3. Blau [✓]

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»Sebastian, wach auf!«Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr aus einem Traum gerissen werdet und kurz in einer wirbelnden Schwärze zu schweben scheint, sodass euch schwindlig wird? Dieses Gefühl hatte ich, als eine Stimme mich aus meinem Schlaf holte

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»Sebastian, wach auf!«
Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr aus einem Traum gerissen werdet und kurz in einer wirbelnden Schwärze zu schweben scheint, sodass euch schwindlig wird?
Dieses Gefühl hatte ich, als eine Stimme mich aus meinem Schlaf holte. Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass das alles von gestern kein Traum gewesen war - dass ich offenbar immer noch in diesem Zelt mitten im Wald lag, zusammen mit einem Kerl, der sich Greeny nannte, dem braunhaarigen Igel und der raustimmigen Hannah. Schlagartig riss ich meine Augen auf - und blickte direkt in ein hellgrünes Augenpaar. Greeny. Langsam konnte ich verstehen, warum er sich so nannte - ob das wohl sein richtiger Name war?
»Ah, du bist wach. Endlich. Komm, Dornröschen - es gibt Frühstück.«
Das Frühstück bestand erneut aus Brötchen, doch diesmal waren sie belegt. Auch wenn sie etwas pappig schmeckten, machten sie satt, und das war das Einzige, was zählte.
Unauffällig sah ich mich um. Der Wald war jetzt, im Morgenlicht, noch kahler und dreckiger als gestern Abend. Igel saß mir gegenüber von dem Haufen Asche, der einmal das Feuer gewesen war. Greeny war, nachdem er mich geweckt hatte, verschwunden. Hannah war auch nicht mehr da, also waren wir alleine.
»Wo sind Hannah und Greeny denn?«, traute ich mich, nach einiger Zeit des Schweigens zu fragen.
Mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, als hätte er nur auf diese Frage gewartet, stützte Igel sich nach hinten auf die Händen ab und sah mich eindringlich aus seinen verschlafenen Augen an. Erst jetzt fielen mir die Schatten unter ihnen auf.
»Wir verdienen nicht zusammen unser Geld, wir schlafen hier nur gemeinsam«, sagte er und gähnte kurz. »Aber wenn es dir nichts ausmacht, nehme ich dich ein wenig unter meine Fittiche.«
Ich erinnerte mich an das, was Greeny gestern gesagt hatte. »Da du mit mir zu dieser Hilfe für Obdachlose oder wie das heißt gehen wolltest, hab ich wohl kaum eine Wahl, oder?«, entgegenete ich also mit einem leichten Grinsen.
Igel grinste zurück. »Du bist clever, Basti!«, stellte er fest und erhob sich, wobei er sich den Dreck von der Hose klopfte - die gleiche Jogginghose wie gestern.
Basti? Na gut, wie er wollte. »Danke, Stachelkugel.«
Kurz wirkte Igel erstaunt und hielt inne, dann aber schüttelte er leicht schmunzelnd den Kopf. »Das ist ein viel zu langer Spitzname. Ich sehe, du hast noch viel zu lernen.« Er setzte sich seinen Rucksack auf. »Bist du fertig? Dann können wir los.«
Diesmal entschieden wir, den Großteil zu dem Stadtteil, in den wir mussten, zu Fuß zurückzulegen. Igel erklärte mir, dass diese »Obdachlosenhilfe«, in der es kostenlose Kleidung und eine warme Mahlzeit pro Tag gab, in der anderen Richtung lag, aus der wir gekommen waren. Es war nur Zufall gewesen, dass er mich gestern getroffen hatte. Zufall – oder doch eher Schicksal?
»Und die anderen? Wo sind die jetzt?«
Seine Miene schien sich kurz zu verfinstern. »Hannah ist in einem anderen Teil der Stadt, weil sie dort ihre Arbeit hat. Bevor du fragst, sie arbeitet in einer Bar. Und was Greeny angeht ... Ich schätze, er hängt wieder mit seinen Junkie-Freunden irgendwo ab. Von der Hilfe für Obdachlose will er nichts wissen.«
Greeny war also ein Junkie.
Oh wow, als hätte ich mir das nach gestern Abend nicht denken können. Er war so seltsam gewesen ...
»Hier auf der Straße hat man oft mit Drogenabhängigen zu tun«, meinte Igel, als hätte er meine Gedanken erraten. »Jeder hat seinen Grund für bestimmte Taten. Ich versuche schon seit Jahren, Greeny zu helfen, aber wenn er sich nicht helfen lässt, kann ich nichts machen ...«
So bedrückt, wie er plötzlich war, musste ich schlucken und kratzte mich unbehaglich an der Nase. Igel schienen seine Freunde wirklich sehr wichtig zu sein ...

NARBEN - SO BLAU WIE DER HIMMELWo Geschichten leben. Entdecke jetzt