Chapter 7

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Am nächsten Morgen wachte ich vor meinem Wecker auf. Ich schwitzte, wie ich schnell bemerkte.
Ich stand also auf, öffnete ein Fenster, machte mir einen Kaffee und duschte anschließend. Erst als ich fertig damit war, hörte ich meinen Wecker im Nebenzimmer klingeln. Mit einem Handtuch umwickelt ging ich also in mein Schlafzimmer und schaltete ihn aus. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich mich vor der Uni noch mit Daria treffen wollte. Ich musste zugeben, dass ich gespannt war, was sie zu sagen hatte.
Nach einiger Zeit war ich nun auch geschminkt, angezogen und hatte gefrühstückt, was bedeutete, dass ich mich auf den Weg zu dem Café machte, auf welches wir uns am gestrigen Abend geeinigt hatten.
Ich wartete knapp zehn Minuten auf Daria, was dem geschuldet war, dass ich viel zu früh losgegangen war.
,,Hey!", Darias Stimme übertönte die Alltagsgeräusche Londons und ließ mich herumfahren.
Daria zog mich in eine Umarmung, was mehr als ungewohnt war. Ich war mir nicht sicher, ob sie womöglich irgendwelche Hintergedanken hatte.

Wir bestellten beide einen Latte Macchiato und ein Croissant.
,,Also, Valeria", sie richtete ihre Augen direkt auf mich, ,,Ich muss mich wirklich bei dir entschuldigen. Ich habe mich wirklich nicht fair verhalten und ich kann dir nicht einmal sagen warum. Möglicherweise, weil ich von Anfang an festgestellt habe, dass du besonders bist. Du hast diese selbstsichere Ausstrahlung, wirkst aber trotzdem nicht überheblich. Du hast das, was ich gern hätte."
Heuchlerin.
,,Daria, warum entschuldigst du dich bei mir?", meine Augen verengten sich.
Ein junger Kellner brachte uns unsere Bestellung und Daria zwinkerte ihm zu. Die Daria, die eben noch Reue zeigte, war verschwunden.
,,Daria?", unterbrach ich ihren kurzen Flirt genervt.
,,Wo waren wir?", wandte sie sich wieder mir zu und ich wiederholte meine Frage.
,,Du hast es nicht verdient, dass man so mir dir umgeht.", antwortete sie und ich musste zugeben, dass sie eine sehr gute Schauspielerin war. Immerhin hatte sie das richtige Studium für sich gewählt.
Ich hielt ihrem Blick stand und sie musste erkennen, dass ich nicht den geringsten Funken Wahrheit in ihrer Antwort sah. Ich hob eine Augenbraue, um dies noch zu unterstreichen.
,,Hör zu Valeria, ich weiß, dass die Zeit, die du durch Briannas Tod durchmachen musstest, wirklich schwer war. Ich wüsste nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich unschuldig in Untersuchungshaft gekommen wäre."
,,Wenigstens wirfst du mir nicht vor es gewesen zu sein.", warf ich deutlich gleichgültiger ein, als es mir eigentlich war.
Daria erschrak: ,,Warum sollte ich das?"
,,Weil niemand sonst verdächtigt wurde.", argumentierte ich, ohne die Intention sie tatsächlich davon zu überzeugen.
,,Das nicht. Aber ich habe einen anonymen Brief bekommen. In der Zeit, als du in Untersuchungshaft warst. Deshalb weiß ich, dass du es nicht gewesen sein kannst.", erzählte sie. Das Gespräch hatte eine völlig neue Wendung genommen und ich vermutete, dass Daria auf genau diese Wendung gehofft hatte.
,,Was stand darin?", fragte ich ehrlich interessiert.
Sie holte das Stück Papier aus ihrer Handtasche und las vor:
,,Daria, hab keine Angst. Ich schreibe dir nicht, um dir zu drohen. Im Gegenteil: Du bist in Sicherheit. Brianna war nicht sicher. Wir werden sehen, wer noch nicht sicher ist. Hilf mir jemanden auszuwählen. Keine Polizei, Daria. Halte dich an die Spielregeln. Das Leben ist ein Spiel und wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus. Keine Chance nochmal zu würfeln, Daria. Keine Chance."
Ich hatte Gänsehaut bekommen. Wer immer das geschrieben hatte, war offensichtlich Briannas Mörder.
,,Warst du bei der Polizei?", brachte ich nach einigen Sekunden hervor.
,,Nein. Der Typ hat nicht davor zurückgeschreckt Brianna umzubringen. Ich will nicht die nächste sein.", Daria atmete kurz tief ein und aus, bevor sie im Flüsterton weitersprach, ,,Aber untätig war ich auch nicht. Mein Onkel arbeitet beim Morddezernat. Ich hab ihm den Brief gezeigt, aber er hält den Sender für jemanden, der einfach nur Panik verbreiten will."
Ich nickte, doch ich verstand nichts.
,,Warum erzählst du mir das? Ich kann dir nicht helfen."
,,Ich dachte mir, dass du das sagst. Valeria, ich kann nur dir vertrauen, weil nur du ein Alibi hast. Außerdem habe ich eine Idee, wie wir herausfinden, wer Briannas Mörder ist. Der Typ schreibt, ich solle sein nächstes Opfer aussuchen. Du kannst nein sagen, aber mein Onkel und ich hatten überlegt dich vorzuschlagen.", ich sah sie entsetzt an, doch sie fuhr fort, ,,Wir verkabeln dich und arrangieren ein Treffen. Sobald er dir gegenüber steht, schreiten wir ein. Dir kann also nichts passieren."
,,Brianna hat er auch nicht face to face umgebracht.", gab ich zu bedenken und musste bei meinen eigenen Worten schlucken.
,,Wir bringen ihn dazu. Per Brief. Wir spielen sein Spiel."
,,Wie willst du ihn kontaktieren?"
,,Er schreibt, ich solle Briannas Schließfach als schwarzes Brett benutzen. Scheint, als kenne er den Zahlencode."
Ich atmete tief ein und aus und brauchte mehrere Minuten, um einen klaren Gedanken zu fassen.
,,Das ist unglaublich gefährlich. Lass mich ein wenig darüber nachdenken."
Daria nickte. Ich blickte auf die Uhr und erkannte, dass beinahe eine Stunde vergangen war. Das bedeutete, dass wir uns in spätestens zwanzig Minuten auf den Weg zur Uni machen mussten. Auf dem Weg, zu dem Gebäude, in dem Briannas Mörder ist.
,,Ich brauche bis spätestens morgen früh eine Antwort.", erklärte sie, während sie mit dem Finger auf den Brief zeigte. Deadline stand ironischerweise darauf geschrieben, dicht gefolgt vom morgigen Datum.
Ich atmete tief durch, worauf Daria meine Hand nahm. Und plötzlich tat mir leid, was ich vor etwa einer Stunde noch über sie gedachte hatte. Plötzlich schien mir, als wäre sie keine Heuchlerin, sondern nur jemand, dessen Freundin ermordet wurde, jemand, der in Angst lebt.
Ich fragte mich, warum die meisten Menschen dazu tendierten sensationelle Aussagen als Lügen zu sehen und diese Themen dann übermäßig kritisch zu behandeln, und ich war beschämt, dass auch ich mich so benahm.

Schließlich waren wir in der Uni angekommen. Plötzlich wirkte alles wieder so fremd, wie am ersten Tag. Der Tag, an dem Daria mich absichtlich in den falschen Raum leitete und es wie das Schlimmste wirkte, was sie hätte tun können. Doch vor einigen Tagen hatte ich lernen müssen, das Menschen in der Lage waren weitaus schlimmere Dinge zu tun.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 01, 2020 ⏰

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