Begegnung

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Ziemlich schnell war André und mir klar, dass unser Treffen sehr schnell stattfinden würde. Ich hatte echt Angst, dass meine ominöse Krankheit bis dahin immer noch den Besitz über mich hat. Leider hat man nicht herausgefunden, was ich habe. Nur war klar, dass es von dem Kinderbiss in meiner Hand stammte.

Immerhin hatte ich so eine Woche mehr Urlaub. Während meine Schwester weiter an meiner Grabrede schrieb, machte ich mir Gedanken, was ich anziehen werde. Die Entscheidung viel auf ein bequemes aber dennoch schönes, hellgraues Kleid.

Am Tag des Treffens konnte ich endlich wieder reden und geradeaus laufen. Immer noch wackelig auf den Beinen, ging ich mich fertig machen. Interessanterweise war ich nicht mal aufgeregt. Zumindest bis ich schließlich doch los musste.

Auf dem Weg zum Bahnhof checkte ich immer wieder, ob noch alles an Ort und Stelle saß. Nun bereute ich meine Outfit-Wahl doch, denn es war viel zu warm für dieses Kleid. Wie sollte es auch anders sein, fing ich an zu schwitzen.

Als meine Bahn, mit zehn minütiger Verspätung, einfuhr, war ich froh. Endlich in der klimatisierten Bahn runterkommen und abkühlen. Nachdem ich einen Sitzplatz gefunden hatte, setzte ich meine Kopfhörer auf und hörte mir sein Lied an. Dies tat ich nicht zum ersten mal. Er hat wirklich eine wunderschöne Stimme.

Mir schwirrten viele Fragen im Kopf herum. Wie er wohl aussieht, wie begrüßen wir uns, was wird er denken, wenn er mich sieht? All diese Fragen verdrängte ich ziemlich schnell, da sie mich nicht weiterbrachten und ich sonst nur noch mehr schwitzen würde.

Zwischenzeitlich schrieb André mit mir und fragte mich, wann ich da sei, um mich abzuholen. Außerdem fragte er mich, ob er ein Schild basteln soll, damit ich ihn finde. Nachdem ich laut los lachte, erntete ich ein paar verärgerte und verdutzte Blicke der anderen Fahrgäste.

Noch eine Station und dann war es geschafft. Glücklich stieg ich aus der Bahn aus, um dem Mann zu begegnen, der mich so neugierig machte. Noch einmal rechts abbiegen und da sollte er dann auch schon stehen, dachte ich mir.

Da stand er lässig an seinen BMW gelehnt. Ich wusste ja, dass er einen BMW fährt, aber damit hatte ich absolut nicht gerechnet. Dachte ich doch, dass er Student ist. Naja, vielleicht doch ein Irrer. Oder er ist reich, dachte ich so für mich, während ich lächelnd auf ihn zulief.

Endlich war es soweit. Endlich treffe ich sie in Person. Ich war seltsam aufgeregt, was eher unüblich war. Allerdings konnte ich es verstehen, wenn man bedenkt, dass mein letztes Date schon eine ganze Weile her war und es damit beendet wurde, dass sie bei besagtem ersten Date in strömenden Tränen erwähnte, dass es ihr Leid täte und sie eine psychische Krankheit hätte.

Dann gabs noch einen Brief, den sie in meiner Gitarrentasche versteckte, welcher von ‚inneren Dämonen' und anderen Seltsamkeiten aus dem Harry Potter Universum erzählte.

Komische Alte.

Als ich nun viel zu spät vor dem Kleiderschrank stand und mich nun endlich entscheiden musste, wie ich Giuliana das erste Mal begegnen soll, bekam ich einen Anruf.

Mit Freude im Gesicht kramte ich mein laut leutendes Handy hervor, im Glauben, dass Giuliana mich anruft. Pustekuchen. Es war ein Bekannter aus Holland, für den ich etwas Arbeit nebenbei verrichtete. Pläne zeichnen, Statik berechnen, Architektenzeug halt.

Meine Laune änderte sich schlaghaft, als ich erfuhr, dass ich doch mal eben vorbeikommen müsste, weil irgendetwas nicht passen würde, oder man mental zu begrenzt sei, den Plan zu verstehen.

Mist.

Was sollte nur aus meinem Date werden?

Damit war zumindest die Frage geklärt, was ich anziehe.

Arbeitsklamotten. Also schmiss ich mir mein Sakko über, stieg ins Auto und raste nach Holland, in der Hoffnung früh genug fertig zu werden um nicht den schrecklichsten Eindruck überhaupt zu hinterlassen.

Nach getätigter Arbeit, welche tatsächlich nur ein paar Minuten dauerte, ging ich wieder zu meinem Auto. Es war noch etwas Zeit, also steckte ich mir eine Zigarette an um die letzte Stunde vor meinem Date mit Giuliana nicht ewig wirken zu lassen.

Die Zeit schien sich kaum zu rühren und ich wurde von Minute zu Minute, welche sich wie eine halbe Stunde anfühlte, nervöser.

‚Meine Güte, reiß dich zusammen, Junge!', dachte ich mir nur, als mein Herz beim Gedanken an sie immer lauter aufpochte.

Natürlich hatte ich mir einen ‚kleinen' Plan gemacht, wohin ich sie ausführen wollte, was ich ihr zeigen wollte. Was wir essen könnten und wo wir es machen könnten.

Wie soll es auch anders sein, für jemanden der nicht mal ruhig sitzen kann, wenn die Küche unsauber ist. Mein innerer Perfektionist musste ja auf alles vorbereitet sein, dementsprechend hat dieser sich auch schon tüchtig meinen Kopf zermartert. Die komplette Woche lang, seitdem feststeht, dass ich sie sehen werde.

In Gedanken dahinschwelgend sah ich auf die Uhr, es war Zeit. Ich fragte sie nochmal über den Chat, wann sie am Bahnhof ankommen würde, damit ich sie abholen konnte.

Ich stieg ein, führ los, hielt an, stieg aus, zog mein Sakko aus, weil diese ganze Aufregung und das Wetter mich ins Schwitzen brachten, stieg wieder ein und machte mich weiter auf den Weg Richtung Bahnhof.

Riesen Schweißflecken bildeten sich auf meinem Hemd unter meinen Armen, da half selbst die Klimaanlage während der Fahrt nicht viel.

Ich fühlte mich schon eher wie ein Jugendlicher, der das Mädchen zum Abschlussball ausführen will.

Endlich am Bahnhof angekommen stellte ich mich auf einen Parkplatz und wartete außerhalb meines Autos.

‚Was die wohl denken wird' murrte ich zu mir selbst, mit mir selbst debattierend, ob ich nun das Sakko wieder anziehe, um Schweißflecken zu bedecken, dann aber bald einen qualvollen Hitzeschlag erleiden würde, oder das Sakko auslasse und mich ihr direkt in meinem wahren, verschwitzten ich zeige.

Ich zog das Sakko wieder an.

Mein Handy vibrierte, es war Giuliana, mit der Nachricht, dass sie angekommen sei. Ich schaute mich um, sah sie nirgends. Wenn sie überhaupt so aussieht wie auf den Bildern.

Spoiler: Sie sah nicht aus wie auf den Bildern.

Sie sah tausendmal besser aus.

Ich konnte sie erkennen, etwas weiter als 40 Meter von mir, wie sie auf mich zulief. Sie war kleiner als gedacht. Süßer als gedacht. Oh Mann, ich war sofort verliebt.

Als sie auf mich zu lief setzte ich meine Sonnenbrille ab, damit sie mir direkt vertraut in die Augen schauen konnte.

Kleiner Finger SchwurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt