Als ich am nächsten Morgen am Gebäude der Universität ankam, war das erste, was ich sah, Blaulicht. Nichts als Blaulicht. Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte, dass es von den für London typischen blau-neongelb karierten Polizeiautos ausging. Ebenfalls waren einige Krankenwagen vor Ort.
Der rechte Eingang, sowie ein kleiner Theatersaal der Uni waren abgesperrt, wie ich schnell erfuhr.
Endlich erkannte ich in dem Chaos eine Gruppe von nicht mehr als acht Leuten, die ich kannte.
,,Valeria", empfing mich unsere Dozentin.
Sofort fragte ich, was passiert war. Doch ich erhielt keine Antwort. Alle starrten in eine Richtung: die Richtung, in der ein lebloser Körper mit einem weißen Tuch bedeckt in einen Krankenwagen gebracht wurde. Wenn man genauer hinsah, erkannte man leicht einen ziemlich großen roten Fleck auf dem Tuch. Ich ging davon aus, dass es sich um Blut handelte.
Waleska -ich kannte sie nur über einige Ecken- setzte sich auf den kalten Boden, wahrscheinlich wäre sie sonst hyperventiliert. Der Saum ihres hellblauen Kleides glitt über den Staub des Asphalts, ihr liefen durch Mascara schwarz gefärbte Tränen die Wangen hinunter.
Unwillkürlich legte ich eine Hand auf ihre Schulter. Die folgenden Sekunden kamen mir wie Tage, Jahre, wie Jahrzehnte vor, doch Mr. Haye -einer unserer Dozenten- unterbrach die Stille.
,,Brianna wurde schwer verletzt. Ihre Chancen sind so gut wie gleich Null.", mir war, als wäre Waleska bei diesem Satz zusammengezuckt.
,,Wir wollten die Szene, die auf dem Dachboden der Scheune spielt, proben. Sie warf sich gemäß dem Drehbuch in's Heu, aber in dem Ballen, auf dem sie landete, steckte eine rostige abgebrochene Eisenstange.", ergänzte Laura.
Ich riss die Augen weit auf und schlug die Hand vor den Mund, unfähig zu antworten.
Kurz darauf wurden wir von den Polizisten vor Ort befragt. Was hatten wir gesehen? Wann waren wir vor Ort? Waren wir im Raum, als der Unfall geschah? Selbstverständlich wurde jeder einzeln befragt und mir war relativ schnell klar, dass die Beamten nicht von einem Unfall ausgingen. Ohne eine klare Beweislage durften sie ihren Verdacht wahrscheinlich nicht einmal äußern.
Kaum jemand aus unserem Kurs war danach zum Unterricht erschienen. Nur die, die -wie ich- nicht viel vom Unfall nachvollziehen konnten. Dennoch war die Stimmung sichtlich gedrückt. All das führte dazu, dass die Proben ausfielen, stattdessen aber über den Unfall diskutiert wurde.
Brianna, die die Rolle der Wendla in unserem Stück spielte, war wirklich talentiert, wissbegierig, vorallem aber ein lebensfroher Mensch. Wenn sie fehlte, entstand ein Loch. Ein Loch, was man nun im wahrscheinlichsten Fall nicht mehr füllen konnte.
Mr. Haye beendete den Kurs bereits gegen 12 Uhr. Er hatte recht, wenn er sagte, dass es uns nicht weiterbrächte, einen kompletten Vormittag in der Uni zu verbringen, jedoch nicht im Ansatz in der Lage zu sein ein Stück zu üben. Schließlich machte ich mich noch auf den Weg zur Cafeteria. Zuhause wäre ich wahrscheinlich zu nachdenklich gewesen, um eine Mahlzeit zu kochen. Auch in der Cafeteria stocherte ich nur lustlos in meinem Essen herum, als ich eine Nachricht auf meinem Handy erhielt. Mrs. Randall berief eine Kriesensitzung um 17 Uhr ein. Sie hatte eine Rundmail an beinahe alle Studenten der Universität geschickt. Sie bat um eine kurze Zu- oder Absage, sowie darum beim Erscheinen schwarz gekleidet zu sein. Brianna war tot, ich war mir sicher. Mrs. Randall schrieb nichts davon, aber allein der Fakt, dass wir in Schwarz erscheinen sollten, ließ mich sicher sein. Selbstverständlich sagte ich zu. Brianna war eine Freundin, es war meine Pflicht zu erscheinen.
Der Appetit war mir vergangen, also machte ich mich auf den Weg nach Hause. Dort ließ ich mir ein Bad ein, dachte mit dem Abstreifen meiner Kleidung würde ich für kurze Zeit auch die Sorgen loswerden, aber so war es nicht. Es kam mir vor, als wäre ich noch nachdenklicher und in gewisser Weise auch verwirrter, als ich in einem Handtuch umwickelt vor meinem Kleiderschrank stand.
Was war tatsächlich geschehen? War es ein Unfall? Hatte jemand versehentlich die Eisenstange dort gelassen? Falls ja, wie konnte man so dermaßen fahrlässig handeln? Warum Brianna?
Ich griff wie in Trance nach einem schwarzen Etuikleid. Was ich bis 17 Uhr tun sollte, wusste ich nicht. Es war nicht so, dass es nichts zu tun gab, nur fühlte ich mich nicht in der Lage überhaupt etwas zu tun.Irgendwie schaffte ich es die Zeit totzuschlagen, was -wie mir auffiel- im Anbetracht der gegebenen Situation ein sehr makaberes Wortspiel war. Mir fiel das Sachbuch 'Danse Macabre' von Stephen King ein. Das alles, hätte gut eine Beschreibung Kings sein können, so unwirklich wirkte es.
Ich war am Gebäude angekommen. Auf dem Campus waren unzählige Stühle aufgestellt. Von weitem erkannte ich Waleska und Lauren, die bereits in der zweiten Reihe Platz genommen hatten. Direkt hinter den Beiden war noch ein Platz frei, den ich schließlich belegte. Es dauerte nicht lange, bis alle Plätze belegt waren. Einige Studenten und Dozenten standen am Rand. Die Direktorin eröffnete die Sitzung:
,,Heute Morgen gegen 9 Uhr wurde eine unserer Studentinnen -Brianna Voss- während der Proben für die alljährliche Weihnachtsaufführung schwer verletzt. In einer der Requisiten verbarg sich eine Eisenstange, die sich bei Benutzung in den Körper der jungen Frau bohrte. Miss Voss erlag noch auf dem Weg ins Krankenhaus ihren Verletzungen. Das George Bernard Shaw Theatre an der Malet Street ist offiziell Ort des Geschehens, weshalb Sie diesen Saal während der Ermittlungen nicht nutzen können. Ebenfalls ist nicht klar, ob es sich bei besagtem Geschehen um einen Unfall, oder eine schreckliche Tat handelte. Deshalb bitte ich Sie alle inständig von jeglichen Spekulationen und Verdächtigungen Abstand zu nehmen."
Daraufhin folgten ausgiebige Gespräche, vorallem mit Waleska und Mrs. Randall.
Am späten Abend war ich einfach nur froh zu Hause zu sein. Ich klammerte mich am letzten Bisschen Routine fest, dazu gehörten auch die Medikamente meiner Katze. Aber dennoch sollte keine Normalität einkehren.
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Another way [slow updates]
Mystery / ThrillerA journey, interrupted by a disaster. ,,Du warst es! Nicht umsonst hast du mir die Rolle überlassen. Du wusstest, du hast keine Chance gegen mich.", schrie Brianna. Ich konnte ihren Atem auf meiner Haut spüren. Sie stank bestialisch nach Erde und Ve...