Unsicherheit

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Als ich am nächsten Morgen mit Lea und ihrem Bruder zur Schule gehe, kann ich mich kaum auf unsere Gespräche konzentrieren. Linus betont gerade, dass ich auf jeden Fall meinen kommenden Geburtstag feiern muss, als ich nachdenklich die Bäume, an denen wir vorbeigehen, betrachte. Es ist äußerst neblig an diesem Novembermorgen und man kann nicht gerade weit sehen. Doch ich hoffe trotzdem, das Baumhaus zu finden, in dem ich am gestrigen Abend mit Quinn war.

Wenn ich an besagten Abend denke, überfluten mich meine Gedanken. Quinn hat mich, ohne auch nur eine Frage zu stellen, nach Hause gebracht, so als hätte er genau verstanden, wie es mir in diesem Moment ging.
Doch was hat er sich bei alldem gedacht? Mir sind zumindest keine neuen, merkwürdigen Dinge passiert, was mich sehr beruhigt. Vielleicht wird auch nichts mehr passieren. Ganz einfach.

Um all die anderen Gedanken in meinem Kopf zu verdrängen, wende ich mich an Linus.

,,Ich weiß nicht, ob ich feiern möchte. Ich werde doch nur 17, das ist nicht wirklich etwas Besonderes. Wir können auch einfach gemütlich Cupcakes bei einem von uns zu Hause essen, dann wäre ich schon zufrieden."

Linus legt den Kopf schief.

,,Wir könnten auch Cupcakes auf deiner Party essen."
Doch Lea schüttelt nur den Kopf.

,,Eine Party gibt es nur, wenn Lia sie auch möchte. Ansonsten machen wir das, was auch immer sie will", sagt sie dann beschwichtigend und lächelt mir zu. Ich könnte sie küssen dafür.

Linus zischt ein leises ,,Ihr Langweiler!" in unsere Richtung, doch ich kann das Lächeln auf seinem Gesicht genau sehen. Er weiß, dass ich nicht der größte Fan davon bin, große Partys an meinem Geburtstag zu schmeißen. Mir reicht es, an diesem Tag die wichtigsten Menschen um mich herum zu haben.

Einige Minuten laufen wir stumm den Waldweg entlang, Lea vertieft in ihr Handy, Linus bemüht, nicht zu laut zu gähnen und ich immer noch auf der Suche nach dem mysteriösen Baumhaus. Der Nimmerwald ist zwar riesig, aber es wundert mich schon sehr, dass ich selbst nie darauf gestoßen bin.

Linus ist derjenige, der nach einer Weile die Stille unterbricht.

,,Ach Lia, ich will ja nichts sagen, aber ich als dein großer Bruder muss es ja dann doch."
Dabei zieht er besorgt die Augenbrauen hoch.
,,Ja...?", frage ich unsicher. Natürlich müssen mir sofort alle schlechten Dinge einfallen, die ich von meiner Geburt bis heute getan habe und kriege sofort Panik.

,,Mir wurde erzählt, dass du auf irgendeiner Party mit dem Neuen auf dem Klo verschwunden bist?"

Mir stockt der Atem. Bitte was? Und vor allem:

,,DEM NEUEN?"

Ich glaube, ich habe mich verhört. Auch Lea ist jetzt Feuer und Flamme für unser Gespräch und sieht interessiert zu Linus und mir.
Sie ist immer für Drama zu haben, das muss man ihr lassen.

,,Ähm, ja. Quenn oder Quinn oder so. Er ist seit dieser Woche in meiner Stufe. Das ist jetzt aber ehrlich gesagt das Letzte, worauf ich an deiner Stelle reagiert hätte.", antwortet Linus und sieht mich mit einem verwirrtem Gesichtsausdruck an.

Lea und ich tauschen einen Blick aus und beginnen im selben Moment, lauthals zu lachen. Da sie die ganze Geschichte bereits kennt, weiß sie wohl auch, dass "auf dem Klo verschwunden" wohl schon irgendwie stimmt, aber in einem etwas anderen Kontext, als man denken würde.

,,Keine Sorge, es war ganz anders.", erklärt Lea vergnügt und Linus scheint ein wenig aufzuatmen. Schnell erzähle ich ihm auf den letzten Schritten zur Schule, wie die Geschichte sich eigentlich zugetragen hat, wobei ich einige markante Stellen auslasse. Stattdessen stelle ich es so dar, als hätte Quinn mir netterweise beigestanden, nachdem mir von ein paar Getränken schlecht geworden ist. So ganz abgeändert ist die Geschichte auch überhaupt nicht, finde ich. Quinn ist mir beigestanden. Nur war es leider nicht so normal wie ich es darstelle.

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