8.Wird man den wieder los?

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Annes Sicht

"Das würde ich auch gerne wissen."

Wieso? Wieso muss er den Weg zu unserem Palast gefunden haben. Ein bösen Hintergedanken ausblendent, erhebe ich mich und drehe mich um. Aus den Augenwinkeln erkenne ich Gilbert, welcher ordentlich angespannt wirkt. Seine Kiefermuskeln stechen heraus. Ein Anblick wie er im Buche steht.

"Und. Was verschlägt dich hier her." Ein Grumeln von Gilbert. Es war eindeutig keine Frage, es klang eher wie eine Drohung.
Hinter Alexander bewegt sich etwas und keinen Moment später, taucht Diana hinter ihm auf. Ihr breites Lächeln erlöscht, als sie den Blick von Gilbert und mir sieht. "Leute, schaut mal wen ich auf dem Weg getroffen habe." Sie schaut Alexander lächelnd von der Seite an, dieser lächelt zurück und legt ein Arm um Dianas Schulter.
Gilbert neben mir spannt sich noch mehr an, wenn das überhaupt möglich ist. Ihre Augen stattdessen werden riesengroß und sie lächelt verlegen. "Angeblich startet hier eine große Feier und da wollte ich meine Schulfreunde mal näher kennenlernen."

"Da hast du dich vertan, das ist eine Feier im privaten und da bist du leider nicht eingeladen." Die schnippische Stimme von Gilbert durchbricht die Stille.

Gilberts Sicht

Ich habe mich nicht mehr unter Kontrolle, dieser Junge bringt in mir das Schlimmste hervor. Eine
Seite, die mir bislang fremd war.

Es wird Zeit, dass er geht.

"Gilbert meint es nicht so, komm setz dich Alexander." Als das kleine zierliche Mädchen im Hintergrund zum ersten Mal die Stimme erhebt, drehen wir uns alle direkt in ihre Richtung. Ruby schaut Alexander mit dem selben Blick an wie es Diana tut. Ist irgendwas mit diesen Jungen, was mir noch nicht aufgefallen ist oder was bedeuten diese großen Augen. Die allesamt ihn anschauen. Ein Blick nach links verrät mir, dass auch Anne ihn betrachtet, als wäre er vom Himmel gefallen.

Wut streift durch meinen Körper und meine Nägel drückensich schon förmlich in meine Handballen. Zudem muss diese Junge auch die ganze Zeit Anne ansehen und das nicht auf eine normale Art, sondern auf eine, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Plötzlich schreckt Anne neben mir hoch. "Oh nein! Die Sonne geht schon unter." Sie packt ihr Buch und schaut kurz in die Runde. "Ich muss gehen." Noch bevor sie auf dem Absatz kehrt machen kann, greift Diana sie am Unterarm. Ihr Blick voller Sorge. "Du sollst doch nicht alleine nach hause. Weißt du nicht mehr als Matthew gesagt hat, dass es einen Wolf gebe oder so. Er sagte..." Jetzt erhob Diana ihre Stimme und strafft ihre Schultern, als sie mit dunkler rauer Stimme fortfuhr."... Diana pass ja auf das Anne oder einer von euch im Dunkeln nicht alleine nach hause geht. Das wäre zu gefährlich." Daraufhin muss nicht nur ich leicht schmunzeln, auch Anne kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie schaut Diana eindringlich an. "Keine Sorge, Diana. Es ist noch nicht düster und wie in allen Romanen mit weiblichen Hauptrollen, kann auch ich auf mich selbst achtgeben." Diana schaut misstrauisch und auch ich hab leichtes Bedenken.

"Ich begleite sie." Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, habe ich es ausgesprochen und ich werde es auch nicht zurücknehmen. So ein Mädchen sollte nicht alleine im dunklen Wald laufen, nicht weil sie ein Mädchen ist. Ganz im Gegensatz ich glaube sie kann sich alleine verteidigen. Schließlich habe ich schon einmal eine Tafel mit voller Wucht von ihr abbekommen und davon hat man länger was, glaubt mir mal. Aber wenn ihr etwas passieren sollte, könnte ich nicht mit dem Gedanken leben: Das hätte ich verhindern können?

Der kleine Rotschopf schaut erschrocken rein und schüttelt kurz darauf den Kopf. "Nein, nein. Lieb gemeint, aber das braucht nicht."

Annes Sicht

"Anne, ich bestehe darauf." Seine Stimme diekt hinter mir, bereitet mir Gänsehaut. Ich muss Platz zwischen uns schaffen, aber wenn ich auf eine Diskussion aus bin, werden wir wahrscheinlich nie fertig und es ist schon fast dunkel.

"Ich kann dich auch begleiten, wenn du anständige Gesellschaft brauchst." Alexanders Stimme ertönt direkt neben meinem Ohr und er steht jetzt keinen Meter mehr neben mir.

Das kann doch nicht sein. Was ist hier denn los?

"Nee, alles gut. Gi-Gilbert hat es mir schon angeboten." Meine Hände fangen an zu zittern. Ich weiß nicht wieso, aber irgendein Gefühl löst dieser Alexander in mir aus, aber gut scheint es nicht zu sein.

Im Unterbewusstsein greife ich nach Gilberts Hand. Ein angenehmes Kribbeln durchfährt meinen Körper. "Komm wir gehen, bevor es komplett dunkel ist." Meine Stimme klingt brüchig, aber zittern tue ich nicht mehr.

Erst als ich ein Stück Abstand zwischen unserem Palast und mir geschaffen habe, realisiere ich sie Situation. Obwohl es im Herzen schmerzt, blende ich es, dass sich Alexander in unserem Palast aufhält. Viel wichtiger ist es, das ich die Hand von dem Jungen halte, der mich Dinge fühlen lässt, wie kein anderer und das nur indem ich seine Hand halte. Abrupt bleibe ich stehen, drehe mich um und schaue ihm in die Augen. Ein besonderer Glanz leuchtet in diesen und ein Lächeln liegt auf seinen Lippen, als er auf unsere verschlungenen Finger schaut. Das Pochen in meinem Herzen nimmt zu und obwohl ich gerade noch überrumpelt war, entspannt sich mein Körper. Mein Blick hängt an seinen Augen und erst als er auch in meine sieht, kann ich mich letztendlich losreißen.

Schnell löse ich meine Hand, aus seinen starken Händen. Zeitgleich studiere ich den von Blättern und Gras besetzten Boden unter mir.
"Lass uns weiter gehen."

Ohne auf eine Antwort zu warten, bewege ich mich vorwärts. Was ist in mich gefahren, dass ich nach der Hand dieses Jungen griff?

Eine unangenehme Stille legt sich über uns, jeder tief vernetzt in seinen Gedanken über das was gerade passiert ist und wichtiger, was man fühlen soll.

Vor dem Zaun zu unserem Hof bleiben wir beide stehen. Ein Blick zum Haus verrät mir, dass noch Licht brennt und Marilla wahrscheinlich am Essen kochen ist.

Gilberts Sicht

"Danke."

Ihre sanfte Stimme lässt meinen Blick hochfahren und erneut fesseln mich ihre Augen.

AnnE and Gilbert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt