"Warum bist du alleine nach LA gekommen?" wollte Dylan plötzlich wissen. Eigentlich möchte ich es für mich behalten aber irgendwie bin ich ihm eine Antwort schuldig. Wie soll ich das am Besten formulieren? Ich glaube, dafür gibt es keine passenden Worte, also erzähl ich einfach frei heraus "Vor 6 Monaten ist mein Vater gestorben. Es war Selbstmord." "Das tut mir leid" sagt Dylan und streicht über meine Hand. Ein schwaches Lächeln umspielt meine Lippen. Ich beobachte eine Weile das Meer und Dylan drängt mich auch nicht mehr zu sagen.
Schließlich erzähle ich weiter "Weist du, mein Vater wollte schon immer mal nach Amerika. Er wollte das Land sehen und das am Besten auf dem Rücken eines Motorrads. Er hat dieses Gefühl von Freiheit geliebt." Bei dem Gedanken muss ich lachen. "Ich hatte das Bedürfniss seinen Wunsch zu erfüllen. Auch wenn er nicht mehr am Leben ist, habe ich das Gefühl, dass er doch irgenwie bei mir ist. Ich möchte das für ihn tun und auch irgendwie für mich." Dylan legt einen Arm um mich und zog mich sanft an sich und ich lasse ihn gewähren. Keiner von uns sagt ein Wort. Das müssen wir auch gar nicht. Es ist kein unangenehmes Schweigen. Wir sitzen einfach hier in dieser lauen Sommernacht und lauschen dem Meer, wobei jeder irgendwie seinen eigenen Gedanken nachhängt. An dem Tag an dem mein Vater gestorben ist konnte ich das Schweigen nicht ertragen. Ich wollte stark sein, habe meinen Bruder, meine Mutter und sogar meine Oma getröstet. Sobald es Still wurde, kamen die Selbstzweifel. Die Schuld bahnte sich ihren Weg aus den Inneren. Hätte ich etwas tun können? Hätte ich mehr tun sollen? Warum an diesem Tag? Warum überhaupt, denn es gab keinen Grund? Für uns nicht für ihn schon. Das habe ich mitlerweile begriffen.
"Wenn du jemanden zum reden brauchst, bin ich gerne für dich da" flüstert Dylan irgendwann in die Stille hinein und drückt sanft meine Hand. Sie ist angenehm warm und fühlt sich etwas rau an. Zu gerne würde ich ihn bitte seine Hand nicht wegzunehmen, doch ich traue mich nicht es auszusprechen. "Danke das ist wirklich nett von dir aber ich habe bisher mit niemanden darüber geredet oder darüber wie es mir geht. Nicht einmal mit meiner Familie" gestand ich und werfe ihm einen flüchtigen Blick zu. Eine Weile mustert er mich aufmerksam, doch dann nickt er schließlich. "Das ist Okay."
Da ich den Abend nicht ruinieren möchte, wechsle ich das Thema "Woher kommst du eigentlich? Aus LA?" Dylans Blick schweift wieder in die Ferne "Ja aus Pasadena" erklärt er. "Jetzt wohne ich in Hollywood"
"In Hollywood? Wow" sage ich erstaunt, doch Dylan wirkt irgendwie traurig. Definitiv nicht der erhoffte Themenwechsel.
"Ich habe noch eine Überraschung für dich. Bin gleich wieder da." erklärt er und geht zurück zum Auto. Verwirrt blicke ich ihm hinterher. Mit einem Umschlag in der Hand kommt er zurück und sitzt sich wieder neben mich. "Hier für dich" murmelt er und übergibt mir sein Geschenk. "Was ist das?" frage ich erstaunt. "Mach ihn auf, dann siehst du es." entgegnet er lachend. "Das ist wirklich nicht nötig." Vorsicht öffne ich ihn und zum Vorschein kommt ein Ticket für eine Band. Das Konzert ist morgen Abend stelle ich fest. "VIP Tickets. Glaub mir, die Band ist der Hammer" sagt er und strahlt. Ich muss lächeln bei dem Anblick. "Danke Dylan" flüstere ich und umarme ihn herzlich. "Ich treffe dich dort am VIP Eingang ist das ok?" "Aber natürlich. Ich freu mich sehr darauf."
"Ich mich auch" erwidert er und es klingt aufrichtig.Ich bin erleichtert, dass mein kleines Geschenk bei Elli gut angekommen ist. Ich hatte schon Angst, dass sie nicht mitkommen möchte, wo es doch eine besondere Überraschung wird. Ellis gähnen reißt mich aus meinen Überlegungen. "Komm ich bring dich zurück ins Hotel. Es ist ganz schön spät geworden" sage ich, worauf sie nickte und ein neues Gähnen unterdrückt. "Tut mir leid Dylan" entschuldigt sie sich. "Komm her ich helf dir herunter" entgegne ich nur und helfe ihr vorsichtig von der Mauer. Ihre Hände waren so zart und ich wünschte, sie würde mich damit überall berühren. Genau wie mit ihren Lippen. Sie sehen so weich aus und am liebsten würde ich sie küssen, doch ich glaube das wäre ihr nicht recht. Noch nicht. Also halte ich ihr nur die Autotür auf und fahre sie zurück in ihr Hotel.
"Ich begleite dich noch hoch" sagte ich mit einer Bestimmtheit, die kein Nein von ihr zulässt. Ich möchte sicher sein, dass sie gut ankommt. "Du bist unverbesserlich" erwidert sie lachend und drückt auf den Knopf des Aufzugs. "Ich will nur nicht, dass dir etwas passiert" raune ich in ihr Ohr. Ihr blumiger Duft steigt mir wieder in die Nase und ich versuche nicht die Beherrschung zu verlieren. In diesem Moment öffnen sich die Türen des Aufzugs und ich sehe Elli noch kurz hinterher, bevor ich ihr zu ihrem Zimmer folge. "Danke für den wundervollen Abend Dylan und ich freu mich auf morgen" sagt sie leicht verlegen. "Oh nein ich habe zu danken Elli." erwidere ich und zieh sie in eine kurze Umarmung. "Gibst du mir noch deine Fotos?" frage ich sie, woraufhin Elli anfängt in ihrer Handtasche herumzusuchen. Immer wieder erstaunlich, wie viele Sachen Frauen darin mitschleppen. Als sie ihn findet, überreicht sie ihn mir lächelnd.
"Gute Nacht Elli" flüstere ich und hauche ihr einen Kuss auf die Wange. Ich drehe mich um und gehe zum Aufzug, ehe ich meinen letzten Funken Selbstbeherrschung verliere.
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One second to change a life
RomanceElisabeth Moore ist 26 Jahre alt und beschließt nach dem Selbstmord ihres Vaters, dessen größten Wunsch zu erfüllen. Sie lässt alles stehen und liegen und reist quer durch die USA. In der Hoffnung sich selber wieder zu finden und Frieden zu schließe...