André

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Ich bin André, 25 Jahre alt.

Ein, aus meinen Augen, ganz passabler Kerl.

Ich habe bisher gefühlt, und auch tatsächlich, mein halbes Leben Schwarz gearbeitet, wollte mir schon immer Träume erfüllen, welche oft nur mit dem nötigen Kleingeld realisierbar sind.

Deshalb auch der stetige Ansporn besser zu werden, nie stehen bleiben zu wollen.

Schließlich hat man ja nie ausgelernt.

Viele würden es wahrscheinlich eher als profitgierig bezeichnen, doch ich sehe es eher als wirtschaftlich. An meine Zukunft denkend.

Ich habe früh meinen Vater verloren, Krebs zerrte lange an ihm, bis er den Kampf schlussendlich verlor.

Zu dem Zeitpunkt war ich 12, hatte nur Schund im Kopf und habe kaum an meine Zukunft gedacht.

Ich war ein schrecklicher Sohn, für beide meiner Elternteile.

Ich schätze, ich hatte nur den Kontakt zu den falschen Leuten, doch im Nachhinein war ich eher zu schwach, diese abzuweisen. Ich hatte Spaß an dem, was ich tat, und das ist etwas, auf das ich nicht Stolz bin.

Zu den Delikten zählen vor allem Körperverletzungen. Ich habe es geliebt mich zu prügeln, verfiel regelrecht in einen Blutrausch und konnte in vielen Situationen nichtmehr entscheiden, wann es genug war.

Das heutige Ich hat regelrecht Angst vor meinem früheren Ich. Wenn er einmal Rot sah, konnte kaum etwas oder jemand ihn aufhalten.

Die Bilder, die Gefühle. Das was mir bei den Taten durch den Kopf ging, meine Mutter, die mich mal wieder vom Polizeirevier abholen musste.

All das hängt mir heute noch manchmal hinterher.

Ich war ein riesiger Idiot, so leicht reizbar wie ein Stier, welcher in die Enge getrieben wurde.

Doch der Verlust meines Vaters hat mich geändert. Grundlegend.

Meine Anfälle und Schnappsideen ebbten nach und nach ab.

Ich schien an Verstand zu gewinnen, oder ihn wenigstens zurück zu bekommen.

Mich zu prügeln, das Gefühl von Dominanz zu spüren, all das, was mich trieb, rückte in den Hintergrund. Ich dachte nur noch daran, was meinen Vater stolz machen würde.

Was würde ihn stolz machen ?

Oder besser, was würde jedes Elternteil stolz machen – Der Erfolg des eigenen Kindes.

So nahm mein Leben seinen Lauf.

Mein früheres Boxtraining setzte ich fort, doch aus anderen Gründen. Nicht mehr um meinen Körper zu trainieren, möglichst viel Schaden anzurichten, sondern um meiner Wut, meinen Aggressionen einen Auslass zu gewähren, auf bessere Art und Weise.

Ich brach Kontakt zu alten Sippschaften ab, wollte auf mich allein gestellt sein, ohne jeglichen negativen Einfluss.

Ich beschäftigte mich mit anderen Dingen, mit besseren. Lernte das Gitarrenspiel, verbrachte Tage in der Altstadt um dort als Straßenmusiker ein wenig Geld zu verdienen. Das brachte mir Spaß, das heiterte mich auf, lachende und tanzende Menschen zu sehen, das Gefühl wahrgenommen werden.

Das Gefühl wahrgenommen zu werden für Positives, nicht Negatives.

Während meiner Schulzeit fing ich an Schwarz zu arbeiten, als Koch in einem teuren Etablissement, als Dachdecker, als Tischler, Akquisiteur, oder als Mediendesigner.

Ich schätze, ich wollte mich beschäftigt halten und erfolgreich sein.

Und hier bin ich nun, in meiner eigenen kleinen Wohnung, in der Stadt, in der ich momentan meinen Master in Architektur ablege. Mein Studium verläuft super, es bereitet mir Freude und begeistert mich immer noch.

Gelegentlich arbeite ich wieder Schwarz, doch das in meinem Fach – Als Architekt.

Ich konnte mir einen Traum erfüllen und habe mir vor zwei Jahren mein eigenes Oberklassen-Auto gekauft, vom Großteil des Geldes, für welches ich so lange gearbeitet habe.

Es gibt mir jeden Morgen, wenn ich einsteige, das Gefühl etwas geschafft zu haben.

Erfolgreich zu sein.

Meinen Vater stolz zu machen.

Weil ich ein Mann bin.

Kleiner Finger SchwurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt