10. Alexander Fitz-James

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Unreal. Einfach unreal. Das Wort, dass mir als erstes einfällt, um zu beschreiben, was sich vor meinen Augen offenbart. Gleichzeitig bezaubernd, umwerfend, beeindruckend. Langsam fliegen mir Ausdrücke zu, um Alexanders Heim..nein Anwesen mit eigenen Worten zusammenzufassen.

Oft habe ich in Büchern anschauliche Beschreibungen gesehen und mir ein eigenes Bild im Kopf erstellt. Doch dieses Anwesen überwiegt meine schönsten Vorstellungen.

Ein Ziehen an meiner Schulter holt mich zurück in die Realität. "Anne nicht trödeln. Ich weiß es ist einfach beeindruckend, dieses Haus. Vielleicht war ein einfaches Brot und ein bisschen Kuchen eine weniger gute Idee." Marilla schaut mich von der Seite an, während sie mich über den Hof zieht.

Plötzlich kam mir ein Gedanke, der mir schon viel füher hätte kommen sollen. "Marilla, ich kann nicht einmal den Familiennamen.."

"Fitz-James"

Marilla blieb kurz stehen.
" Diese Information konnte ich zum Glück gestern in der Stadt aufschnappen. Man hört eigentlich nur noch etwas von ihnen und ihrem Vermögen. Am Anfang wusste noch niemand über sie Bescheid, die meisten werden es erst heute erfahren haben.-Ich hoffe du hast dich in der Schule ihrem Sohn gegenüber nicht fehl benommen." Ihr eindringlicher Blick jagt mir ein Schauer über den Rücken und bevor ich über das Gesagte nachdenken konnte, klopft Marilla bereits an der Marmortür des mehrstöckigen Anwesens.

Schwungvoll öffnet sich die Tür und ein elegant gekleideter Mann baut sich vor uns auf. "Wie kann ich ihnen behilflich sein? Die Fitz-James sind gerade nicht anwesend bis auf die Söhne." Sein Tonfall klingt so vornehm, dass ich ihn am liebsten auch bei uns hätte. Lediglich um die Tür zu öffnen und  Besuchern mit dieser Stimme den Tag zu versüßen.

Auch Marilla schien kurz überrascht zu stocken, bis sie sich wieder im Griff hatte und nach einem kurzen Räuspern: "Wir wollten uns nur einmal bei den neuen Nachbarn bekannt machen und ein Willkommenskorb vorbeibringen." Lächelnd deutet sie auf den großen, mit Blüten verzierten Korb in ihren Armen.

"Wenn sie keine Einwände haben, würde ich mich anbieten den Korb für die Fitz-James entgegen zu nehmen und ihre herzlichsten Grüße ausrichten." Ich muss sagen, sein nettes Lächeln unter dem weißem Bart, erinnerte mich an einen molligen Bären. Bei dem Gedanken zuckten auch meine Mundwickel weiter nach oben.

"Unter welchem Nam-" Der freundliche Angestellte vor uns konnte nicht zu Ende reden, da plötzlich Schritte aus dem Haus drangen. Jemand stieg die Treppe hinab, die ich und wahrscheinlich auch Marilla aus den Augenwinkeln hinter dem Mann wahrnehmen konnten. Dabei blieb mein Blick kurzweilig am Eingangsbereich hängen.

Ich muss schon sagen, die müssen wahrlich Geld haben. Das so ein Anwesen hier in Avonlea überhaupt existiert..damit hätte ich nicht gerechnet. Mhm... aber es ist auch sehr abgeschieden.

Langsam schweift mein Blick ab und fokussiert den Jungen, der die Treppe hinab kam. Langsam klappt mir die Kinnlade runter. Er sieht genauso aus wie Alexander nur in 2 Jahre älter. 1 zu 1

"Oh Archibald  haben wir schon wieder Besuch? Schön immer mehr Gesichter kennenzulernen." Seine Stimme klang irgendwie höher und freundlicher, als die von Alexander, obwohl er bestimmt der ältere Bruder ist. Schon war er am Fuße der Trepoe angekommen und strahlte uns an, stehend neben Herrn Archibald.

Sein Strahlen war ansteckend, sodass auch ich meinen Blick auf ihn richtete. Irgendwie fühlt man sich automatisch wohl, wenn man allein die kleinen Grübchen sieht, die sich gebildet haben. Sein Blick ging von Marilla, die ihm freundlich mit irgendwelchen Willkommensgrüßen den Korb reichte, hinüber zu mir. Kurz schaute er auf mein Haar: "Du müsstest die kleine Anne von Green Gables sein, mein Bruder Alexander sollte in deinem Unterricht sitzen. Wenn er dann mal anwesend ist." Aha also hat Alexander bereits über seine Mitschüler daheim alle möglichen Sachen ausgepackt, interessant.

"Ich bin übrigens George, einer der älteren Brüder deines Mitschülers und natürlich auch der gutaussehende Sohn." Ein belustigter Zug lag auf seinem Gesicht, als er Archibald feste auf die Schulter klopft. "Kommen sie doch herein auf eine Tasse Tee? Wir könnten ein wenig plaudern über den neusten Klatsch der Nachbarschaft." Überraschung zitierte Marillas und mein Gesicht. Wir werden sogar hineingebeten. Oh gott wir benimmt man sich denn in so einem förmlichen Haus oder Gesellschaft oder wie auch immer?

Bevor ich es realisieren konnte hat Marilla bereits höflich die Einladung angenommen und betrat neben Herrn George einen weiteren angrenzenden riesigen Raum. Helle Wände und goldene Verzierungen kamen zum Vorschein.

"Oh Anne-" Der junge Mann mit den schwarzen lockigen Haarschnitt drehte sich um und fixierte mich für einen Moment. "Ich hätte es fast vergessen, Alexander ist auch hier und würde dich bestimnt gerne sehen." Oh nein. Das muss nicht sein. "Warte.. ah genau er ist bei den Pferdeställen im Garten. Schau ruhig mal nach ihm und fühl dich wie zuhause." George schenkte mir ein warmes Lächeln, aber in meinem Bauch verbreitete sich nur ein unangenehmes Gefühl.

Ich muss Alexander eigentlich gar nicht sehen. Ich habe ihn doch schon oft genug erblickt? Ob ich das Angebot einfach höflich ablehnen könnte? Ich wagte ein Seitenblick zu Marilla, nur für eine Millisekunde und da war die Antwort. Alles in ihrem Blick schien klipp und klar zu sagen, sei höflich und sag nicht nein.

"Wenn sie mir die Richtung sagen könnten, würde ich Alexander gerne einen kleinen Besuch abstatten." Die Zeilen quetschte ich aus meinem Inneren heraus und versuchte dabei nett zu klingen. Ich hoffte nicht versagt zu haben.

Zum Glück schien das Gegenteil der Fall zu sein.

Kurz darauf befand ich mich mit dem molligen Bären Archibald auf dem Weg durch Gänge und Fluren, um schließlich den Garten zu erreichen und bereits das erste Pferdewiehern zu hören.

Gilberts Sicht

"Bash ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du wie ein Wasserfall redest." Genervt schaue ich den Mann vor mir in die Augen. Schon seit einer Stunde sitze ich am Schreibtisch und schaue in ein Medizinbuch, was ich vor ein paar Tagen in der Stadt entdeckt habe.

Leider kam auch Bash schon wieder, was eigentlich schön ist, aber nicht wenn er so viel zu bereden hat. "(...) aber ich weiß, dass Marys Freundin es nicht so meinte und deswegen sehe ich es auch nicht so schlimm. Wie sie dieses grünäugige Reptil ergattern konnte, ist mir dennoch nicht klar. Aber ich muss auch nicht alles wissen, sonst schmerzt auch irgendwann der Kopf nicht wahr?"   Nur Fetzen nahm ich von dem Gesagten auf, anfangs habe ich noch reagiert und zugehört aber langsam..

Ein Ruck an meiner Schulter ließ mich aufblicken und ein empörter Bash stand direkt vor meinem Tisch . "Hee alter Knabe was lernst du denn schon wieder? Wir müssen gleich auch noch raus und arbeiten. Schlimm genug, dass ich auf meine alles entscheidenden Fragen keine Antworten bekomme, weil du so abgelenkt bist." Ich zuckte lediglich mit den Schultern und lächelte entschuldigend. "Ist ja schon gut, dann lass uns raus gehen und ein wenig Spaß haben bei der Arbeit."

Langsam erhob ich mich und fuhr mir seufzend durchs Haar, um einen klaren Kopf zu bekommen.
"Eine Sache wollte ich dir aber gerne noch erzählen, bevor ich meinen schönen Rücken durch Hofarbeit kaputt mache." Bash machte eine kleine Pause und ich sah ihn abwartend an.
"Hast du schon von den Fitz-James gehört?"

AnnE and Gilbert Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt