Casa del DeeDee

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Da steht er nun, der Mann, mit dem ich die nächsten Stunden verbringen werde. „Hallo, na hast du jemand so kleinen wie mich erwartet?", frage ich ihn mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Hallo, ist da wer?", fragte er während er provokant über meinen Kopf hinwegspähte. Naja, frech ist er ja, mal schauen, ob er mit mir mithalten kann. „Kleinhirn an Großhirn, hier unten.", rief ich ihm zu. „Na wie ist die Luft da oben?"

Wir lächelten uns an und man sah, dass wir uns gut verstehen werden. Das Eis war gebrochen und wir fielen uns in die Arme. Er roch für einen heißen Sommertag sehr gut. Es war eine Mischung aus seinem Parfüm und dem Duft der Sonne. Dieser warme Duft, wenn die Sonne die Haut anfängt zu bräunen und sie erwärmt.

„Achtung, ich schwitze", sagte er grinsend zu mir. „Ich bin direkt von der Arbeit zu dir geeilt.", ich verschwieg ihr, dass ich noch zwei Locations für heute Abend ausgesucht hatte, um sie dorthin auszuführen. Das sollte wohl ‚dynamisch' und ‚spontan' wirken.

Und um sicherzugehen, dass alles perfekt wird.

„Was möchtest du machen? Willst du in ein Café oder erstmal mit zu mir?", fragte er mich. „Wenn du nichts dagegen hast dann würde ich gerne zu dir fahren.", antwortete ich ihm ehrlich.

Als wir im Auto saßen, erzählte er mir von seiner Arbeit. Es ist erstaunlich was ich in kürzester Zeit über Architektur in Holland gelernt habe. Zusammenfassend habe ich gelernt, dass Holländer wohl nichts können, was mit Architektur zu tun hat.

Auf dem Weg unterhielten wir uns viel über Musik und die Genres, die wir mögen und hören. Hier ließ ich es nicht aus, ihm zu sagen, dass ich sein Lied mehr als einmal gehört hatte und ich es liebe. Er versprach mir es Live für mich zu singen und dass er mich auch singen hören will.

Die Fahrt ging viel zu schnell zu Ende und so standen wir letztendlich vor seiner Wohnung, auf dem Parkplatz, in einer Wohngegend.

Es war ein kleines Stück außerhalb der Stadt, dennoch sehr zentral gelegen.

Wir blieben noch eine Weile im Auto sitzen, um uns noch ein paar Lieder anzuhören. Er erzählte mir noch von vielen Künstler und Songs, die er gerne hört. Ein Name war dabei besonders oft gefallen, Bob Dylan und der Mann, der seine Songs perfekt zu Covern weiß: Glen Hansard. Von ihm zeigte er mir auch prompt ein paar Songs. Ich war erneut verliebt. Diesmal in die Stimme von Glen Hansard.

André erzählte mir von einer zufälligen Begegnung mit ihm in Prag. Leichte Enttäuschung zeichnete sein Gesicht, als er mir erzählte, dass sie nicht zusammen gesungen hatten.

Wir stiegen nach weiteren zwanzig Minuten aus dem Auto aus und liefen die Treppen zu seiner Wohnung hoch. Er hätte ruhig erwähnen können, dass er im Dachgeschoss wohnt.

Als wir nach unzähligen Stufen im Obergeschoss angekommen waren, sah ich erstmal ein kleines Chaos vor mir.

„Guck dich bitte nicht zu genau um, das ist Zeug für den Sperrmüll"

„Alles gut, jeder hat ein paar Schand-Ecken", sagte ich aufmunternd zu ihm.

Der Schlüssel drehte sich im Schloss und endlich konnte ich das Heiligtum des Hauses sehen.

Casa del DeeDee, wie sich herausstellte, als ein kleiner emsiger Staubsaugrobotter durch den Weg flitzte. Also doch kein Heiligtum, sondern eine Burg mit eigenem Bediensteten.

„Das ist DeeDee, er freut sich wohl sehr deine Bekanntschaft zu machen", sagte er während er sich leicht verbeugt und auf DeeDee deutete. „Hallo DeeDee, sehr erfreut", witzelte ich.

Wie er mir später beichtete, hat er eine App worüber er DeeDee steuerte. So schien es, dass DeeDee ein Eigenleben hatte und mir den Hof machte. Wie immer war wohl alles von ihm durchdacht. Es funktionierte auf jeden Fall und ich musste herzlich lachen.

Sir DeeDee, würden Sie mir die Ehre erweisen, mir das stille Örtchen zu zeigen?", fragte ich neckisch den Staubsaugrobotter. „Reicht es, wenn ich das mache? Der Kleine hat noch viel zu tun in der Studentenbude.", fragte er und wies mir zeitgleich den Weg zur Toilette.

Beim Händewaschen checkte ich noch kurz mein Spiegelbild und erschrak als ich diesen verschwitzten Gremmlin zu sehen bekam. Wenn er mich so zu sich einlädt kann es ja wohl nicht so schlimm sein, dachte ich und ging wieder auf den Flur, um André zu suchen. Die Suche gestaltete sich als sehr einfach, da man im Kreis durch die ganze Wohnung gehen konnte.

„Fühl dich wie Zuhause", sagte er in einem herzlichen Ton.

„Bist du dir da sicher? Nicht, dass du es nachher bereust", meinte ich Augen zwinkernd zu ihm.

So stöberte ich durch die Casa del DeeDee und stellte fest, dass die Wohnung sehr reinlich für einen jungen Mann ist.

„Hast du extra für mich aufgeräumt?"

„Hier sieht es immer so aus, aber ja etwas aufgeräumt hab ich. Den Rest haben wir DeeDee zu verdanken."

Ich ging weiter durch sein Wohnzimmer und blieb an seinen Gitarren hängen. Er hat drei in seiner kleinen Wohnung. Eine der Gitarren schnappte ich mir und lief zu ihm zurück.

„Spielst du das Lied für mich?", ich sah ihn mit großen Augen auffordernd an.

„Ja klar, wie kann man diesen Kulleraugen wiederstehen, gib her."

Er spielte ‚Cherry Wine' von Hozier. Meiner Meinung nach sogar besser als das Original.

„Wow, das war unglaublich", ich sabberte schon halb vor mich hin als er fertig gespielt hatte.

„Und ich finde es fantastisch, wie sich deine Stimme anhört"

„So und jetzt musst du auch was für mich singen."

„Ich kann aber keine Gitarre spielen"

„Macht nichts, ich aber", sagte er Zunge raussteckend.

„Gib dein Bestes" forderte er mich auf, „Welches Lied?"

„Seven Nation Army! Kannst du das?" erfragte ich.

Ohne Antwort fing ich an das bekannte Intro vom Lied zu spielen, ihre Augen blitzten auf.

Wenige Sekunden später folgte ihr Einsatz, sie fing an das Lied in wundervoller, kräftiger Stimme zu singen. Verdutzt von Ihrer einmaligen Stimme spielte ich weiter, fast schon tagträumend achtete ich auf jedes ihrer Worte. Ich war froh, dass sie beim singen ihre Augen schloss, sonst hätte sie wohl gesehen, wie erstaunt ich sie anstarre. Eine solche Stimme aus einem solch kleinen, fragilen Körper?

Sie hat's echt drauf.

Am Ende der kleinen Privataufführung schauten mich auf einmal wieder diese großen, hübschen, unscheinbaren Augen an, welche erwartungsvoll auf eine Meinung appellieren.

Ich applaudierte, sagte ihr, wie beeindruckt ich bin und dass sie eine wundervolle Stimme hat.

Glücklich grinsend verschwand sie erneut ins Badezimmer, während ich mir ausmalte, wie gut diese Frau wohl zu mir passt, was wir als nächstes singen könnten, wie der Tag weiter verlaufen könnte.

Als ich wieder zu ihm ging, stand er bereits mit zwei Zigaretten am Fenster, auf mich wartend. Während wir schweigend am Fenster standen, grinste er mich auf einmal spitzbübisch an und ergriff die Initiative. Ein kleiner Kuss landete auf meinen Lippen. Es waren weiche Lippen die vorsichtig die meinen suchten.

Ein Grinsen flog über sein Gesicht und er küsste mich erneut. Es war ein leidenschaftlicher, warmer Kuss. Er war nicht aufdringlich. Es wirkte, als hätten wir uns schon tausende male so geküsst. Niemand musste etwas sagen, es war magisch. Die Luft knisterte, als hätte man eine Wunderkerze angezündet.

Es kribbelte überall.

Ja das war richtig, es fühlt sich gut an. 

Kleiner Finger SchwurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt