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Die Pancakes hätten nicht besser schmecken, die Sonne nicht stärker scheinen und die Gesellschaft nicht besser sein können. Es war der perfekte Sommertag, den Theo und ich an jenem Tisch in jenem Diner verbrachten, in dem wir unser erstes Date hatten. Ich lächelte, weil ich nichts mehr als glücklich sein wollte, auch wenn meine Gedanken gerade mit allen möglichen Mitteln versuchten, mich davon abzuhalten.

Doch als Theo mir mein Geschenk überreichte, eine kleine Schachtel mit gelber Schleife, konnte ich meinen Kopf für einen Moment stumm schalten. Neugierig nahm ich den Deckel ab und fand eine Kette mit einem silbernen Efeublatt als Anhänger darin. Ich hätte gerne etwas erwidert, doch mein Kopf gab keine Worte her.

„Woher...?", war das Einzige, das ich schaffte, zu sagen. Ich war sichtlich verwirrt, da ich mich nicht daran erinnern konnte, ihm erzählt zu haben, dass der Efeu meine Lieblingspflanze war.

„Deine Schwester hat es mir gesagt."

Und mit einem Mal war mein Kopf wieder an, die Gedanken unüberhörbar und die Erinnerungen so klar, als würden sie jetzt gerade in diesem Moment geschehen.

Irgendwie schaffte ich es, mit meinen Lippen ein Danke zu formen, sie auf Theos zu pressen und anschließend zu einem gequälten Lächeln zu verformen, während er mir die Kette umlegte.

Ich wollte ja glücklich sein. Ich hatte jeden Grund dazu, wenn ich in seiner Nähe war. Es war ja nicht so, dass ich mir keine Mühe gab. Es gab kaum etwas, das ich mir mehr wünschte, als den Rest der Welt zu vergessen, die Vergangenheit auszublenden und die Kehlen dieser beschissenen Stimmen in meinem Kopf durchzuschneiden. Aber wie stellte man das schon an?

Ich hätte ihn gerne gefragt. Doch wusste er eine Antwort? Könnte er mir helfen?

Ich räusperte mich, als ich Theos besorgten Blick wahrnahm und mir seine Frage schon ausmalen konnte. Wie gerne ich sie mit „Ja, es ist alles okay" beantwortet hätte. Aber das wäre gelogen.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll."
„Hey, es ist alles gut." Er legte seine Hand auf meine Schulter und versuchte so, mich zu beruhigen.

„Es geht schon eine ganze Weile so", begann ich. „Mein Kopf – er macht was er will. Ich sitze bei der Arbeit und kann mich plötzlich nicht mehr konzentrieren, ich koche mir Essen und weiß plötzlich nicht mehr, was ich da tue, ich schaue mir einen Film an, und fange plötzlich an zu weinen. Ich weiß nicht, woher das kommt. Da ist so vieles auf einmal, doch wenn ich versuche, es zu greifen, stehe ich jedes Mal mit leeren Händen da."

Theo schaute mich besorgt an. Es entstand eine kurze Pause, in der ich erstmals die laute Musik, die im Diner gespielt wurde, wahrnahm. It's just right now I got a really crazy mind to clean.

„Sie schreien. Sie schreien mich an. Und ich bin zu nichts mehr in der Lage." Ich merkte gar nicht, wie Tränen in meine Augen stiegen. „Kennst du das?"

Er schüttelte bedrückt den Kopf.

„Als ich dich kennengelernt habe, waren die Stimmen leise. Die meiste Zeit, die ich mit dir verbracht habe, hielten sie sich zurück. Ich hatte gehofft, dass du die Lösung bist."

Er lächelte mit trauriger Miene.

„Das wärst du auch, wenn es eine gäbe."
Er wartete einen kurzen Moment, falls ich noch etwas zu sagen hätte, aber ich blieb still.

„Es gibt immer eine Lösung, Enna. Auch, wenn du sie zurzeit noch nicht sehen kannst."
„Was, wenn nicht?", rief ich. „Was, wenn es diesmal keine gibt?"
„Enna, beruhige dich. Das kannst du so doch gar nicht sagen. Hast du... hast du schon einmal überlegt, zu einem Therapeuten zu gehen?", fragte er vorsichtig.

„Denkst du ich bin verrückt? Ich brauche keinen Therapeuten. Ich bin nicht–"

„Das habe ich auch nicht gemeint. Aber vielleicht–"

„Hörst du nicht? ICH BIN NICHT VERRÜCKT!

Und ich verfluchte das Radio dafür, dass es Heavydirtysoul von Twentyone Pilots spielte.

EverlongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt