was ist, wenn es taut? Wenn der erste Schnee gestern nur eine Ausnahme war? Dann werde ich Jaron nie wieder sehen." Die Schneeeule gurrt nur ganz mitleidig.

Quirin tapst in sein Schloss zurück. Auf einmal verflucht er den ewigen Winter, in dem er seit Jahren gefangen ist. Er erinnert sich an die Worte seiner Mama: "Ich liebe dich mein Schneeflockenprinz. Und wenn wir fest daran glauben, sehen wir und wieder." Wie gerne würde er daran glauben. Quirin geht in seine Schlossbibliothek. Hinter all den Wissensbüchern hat er sein Familienstammbuch versteckt. Das ist das einzige, was ihn noch mit der Erinnerung an die mächtige Königsfamilie, aus der er einst stammte, verbindet. Da steht auch sein Geburtsdatum drin: der 1. Januar 2000. Eine eiskalte Winternacht. Er war das erste Kind des neuen Jahrtausends. Dann holt er das Notizbuch hervor, in das seine Mutter geschrieben hat. Er drückt es ganz fest an sein Herz. " Sie haben sich für mich geopfert", seufzt er.

Ganz traurig geht Quirin durch die Eingangshalle, vorbei an der riesigen Schneekugel. Er öffnet nochmal die Pforte, schaut sorgenvoll hinaus. Die Sonne ist zu stark. Der erste Schnee scheint tatsächlich heute noch zu schmelzen. Er schaut in den Himmel und hofft so stark wie nie, dass es schnell wieder schneien möge.

Jaron hat den Weg nach Hause zurückgefunden. Seine Eltern haben eine schlimme Nacht hinter sich. Voller Sorge um ihren Sohn haben sie wach gelegen. Sie wollten sogar die Polizei verständigen. Aber nun scheint wieder alles gut zu sein. Gedankenverloren starrt Jaron nach draußen. Hier ist der ganze Schnee schon weggetaut. Obwohl er ihn erst so kurz kennt, verspürt er eine tiefe Sehnsucht nach Quirin. Die zärtliche Annäherung fand er einfach nur wunderschön. Er will mit Quirin noch so viel erleben. Plötzlich spürt er einen tiefen Schmerz, den er nicht einordnen kann.

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